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01.09.17 / »Hier haben Sie noch nicht reingeschaut« / In Glogau hat diesen Sommer der Wiederaufbau des Stadttheaters begonnen – Das Rathaus ist bereits rekonstruiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-17 vom 01. September 2017

»Hier haben Sie noch nicht reingeschaut«
In Glogau hat diesen Sommer der Wiederaufbau des Stadttheaters begonnen – Das Rathaus ist bereits rekonstruiert
Edmund Pander

Wer das Glogauer Museum im alten Stadtschloss besucht, der muss starke Nerven mitbringen. Nicht weil hier wie vielerorts Geschichte im Übermaß verdreht wird, eher weil der Wärter dem Interessierten nicht gestattet, ein Teil der Exponate auszulassen. „Hier haben Sie noch nicht reingeschaut“, baut er sich mit verschränkten Armen an der Treppe auf und weist mit einem Blick zu der geöffneten Tür auf der gegenüberliegender Seite, wenn er auf Besucher trifft, die versuchen, sich nur einen Teil anzuschauen. Viele Deutsche haben derzeit nur die seit dem 15. Oktober 2015 zu sehende Sonderausstellung zur Vertreibung der Deutschen und Neuansiedlung von Polen nach 1945 zum Ziel, die in Zusammenarbeit mit dem Glogauer Heimatbund und dem Schlesischen Museum zu Görlitz entstand und nur Bewunderung auslösen kann. Der Besucher tritt über den historischen Stadtplan zu den Vitrinen oder findet in Lumpen gehüllt eine Gruppe lebensgroßer Puppen, die Vertriebene auf der Flucht darstellen. Selbst der bekannte Sonderbefehl mit den Anweisungen des polnischen Abschnittskommandanten zur Ausweisung aus Bad Salzbrunn findet sich hier vollständig und wortgetreu ins Polnische übersetzt.

Und wieder hat der Wärter einen erwischt, der achtlos an historischen Fotos der Stadt vorbeigeht. „Moment mal. Ihnen ist die Aufnahme unseres wundervollen Theaters entgangen, das wir wieder aufbauen“, sagt er über den zum Kriegsende zerstörten Bau. Das ‚unseren‘ klingt aus seinem Munde gar nicht vereinnahmend, denn bei folgenden Fotos zum Stadtbild spürt man seinen Stolz auf eine Stadt, die er vor 1945 in schillernden Tönen als blühende Stadt präsentiert. 

Vielleicht liegt es daran, dass die Stadt überhaupt erst in den 90er Jahren so etwas wie ein historisches Gesicht wiedererhalten hat. Ähnlich wie heute noch Küstrin war die Altstadt Glogaus bis dahin eine Ansammlung überwucherter Steine, die man nur mit viel Phantasie als einstige Stadt ausmachen konnte. Entlang der historischen Straßenzüge wurden neue Häuser errichtet, die in ihrer Größe den einstigen Proportionen entsprechen. Während das historisch getreu rekonstruierte Rathaus wieder die Mitte der Stadt markiert und ein durchaus urbanes Leben Einzug gehalten hat, geben gleich daneben die zerschossenen Grundmauern des Theaters noch einen Eindruck davon, wie das gesamte Areal zuvor ausgesehen hat. 

Doch auch das gehört nun bald der Vergangenheit an, denn am 28. Juli haben die Arbeiten zum Wiederaufbau des Theaters begonnen. Das Gebäude soll nun nahezu komplett sein ursprüngliches Gesicht wiederbekommen, nachdem es mit der Ruine über die letzten sieben Jahrzehnte stetig abwärts gegangen war. Die Arbeiten hat die Firma Pre-Fabrykat aus Krummhübel [Karpacz] übernommen, die Stadtverwaltung hat bereits fünf Millionen Zloty (mehr als eine Million Euro) zur Verfügung gestellt. Das Gesamtauftragsvolumen soll bei etwa 20 Millionen Zloty (fast 4,7 Millionen Euro) liegen. „Auch das Kultusministerium erkannte, dass das Theater wiederaufgebaut werden muss. Unser Projekt wurde als eines der wichtigsten Kulturvorhaben eingeschätzt. Wir haben also die Chance, weitere Gelder dafür zu bekommen. Wenn wir dies schaffen, wird auch unser Anteil dadurch geringer“, so Stadtpräsident Rafal Rokaszewicz kürzlich auf einer Pressekonferenz. Das wiedererrichtete Theater soll 200 Zuschauern Platz bieten und neben der Bühne auch Konferenzräume beherbergen.

Dass die Zuwendung zum historischen Stadtbild mit schmerzlichen Entdeckungen verbunden sein kann, wurde übrigens nur wenige Tage nach dem Beginn der Bauarbeiten anderenorts in Glogau offenbar. Ein Ehepaar ent­deckte, dass sich 16 Gehwegplatten im eigenen Schrebergarten rückseitig als Grabplatten für elf kleine Mädchen und fünf Jungen im Alter von höchstens vier Jahren entpuppten, die während des Krieges starben. Der Verein Glogauer Geschichtsforum (Glogowskie Forum Historyczne) möchte diese und ähnliche Steine in einem Lapidarium zusammenfassen.