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08.09.17 / Kritik ohne Ventil / »TV-Duell«: Die großen Parteien sind vor aller Augen zum Block verschmolzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-17 vom 08. September 2017

Kritik ohne Ventil
»TV-Duell«: Die großen Parteien sind vor aller Augen zum Block verschmolzen
Hans Heckel

Das „große TV-Duell“ zeigte eine politische Friedhofsstille, die in der Geschichte schon oft abrupten Umbrüchen voranging. 

Durch die Gesprächsrunde bei Anne Will nach dem „TV-Duell“ zwischen Angela Merkel und Martin Schutz raunte eine düstere Zahl: 30 Prozent der Deutschen hätten sich bereits komplett abgewendet von den etablierten Parteien, wählten entweder AfD oder bewusst gar nicht mehr, hieß es. Die seien auch nicht mehr zurückzuholen, prognostizerte eine Journalistin des „Spiegel“, ohne dafür  Widerspruch zu ernten.

Eine Zahl, welche die Vertreter der Etablierten erschrecken lassen sollte. Doch der anwesende Ex-Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg (CSU) hakte die 30 Prozent als „westeuropäischen Normalzustand“ ab. Der ebenfalls mitdiskutierende frühere SPD-Chef Franz Müntefering empfahl immerhin, dass man den Dialog mit den Abgewanderten suchen solle und erkannte: Die Debatte in Deutschland sei tot, sie müsse wiederbelebt werden.  

Debatte wiederbeleben? Im „TV-Duell“ hatten die Zuschauer soeben das Gegenteil erleben müssen. Beide vermeintlichen Kontrahenten spulten Phrasen ab oder redeten sich heraus. Beispiel: der anstehende, womöglich millionenfache Familiennachzug von Syrern. Hier müsse Deutschland zu seinen „internationalen Verpflichtungen“ stehen und sei an die „Rechtslage“ gebunden.

Keiner der Moderatoren fragte, wer denn diese „Rechtslage“ geschaffen habe, wer die „internationalen Verpflichtungen“ eingegangen sei, wenn nicht vor allem die beiden Diskutanten respektive deren Parteien? Die dreiste Ankündigung Merkels, über den Syrer-Nachzug werde (warum wohl?) erst nach der Wahl endgültig entscheiden, stellte eine Drohung dar, die erstaunlicherweise ebenfalls keine kritischen Fragen nach sich zog.

Das eher gelangweilt als erzürnt aufgenommene „Platzpatronen-Duell“ geriet zum perfekten Abbild der deutschen Misere. Der Herausforderer forderte nicht heraus, die Titelverteidigerin musste sich mithin auch nicht verteidigen. Der Spruch „Die sind doch eh alle gleich“ erhielt seine Bestätigung von höchster Stelle. Der alte Hase Müntefering ahnt, welche Gefahr hinter solch einer Konstellation lauert. In der Geschichte entpuppten sich derartige Phasen vordergründiger Friedhofsruhe oftmals als Vorstufe abrupter Umbrüche.

Denn es sind Perioden der Gärung, in denen sich das explosive Gemisch der Unzufriedenheit sammelt, ohne bei der großen Politik Ventile zu finden, die es in einer lebendigen Demokratie haben sollte. Etablierte Politik und Medien haben die Ventile mit Verdikten wie „Populismus“, „Hetze“ oder „Spaltung der Gesellschaft“ derart fest verstopft, dass so gut wie nichts mehr entweichen kann.

Sie halten diese Verstopfung für ihren Sieg. Das könnte sich als größter Irrtum der deutschen Geschichte seit den Fehleinschätzungen der SED am Ende der DDR herausstellen.