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08.09.17 / »Gewonnen hat die AfD« / Keiner mag sie, jeder spricht über sie: Vom langweiligen Wahlkampf profitiert vor allem eine Partei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-17 vom 08. September 2017

»Gewonnen hat die AfD«
Keiner mag sie, jeder spricht über sie: Vom langweiligen Wahlkampf profitiert vor allem eine Partei
Frank Horns

Gott segne die AfD! – Mit derart blasphemischen Stoßgebeten dürften derzeit viele Mainstream-Journalisten ihren Arbeitstag beginnen. In einem Wahlkampf, dessen Erregungsfaktor bislang ungefähr auf dem Level eines Bingo-Nachmittags im Seniorenheim rangiert, erscheinen die wackeren Streiter um die beiden Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland wie pures TNT.

Skandal, Streit und schillernde Feindbilder bringt die Truppe unter der knallblauen AfD-Fahne in die Debatte ein. Hätten Graf Dracula, Star-Wars-Schurke Darth Vader oder Harry-Potter-Gegenspieler Lord Voldemort ein Parteibuch, es wäre natürlich das der AfD. Ohne mit der Wimper zu zucken und nur halb im Scherz würde wohl ein Großteil der Polit-Redakteure bei „Taz“, „FAZ“, „Bild“ und „Bams“ dieser Aussage zustimmen. Sozusagen auf Teufel komm raus mühen sie sich derzeit, das AfD-Personal zu diabolisieren. Das geht bis an die Grenze des Lächerlichen. Wenn AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland grob, aber durchaus gebräuchlich davon spricht, die SPD-Politikerin Aydan – „Eine deutsche Leitkultur gibt es nicht“ – Özugus in ihrer Herkunftsregion Anatolien entsorgen zu wollen, lässt sich daraus nun einmal keine Goebbelsche Sportpalastrede fabrizieren.

Nicht eingetreten ist, was Gauland im Frühjahr dieses Jahres in einem Interview mit der PAZ befürchtete (Ausgabe 12, Seite 2). Er sah die kleinen Parteien im Wahlkampf weitgehend unbeachtet, während sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit allein auf das Duell der beiden Kanzlerkandidaten Merkel und Schulz richten würde. Die Polarisierung ist ausgeblieben. Zu ungleich ist die Auseinandersetzung zwischen den beiden. Mutti ist zur deutschen Übermutter emporgewachsen, der Mann aus Würselen auf Kleinstadt-Maße verzwergt. Die Wahl scheint entschieden. Zahm und zärtlich geht man miteinander um. Aus dem großangekündigten TV-Duell zwischen den beiden am vergangenen Sonntag wurde ein kuscheliges Duett, ein Jahrmarkt der Nichtigkeiten. 

„Keine Antworten, keine Ziele. Nicht bürgerlich, nicht freiheitlich, nicht patriotisch. Nichts. Bloß keine Attacke, ja kein nachhaken“, ätzt Nadine Hoffman von der Thüringer AfD über den Auftritt der beiden „sorgsam gepuderten Gestalten“. Ihre Schlussfolgerung: „Auch wenn sicherlich weder von den Nichtssagenden noch von den Wenigfragenden so beabsichtigt, gewonnen hat die AfD.“

Wie stark man am Ende von der lahmen Merkel-Schulz-Show profitiert, bleibt allerdings abzuwarten. Mehr noch als bei anderen Parteien wirken die unterschiedlichsten Kräfte auf die AfD ein. Einige kosten Stimmen, andere verschaffen welche. Im Internet ist die AfD besonders stark. Ihre Facebook-Seite beispielsweise verzeichnet 336000 „Gefällt mir“-Angaben. Die CDU kommt nur auf 143000, die SPD auf 157000, die CSU auf 186000. Auch den Kurznachrichtendienst Twitter dominiert die AfD. Keine andere Partei wurde in den vergangenen drei Monaten häufiger erwähnt. Nun sollen die Spezialisten einer US-amerikanischen Werbeagentur sogar noch mehr potenzielle AfD-Stimmen aus dem digitalen Netz fischen. Harris Media heißt das kürzlich engagierte Unternehmen. Es hat schon der englischen Ukip-Partei beim Brexit geholfen und war kurzfristig auch für Donald Trump im digitalen Wahlkampf-Einsatz. In der Berliner AfD-Geschäftsstelle würden jetzt zwei Harris-Männer, Anfang 30, sitzen, die „vor Ideen sprühen“, erklärte Bundesvorstandsmitglied Georg Pazderski dem Berliner „Tagesspiegel“.

Mut und Durchhaltewillen statt sprühender Ideen braucht es für den Wahlkampf auf der Straße. Hier bewegen sich die AfD-Leute praktisch im Feindesland. Plakate werden flächendeckend zerstört, kaum dass sie aufgehängt sind. In Nürnberg erteilt SPD-Bürgermeister Christian Vogel dem AfD-Spitzenkandidaten mal eben Redeverbot. Die „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“ könne durch den Auftritt Gaulands Schaden nehmen, lässt er verlauten. In Bochum wird ein Mitglied der Jungen Alternative von mutmaßlichen Linksextremisten überfallen und lebensgefährlich verletzt. Die Ärzte fürchten um sein Augenlicht. Gut möglich, dass in den letzten Tagen des Wahlkampfes noch Schlimmeres passiert. Gut möglich aber auch, dass sich AfD-Leute aus der zweiten und dritten Reihe daneben benehmen und Skandalisierbares produzieren. Genüsslich wurden im NDR gerade Auszüge der Chat-Protokolle von Holger Arppe vorgetragen. Der Vize-Fraktionschef der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sprach in einer internen

Facebook-Gruppe von „rot-grünem Geschmeiß“, das „aufs Schafott“ gehöre: „Und dann das Fallbeil hoch und runter.“

Arppe hat inzwischen sein Parteibuch abgegeben. Der Skandal blieb vergleichsweise klein. Vielleicht auch, weil der Galerie-Besitzer aus Rostock seine Pöbeleien tourette-syndrom-artig in jede Himmelsrichtung verteilte. Auch die AfD-Spitze selbst blieb nicht verschont.

Wie viele Stimmen die verbalen Entgleisungen dennoch gekostet haben, bleibt offen. Derzeit sehen Umfragen die AfD bei Werten zwischen acht und elf Prozent, vielfach auch als drittstärkste Kraft vor den Grünen, der Linkspartei und der FDP. Gauland und Weidel erklärten in einem Interview, dass sie „alles Zweistellige“ für ein gutes Ergebnis halten würden. Wenn es soweit kommt, müssten eigentlich auch Deutschlands Mainstream-Journalisten die Sektkorken knallen lassen. Sind ihre Lieblings-Schurken doch in beachtlicher Mannschaftsstärke im Bundestag angekommen, um tatkräftig für weitere Schlagzeilen zu sorgen.