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08.09.17 / Ein Meister, der bleibt / Nur der Autor des »Schimmelreiters«? Vor 200 Jahren wurde Theodor Storm geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-17 vom 08. September 2017

Ein Meister, der bleibt
Nur der Autor des »Schimmelreiters«? Vor 200 Jahren wurde Theodor Storm geboren
Harald Tews

Als „Du graue Stadt am Meer“ bezeichnete Theodor Storm die Nordsee-Stadt Husum. Am 14. September 1817 wurde der Autor des „Schimmelreiters“ hier geboren.

Am Husumer Hafen befindet sich ein Holzpfahl mit den Pegelständen vergangener Sturmfluten. Die „Große Manndränke“, bei der im Jahr 1362 das Meer die vor Husum gelegene Insel Rungholt verschluckt hatte, war nichts im Vergleich zu der Sturmflut von 1825, die knapp einen halben Meter höher lag. Theodor Storm wird sie als Siebenjähriger bewusst erlebt haben. Er wusste also, wovon er schrieb, als er kurz vor seinem Tod 1888 seine letzte Novelle, den „Schimmelreiter“, beendete.

Es gibt zwei Werke von Storm, die sich dauerhaft halten werden. Da ist zum einen sein Gedicht „Knecht Ruprecht“ („Von drauß‘ vom Walde komm ich her / Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr“) und eben der „Schimmelreiter“. Ganze Schülergenerationen kennen aus dem Deutschunterricht das vergilbte „Hamburger Leseheft“ mit der Geschichte des Deichgrafen Hauke Haien, die auf einer in der Zeitschrift „Danziger Dampfboot“ abgedruckten Erzählung beruht und die ursprünglich im Weichselgebiet spielte.

Von den gegenwärtigen Denkmalstürzen, die den schulischen Kanon literarischer Texte in Frage stellt, bleibt Storm unberührt. Lessing – altbacken, Goethe – ein Frauenfeind, Kleist – hochnäsiger preußischer Junker, Büchner – biederer Revoluzzer, Brecht – maßlos überschätzt. Storm dagegen bietet kaum Angriffsfläche. Er vertrat eine tadellose republikanische Gesinnung und holte sich Meriten ab, indem er sich in seinen Gedichten für die schleswig-holsteinische Erhebung gegen die Dänen-Herrschaft einsetzte und deshalb seine Anwaltskanzlei in Husum aufgeben musste. 

Dass sich Storm so sehr dem heutigen Zeitgeist widersetzt, der so ziemlich alles zerstören will, was auch nur annährend der Heimatliteratur verdächtigt wird, erstaunt immer wieder. Denn fast alle seine Novellen wie auch die zu seinen Lebzeiten in mehreren Auflagen erschienene „Immensee“, die fast schon sozialkritische „Pole Poppenspäler“ über einen ehrbaren Mann, über den so etwas wie ein „Shit-Storm“ (sic!) einbricht, oder der Vater/Sohn-Konflikt in „Carsten Curator“ spielen in Storms norddeutscher Heimat. Wegen seiner bodenständigen Art bezichtigte Theodor Fontane seinen Kollegen einst der heimattümelnden „Hu­sumerei“.

Dabei lernte Storm auch Fontanes preußische Heimat kennen. In seinen „Exiljahren“ erhielt er eine Anstellung am Kreisgericht in dem von ihm ungeliebten „großen Militär-Kasino“ Potsdam, ehe er eine besser bezahlte Stelle als Kreisrichter im thüringischen Heiligenstadt erhielt. Hier, auf der Strecke von Göttingen nach Erfurt gelegen, wirkte er auch an Todesurteilen mit. Das Amtshaus, in dem er tätig war, beherbergt heute ein Storm-Museum.

Das gibt es auch in Husum unweit vom Hafen. Nachdem Preußen und Österreicher 1864 den Deutsch-Dänischen Krieg gewonnen hatten und die Preußen sich laut Storm wie Eroberer aufführten („Auf diese Weise einigt man Deutschland nicht“), kehrte er nach Husum zurück, wo er als Landvogt, Amtsrichter und Hobbyautor in einem großzügigen Bürgerhaus arbeitete und das heute eine umfangreiche Storm-Sammlung beherbergt. 

Seine neutrale Rolle als Richter schlug sich auch in seinen literarischen Werken nieder, in denen immer Maß gehalten und Anstand bewahrt wird. Das machte ihn zum Vorbild vieler Autoren, besonders aber von Thomas Mann, der über Storm sagte: „Er ist ein Meister, er bleibt.“ Wenn viele seiner Novellen in Vergessenheit geraten sein werden, so wird Storm allein wegen des „Schimmelreiters“ noch lange bleiben.

Eine hohe Wertschätzung erfährt Storm posthum am 14. September, wenn im Husumer Rathaus ein Festakt zu seinem 200. Geburtstag stattfinden wird, zu dem auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther eingeladen ist.




Lektüretipps zu Storm:

Im Jubiläumsjahr ist eine  Reihe von Sachbüchern und Romanen über Theodor Storm erschienen. Gerd Eversberg hat mit Theodor Storm: Künstler – Jurist – Bürger (Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2017, 160 Seiten, 16,90 Euro) ebenso eine neue Biografie vorgelegt wie Maren Ermisch mit Theodor Storm. Dichter – Bürger (Wachholtz Verlag, Kiel 2017, 96 Seiten, 8,95 Euro).  Der langjährige Doyen des Theodor-Storm-Hauses, Karl Ernst Laage, hat kurz vor seinem Tod mit 97 Jahren im Juli dieses Jahres noch das Buch Theodor Storm zum 200. Geburtstag: Aufsätze, Untersuchungen, Dokumente (Boyens Buchverlag, Heide 2017, 152 Seiten, 16,95 Euro) herausgebracht. Alles über Leben und Werk von Storm erfährt man  im Storm-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung von Christian Demandt und Philipp Theisohn (J.B. Metzler, Stuttgart 2017, 420 Seiten, 89,95 Euro). Fiktive Werke über Storm gibt es von Bente Seebrandt mit Im Licht der Nebensonnen, Ro­man nach Motiven von Theodor Storm (Boyens Buchverlag, Heide 2017, 320 Seiten, 10,95 Euro), Tilman Spreckelsen mit Der Nordseeschwur – Ein Theodor-Storm-Krimi (Fischer TB, Frankfurt/M. 2017, 240 Seiten, 9,99 Euro) und Jochen Missfeldt mit Sturm und Stille, (Rowohlt, Reinbek 2017, 352 Seiten, 22 Euro).H. Tews