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08.09.17 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Er kann nichts dafür / Warum Schulz die Schießbudenfigur macht, wieso die Kritik an ihm unfair ist, und wie man seine wahre Politik am besten versteckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-17 vom 08. September 2017

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Er kann nichts dafür / Warum Schulz die Schießbudenfigur macht, wieso die Kritik an ihm unfair ist, und wie man seine wahre Politik am besten versteckt

Alle fallen sie über den armen Schulz her. Viel zu nett sei er zur Merkel gewesen in dem „Duell“, habe sich in ihren Dunst aus nichtssagendem Blabla komplett einhüllen lassen. Und außerdem viel zu oft genickt, wenn die Kanzlerin ihre Allgemeinplätze nuschelte. Der Herausforderer hätte kämpfen müssen, richtig kämpfen! Mit harten Bandagen und so!

Ach, wie ungerecht wir sind. Wie soll denn einer plötzlich kämpfen, der mit 61 Jahren noch nie wirklich im Ring gestanden hat? Der arme Tropf war Bürgermeister von Würselen, und zwar in einer Zeit, als die eigentlichen Entscheidungen noch von einem hauptamtlichen Stadtdirektor gefällt wurden, während der Herr Bürgermeister sein goldenes Amtskettchen spazieren trug und „bürgernahe“ Feiertagsreden hielt. Das hat sich in NRW, wie auch in Niedersachsen übrigens, erst vor einigen Jahren geändert. Seitdem küren die Wähler dort einen hauptberuflichen Bürgermeister, der richtig ran muss.

Als Kettchenträger stieg er 1994 ins EU-Parlament auf, wobei er seinen ehrenamtlichen Bürgermeisterposten noch volle vier Jahre beibehielt – was zusätzlich Zeugnis darüber ablegt, wie aufreibend der damals gewesen sein muss.

Bei der EU saß er in einem „Parlament“, in dem sich etwa     80 Prozent der Abgeordneten bei  allen wesentlichen Fragen einig sind und ohnehin wenig zu sagen haben. Dort werden einvernehmlich Posten und Pfründen verteilt, wobei der gute Schulz mit dem Präsidentenposten den fettesten Vogel abgeschossen hat.

Was ihm in seiner schönen langen Laufbahn jedoch nie begegnen sollte, das ist der knallharte Kampf um Macht und Ziele, den man „Politik“ nennt. Aber jetzt soll er das auf einmal können? Woher denn? Sein Schlusswort beim „TV-Duell“ glich einer EU-Parlamentsrede von eben jener Schwafeligkeit, die wir von Brüssel gewohnt sind. Dabei legte der SPD-Chef Kunstpausen von solcher Überlänge ein, dass man fürchten musste, der Kandidat habe vor laufender Kamera das Bewusstsein verloren.

Wer also ist schuld an dem De­saster? Schulz jedenfalls nicht, der kann es nicht besser, wie wir gesehen haben. Also die SPD? Kann man auch nicht sagen. Im Grunde war im Willy-Brandt-Haus allen klar, dass man die Merkel diesmal sowieso noch nicht wegbekommt. Der Form halber musste aber irgendein armer Tropf her, der die rote Schießbudenfigur macht und mit der Verantwortung für die Niederlage nach Hause geht, damit die eigentlichen SPD-Parteigranden auch nach dem unvermeidlichen Fiasko am Wahltag kratzerlos weiterglänzen können.

In so eine Falle tappt natürlich bloß jemand, der nicht nur keinen Schimmer vom wirklichen politischen Gemetzel  hat. Er muss zudem dermaßen von sich überzeugt sein, dass er glaubt, alles zu können. Martin Schulz erfüllte auch die zweite Anforderung bis aufs          I-Tüpfelchen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Merkel von links kaum angreifbar ist, weil sie jede linke Forderung übernimmt und nicht selten übertrifft. Bei dem TV-Plausch stach das besonders hervor, als die Asylflut zur Sprache kam. Da kämpften beide „Kontrahenten“ Schulter an Schulter darum, die Wahrheit zu verstecken.

Ob es um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ging, die Frage, wie wir die berüchtigten „Gefährder“ loswerden oder was nun mit dem Familiennachzug Hunderttausender Syrer werden soll – die Antwort war bei beiden die immer gleiche: Das müsse man im „Einzelfall“ prüfen.

Man kann jeder politischen Antwort ausweichen, indem man den Komplex in lauter „Einzelfälle“ auflöst, die kein Mensch mehr zu übersehen vermag. Die Frage bleibt allerdings, was das noch mit Politik zu tun hat. Die soll doch die Richtung für das Ganze im Sinne des Staatswohls finden, statt nur daneben zu stehen, während die Ämter in „Einzelfällen“ ersaufen. Haben die also aufgehört, Politik zu machen? 

Keineswegs, sie machen nur eine, die wir nicht sehen sollen. Daher das  Gerede von den „Einzelfällen“.

Der ungeübte Schulz ließ uns allerdings ganz kurz hinter die Kulissen schauen. Einen Menschen, so der SPD-Kandidat, der schon länger bei uns weile und „gut integriert“ sei, den solle man sowieso nicht mehr abschieben.

Aha: Es kommt also nur darauf an, das Verfahren um die „Einzelfälle“ möglichst lang hinzuziehen, um irgendwann das Etikett „gut integriert“ auf den Aktendeckel kleben zu können. Dann ist es völlig egal, ob der Betreffende wirklich Flüchtling ist oder Anrecht auf Asyl besitzt, oder ob er sich ohne Papiere aus einer sicheren Region unter Bruch unserer Gesetze eingeschlichen hat – er kann bleiben.

In diesem Sinne machen wir große Fortschritte: 2016 dauerten Asylverfahren im Schnitt noch gut sieben Monate, im ersten Vierteljahr 2017 dagegen zogen sie sich schon 10,4 Monate hin und im zweiten Quartal konnten sie sogar auf 11,7 Monate ausgewalzt werden. Spitzenreiter sind die Fälle aus Kongo-Kinshasa, an denen durchschnittlich fast anderthalb Jahre herumgefummelt wird, bis eine Entscheidung fällt.

Das ist allemal genug Zeit, um einen Hilfsjob in der Kirchengemeinde, die Mitgliedschaft im Fußballklub oder irgendeinen anderen Beweis für „gute Integration“ herbeizuzimmern. Der Kongo könnte so friedlich und demokratisch werden wie die Schweiz. Abgeschoben wird dahin wohl niemand mehr. 

Das also verbergen Merkel und Schulz hinter der Wolke von „Einzelfällen“, mit der sie unseren Blick zu trüben trachten. Gerissen, was? Dabei geht es auch viel simpler. Die CDU-Chefin wärmte vergangenen Sonntag ihre alte Behauptung auf, Deutschland könne seine Grenzen ohnehin nicht kontrollieren. Diesmal aber in abgewandelter Form, nämlich mit der vielsagenden Bemerkung, dass unsere Grenze 3000 Kilometer lang sei. Sollte heißen: Zu lang, um effektiv überwacht zu werden. Daher, so Merkels Schlussfolgerung, müsse man den Grenzschutz auf europäischer Ebene organisieren.

Ein Fazit von bestechender Logik: Sind die Außengrenzen der EU etwa kürzer als die Deutschlands? Selbstverständlich nicht. Auch hier ging es wieder nur ums Tarnen und Täuschen. Beim Misslingen nationaler Grenzkontrollen könnte die Kanzlerin nämlich unmittelbar verantwortlich gemacht werden. 

Hapert es jedoch in Griechenland, Italien oder sonstwo, kann sie alles auf die dortigen Verantwortlichen schieben und Sätze drechseln wie: „Wir sind mit der Regierung in XY in intensiven Gesprächen, um das Problem einer Lösung näher zu bringen“ oder irgendwas in der Art. Dabei werden die Bundesbürger wieder einmal andachtsvoll zu ihrer großen Kanzlerin aufschauen, wie sie sich überall auf der weiten Welt an den Sorgen der Menschheit abarbeitet.

Nun fallen allerdings nicht alle Deutschen auf solche Winkelzüge herein. Auch aus diesem Grunde hagelte es Kritik an dem harmonischen Auftritt von Merkel und Schulz. Einige Kommentatoren verstiegen sich gar zu dem Resümee, die ganze Show habe nur einem genützt: der AfD.

Die kann sich über mangelnde Wahlkampfhilfe wahrlich nicht beklagen. Nun springt sogar die Nürnberger Stadtverwaltung der Partei zur Seite. Sie will einen Auftritt des AfD-Spitzenkandidaten Gauland verhindern wegen der Sache mit Frau Özoguz und dem Wort „entsorgen“.

Das jetzt, wo längst jeder weiß, dass die Metapher „entsorgen“ in Bezug auf Menschen seit Jahren von allen möglichen Politikern und Medien ganz selbstverständlich verwendet wird. Im Falle von Gauland soll sie aber als Grund herhalten, ihm die Nürnberger Meistersingerhalle zu sperren. Wenn man nicht wüsste, wie knapp der Wahlkampf-Etat einer kleinen, jungen Partei wie der AfD ist, könnte man glauben, Nürnberg hätte Geld von denen bekommen.