28.03.2024

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15.09.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-17 vom 15. September 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

es ist doch erstaunlich, was manchmal aus der Erinnerung geholt wird, wenn man sich gefordert fühlt. Und die Ostpreußische Familie fordert – nicht für sich sondern für die Leserinnen und Leser, die sich ihr anvertrauen. Und die damit bei anderen das Interesse erwecken, den Fragen und Wünschen nachzugehen, weil sie auch die eigene Vergangenheit berühren. So kommt es, dass wir gerade in letzter Zeit eine rege Beteiligung an der Lösung von zuerst recht schwierig erscheinenden Themen zu verzeichnen haben, in der das eigene Erleben eine große Rolle spielt. Wenn diese Ausführungen mit gewissen Geschichtsabläufen verbunden sind, die vielen Lesern unbekannt sind, bekommt solch eine Zuschrift schon einen besonderen Stellenwert.

So wie die Ausführungen von Herrn Heinz Schiller aus Peine, den das Thema „Wystiter See“ nicht mehr loslässt, das Mr. Owen M. Mc. Caverty aus Ohio mit der Suche nach seinen ostpreußischen Ahnen ausgelöst hat. Zuletzt haben wir dieses Thema ausführlich in Folge 31 behandelt, sodass ich hier nicht näher darauf eingehen kann. Nur so viel: Es geht um den Ort Wystiten, der später Kallweitschen und zuletzt Kornberg hieß, mitten im östlichsten Grenzgebiet liegt und eine wechselvolle Vergangenheit hat. Diese hat nun Herr Heinz Schiller durchleuchtet und erweist sich auch als authentischer Zeitzeuge, deshalb wollen wir seine Angaben so ausführlich wie möglich bringen, denn sie werden weit über das auslösende Thema durch ihren dokumentarischen Wert viele Leser interessieren.

„Mein Weg nach Kornberg – Kallweitschen ging im Juni 1940 von Kybarten (Litauen) aus. Hier hatten meine Eltern eine Fleischerei unmittelbar am Zollamt Kybarten-Eydtkuhnen. Ihre Existenzgrundlage war der kleine Grenzverkehr, begünstigt durch die grenzüberschreitende Eisenbahn, die auf Grund des Spurenwechsels (europäische Normalspur – russische Breitspur) viel Personal beschäftigte. Als in Folge des Hitler-Stalinpaktes nach Estland und Lettland auch Litauen von der UdSSR besetzt wurde, organisierten meine Eltern spontan meine Verlegung nach Kornberg. Kurze Zeit später wäre es unmöglich gewesen, da ein hoher Stacheldrahtzaun in voller Länge Deutschland-Russland alle Übergänge versiegelte. So wurde aus einem fünfjährigen Kybarter Jungen ein Kornberger. Ich kam in die Obhut von Verwandten, denn das Ehepaar Emma (Schwester meiner Mutter) und George Wagner besaßen dort ein Grundstück. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sie es als Rückwanderer aus den USA von einer Familie Wenkel gekauft und betrieben ein Gasthaus mit Kolonialwarenladen. Bis April 1941 blieb in von meinen Eltern getrennt. Zunächst stellte sich Heimweh ein, dank fürsorglicher Pflege hatte ich es bald überwunden. Mit der Umsiedlungsaktion „Heim ins Reich“ sah ich im Bahnhof Eydtkuhnen meine Mutter wieder, die Freude war groß. Freudig begrüßten die Eydtkuhner ihre bis dahin getrennten Nachbarn. Es gab viele familiäre und freundschaftliche Kontakte beiderseits der Grenze. Mein Vater kam später im Umsiedlungslager Danzig noch hinzu, so dass nach der Geburt meiner Schwester die Familie kurzzeitig vereint war. Wir sind ohne Probleme eingebürgert worden und durften auf eigenen Wunsch nach Kornberg zu unseren Verwandten. Bis auf meinen Vater, der inzwischen eingezogen wurde. Das Zollamt Kornberg-Wystiten war wieder geöffnet, die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und dem nun zu Russland gehörenden ehemaligen litauischen Gebiet verlief am östlichen Seeufer. Zahlreiche Rücksiedler kehrten bis zur endgültigen Flucht in ihre ursprüngliche Heimat zurück.“

Soweit die Erinnerungen von Heinz Schiller an seine Kindheit am Wystiter See, die er nie vergessen hat und in die es ihn auch nach der Vertreibung immer wieder hinzog. Und so hat er genau die Veränderungen wahrgenommen, die in diesem Gebiet vor sich gingen:

„Inzwischen habe ich bis auf den südlichen Zipfel das ganze Seeufer des Wystiter Sees abgewandert. Am westlichen Seeufer (heute zum Oblast Kaliningrad gehörend) sind die Dörfer Kornberg, Kaltensee, Wellenhausen und Seefelden nicht mehr vorhanden. Auf litauischer Seite, also am Nord-und Ostufer, ist Wystiten erhalten geblieben. Sogar die Lutherisch-Deutsche Kirche wird nach Restaurierung von den noch ansässigen protestantischen Litauern gepflegt. Alle vier Wochen kommt ein Pastor aus Mariampol und feiert mit der Gemeinde Gottesdienst. Bei meinem letzten Besuch in diesem Juni fand ich die Bestätigung, dass der Grenzverlauf vom früheren Ostufer zur Seemitte verlegt wurde. Der See ist sozusagen in der Hälfte geteilt: Im Westen Oblast Kaliningrad, im Osten Litauen, dazwischen EU-Grenze. Nach wie vor liegt er verborgen, weitab vom Tourismus.“ Trotz seines Alters will Herr Schiller noch einmal an den Wystiter See mit seinem glasklaren Waser, dass auch die Halbinsel Salis umspült, sein Kinderparadies, das es auch für meine Kusine Magdalena (Lene) und ihre Brüder war. Das hatte ich kurz in meiner Kolumne erwähnt – und auch zu dieser Verwandtschaft wusste er mir einiges zu sagen, was mir bisher unbekannt war. Dafür konnte ich ihm aus meinen Erinnerungen einige Angaben machen, die für ihn neu waren. Diese Wechselwirkung haben schon manche Leser zu spüren bekommen.

Wie Herr Peter Perrey aus Neustadt, der sich intensiv mit dem anscheinend zum Dauerthema mutierenden Projekt „Gartenstadt Westend“ beschäftigt, und uns nun erfreut mitteilen kann, dass sich mit Frau Krause geb. Kosky, bei ihm eine ehemalige Bewohnerin der Siedlung gemeldet hat, die eine sehr, sehr entfernte Verwandte ist, wie sich nun herausstellte. Auch wenn diese Verwandtschaft das „siebende Wasser vom Kissehl“ ist, wie man in Ostpreußen eine weitläufige Versippung zu bezeichnen pflegte, so ist es eben doch eine besondere Verbindung, und sie hebt sich aus dem Rahmen der weiteren Zuschriften heraus, die erneut zu diesem Thema Stellung nehmen, und das sind nicht wenige und nicht leicht einzuordnende. Deshalb will ich mich heute lediglich auf einige Ausführungen beschränken, die zu dem in Folge 35 veröffentlichten Foto gemacht wurden, das die heutige Lage des von Herrn Volker Kadow gesuchten Elternhauses seiner Mutter Webernstraße 13 zeigen sollte, wie ich dem uns von Herrn Dr. Hertel überlassenen, sehr informativen Material über die Gartenstadt entnommen hatte. Es handelt sich aber um die Hausnummern 12 und 14, wie Herr Peter Perry mir nun mitteilte, die 13 befand sich auf der gegenüberliegenden Seite. In der Siedlung lagen, wie überall in den neuen Königsberger Stadtteilen – die ungeraden Hausnummern auf der in Zählrichtung linken Straßenseite und die geraden auf der rechten. Das geht auch aus der Zuschrift von Frau Krause hervor, die als Kind in dem Haus Webernstraße Nummer 11 gewohnt hat. Sie kann auch noch an die Namen der Nachbarn erinnern: Vögele, Alberus und Poweleit, wobei die letztgenannte die Großeltern von Herrn Kadow gewesen sein könnten. In Bezug auf Namen und ihre Zuordnung bin ich vorsichtig geworden, und das hat seinen Grund, der zu einem anderen Thema führt, mit dem wir uns nun auch in mehreren Folgen beschäftigten: Es handelt sich um Mühlhausen, Krs. Pr. Holland.

Da hatten wir ebenfalls in Folge 13 die Suchwünsche von Frau Renate Heidenreich aus Hohen-Neuendorf gebracht, die mir schon beim Erarbeiten der Kolumne Schwierigkeiten bereiteten, weil der mit Hand geschriebene Brief nur schwer leserlich ist. Deshalb zog ich zwei graphologisch nicht ganz unerfahrene Freunde zu Rate, und wir waren alle Drei der Meinung, dass der Mädchenname von Frau Heidenreich „Kulipps“ lauten könnte. Unter diesem Namen haben wir also nach ihren Großeltern Frieda und Fritz Albert K. geforscht, und dass der nicht stimmte, erfuhren wir umgehend von einem Leser, der Frau Heidenreich bei der Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte behilflich ist. Er konnte nun zur Richtigstellung der Namen und anderer Angaben von Frau Heidenreich beitragen. Zuerst einmal der Familienname: er lautet Kuliper. Großmutter Frieda Kulipper geb. Reiß, stammte aus Guhrenwalde, einem Vorwerk von Schlobitten. Großvater Fritz Albert wurde auf dem Vorwerk Lottinenhof geboren. Die Familie wohnte in Mühlhausen auf dem Vorwerk Brünneckshof, Bohlenhaus 9. Soweit die Richtigstellung zur Familiengeschichte, fehlt noch eine kurze Anmerkung zu dem mutmaßlichen Entbindungsheim in Mühlhausen: Es befand sich in der Braunsberger Straße 11. Alle anderen Angaben zur Familie Kulipper haben wir ausgiebig in der Folge 35 behandelt. Die Anschrift von Frau Heidenreich lautet, ebenfalls leicht korrigiert: Feuerleinstraße 11 in 16540 Hohen-Neuendorf.

Wir danken unserem Leser für die schnelle und präzise Richtigstellung. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass bei handschriftlich vorgetragenen Anliegen die wichtigsten Angaben wie Namen und Ortsbezeichnungen immer in Großbuchstaben geschrieben sein sollten, sonst kommt es zu Irrtümern, die eventuelle Sucherfolge verhindern oder mindestens schmälern könnten.

Da hat sich einer aber gefreut, denn so schnell erfolgte noch kaum eine Reaktion auf die Veröffentlichung eines Suchwunsches, dazu noch aus unserer alten Heimat: Der russische Wissenschafler Dr. V. Sevastianow, der als Waisenkind von einer russischen Familie adoptiert wurde und nun nach seiner deutschen Herkunft sucht, mailte uns von seinem heutigen Wohnsitz im Samland: „Liebe und sehr geehrte Freunde, ich habe gehört von meinem Freund und Kollegen Armin Eschment, dass Frau Ruth Geede hat Artikel geschrieben. Ich bedanke mich von ganzen Herz!!! Mit ganz herzlichen Grüßen und Hoffnung!“ Die hegen wir auch, lieber Valery! Nachzulesen ist seine Geschichte in Folge 34.

Eure Ruth Geede