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22.09.17 / Wiedergeburt des Parlaments / Der Meinungsstreit kehrt in den Bundestag zurück – gut für die Demokratie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-17 vom 22. September 2017

Wiedergeburt des Parlaments
Der Meinungsstreit kehrt in den Bundestag zurück – gut für die Demokratie
Hans Heckel

Große Nervosität durchrüttelt die letzten Tage vor der Wahl. Mit triftigem Grund: Wir stehen vor einem historischen Datum.

Die Bundestagswahl 2017 wird tiefere Spuren in der Geschichte der Bundesrepublik hinterlassen als alle Urnengänge seit 1990, als die Deutschen über die Richtung ihres gerade erst neu vereinten Landes entschieden haben. 

Der SPD  droht die schwerste Niederlage seit Kriegsende. Die CDU wird siegen, erscheint als Partei aber mehr denn je auf die triste Rolle reduziert, ihrer Vorsitzenden die Schleppe zu tragen, was der Partei eine unsichere Zukunft verheißt. Die AfD als Angstgegner aller Etablierten kann laut Umfragen mit einem doppelt so guten Ergebnis rechnen wie die Grünen, als sie 1983 erstmals in den Bundestag vorstießen.

Nur oberflächlich wird der Voraussicht nach alles beim Alten bleiben: Merkel wird erneut Kanzlerin, der sich mit SPD, FDP und Grünen gleich drei mögliche Koalitionspartner anbieten.

Dieses bizarre Nebeneinander von tiefer Erschütterung des Parteiensystems einerseits und dem vermutlichen „Weiter so“ an der Regierungsspitze andererseits findet in der Stimmung des Volkes seine Entsprechung. Hier machen Meinungsforscher eine vordergründige Ruhe und Zufriedenheit aus, hinter der eine tief sitzende Verunsicherung, ja Furcht rumort – und sehr viel Wut.

Diese doppelte Zerrissenheit – „oben“ wie „unten“ – fördert eine aggressive Nervosität, die in den letzten Tagen des Wahlkampfes mit Händen zu greifen war. Den „Merkel muss weg!“-Brüllern standen etablierte Medien und Politiker gegenüber, die im Umgang mit der AfD zum Schluss wieder jedes Maß vermissen ließen. 

Einige Zeit hatte es so ausgesehen, als nehme man sich zusammen. Sigmar Gabriels Ausbruch, mit der AfD zögen „Nazis“ in den Bundestag ein, bildet jedoch nur die Spitze des Eisbergs einer neuerlichen Verrohung.

So ist offen, was von der Wahl 2017 bleibt. Sie kann als Eintritt in eine der ruppigsten Phasen der bundesdeutschen Demokratie in die Geschichtsbücher eingehen, aber ebenso gut auch als Ausbruch aus lähmender Verkrustung. 

Für die optimistische Variante spricht, dass mit der AfD nicht bloß eine Antwort auf den langen Marsch nach links ins Parlament einzieht. Auch wird sie die Rolle des Bundestages als Ort stärken, der tut, was Aufgabe jedes demokratischen Parlaments ist: die Regierung zu kontrollieren und der Opposition eine Stimme zu geben. 

Bei existenziellen Fragen wie Asyl, Zuwanderung, Grenzkontrollen oder Euro-Politik stand oft ein Großteil des Volkes, wenn nicht gelegentlich gar die Mehrheit, ohne Vertretung im Bundestag da. Denn dort war man sich in der „ganz großen Koalition“ in diesen Dingen meist über alle Fraktionen hinweg einig. Das dürfte sich mit dem Einzug der „Blauen“ ändern.

Als Bürger können wir diese Entwicklung nur begrüßen – nämlich als die Wiedergeburt unseres Parlaments.