27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.09.17 / Kranker Streik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-17 vom 22. September 2017

Kranker Streik
Frank Horns

Das muss ein wirklich hochaggressiver Krankheitserreger gewesen sein, der am Dienstag und Mittwoch voriger Woche die Reihen der Air-Berlin-Piloten lichtete. Von 1500 meldeten sich 200 krank. Hunderte Flüge muss-ten gestrichen werden, Tausende Fluggäste blieben unbefördert. Allein am Dienstag entstand dem Unternehmen ein Schaden von fünf Millionen Euro. Für das insolvente Unternehmen, das zum Verkauf steht, ist es ein Desaster. „Dies wird uns noch näher an den Abgrund bringen“, erklärte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann in einem Brandbrief an die Piloten. Er warnte vor einem Domino-Effekt. Mögliche Investoren würden verschreckt werden. Es drohe die Liquiadation der Firma und der Verlust aller Arbeitsplätze. 

Schuld am plötzlichen Pilotenschwund war natürlich keine Grippewelle oder gar eine Lebensmittelvergiftung durch die Bordverpflegung, auch wenn sie bei Air Berlin nicht den besten Ruf hat. Das Ganze war ein wilder Streik, nachdem Gespräche über zukünftige Pilotentarife gescheitert waren. Um dagegen zu protestieren, wählten die Betroffenen einen sogenannten Sick-out (vom englischen „sick“ und „out“ für krank und aus). Die Mitarbeiter eines Unternehmens melden sich massenhaft arbeitsuntauglich und bringen den Betrieb dadurch zum Erliegen. Legal ist das nicht. Eine falsche Krankmeldung gilt als Betrug am Arbeitgeber und stellt einen Kündigungsgrund dar. Auch die Gewerkschaften sehen derlei „Streiks auf Krankenschein“ höchst ungern, denn sie haben keine Kontrolle darüber und werden schlimmstensfalls trotzdem dafür verantwortlich gemacht. Nach Insidermeinungen schien auch die Pilotenvereinigung Cockpit überrascht von den Ereignissen bei Air Berlin. 

Unter Streik-Experten gilt der Sickout andererseits als Mittel der hochgradig Frustrierten. Ihm ist oft eine nervenaufreibende Abwärtsspirale an den Arbeitsplätzen vorausgegangen. So ist Air Berlin schon lange in der Krise. Die Mitarbeiter haben immer wieder Einschränkungen auf sich genommen, um die Fluggesellschaft – immerhin die zweitgrößte Deutschlands – wettbewerbsfähig zu halten.

Dennoch: Wieder einmal haben sich in der Arbeitswelt Wenige das Recht herausgenommen, ihre In-teressen über die aller anderen zu stellen. Insgesamt hat das Unternehmen 8000 Beschäftigte. Für Bodenpersonal, Flugbegleiter und andere wird die Situation durch den illegalen Pilotenstreik mitten in der Krise nicht besser, sondern schlechter. Hinzu kommt, dass der Bund die Air-line mit einem 150-Millionen-Euro-Kredit unterstützt hat, damit der Flugbetrieb aufrechterhalten werden kann. Es sind also auch die Steuerzahler, die den Streik mitfinanzieren. Dieser Gedanke kann einen wirklich krank machen.