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22.09.17 / Auftakt in Weimar / 100 Jahre Bauhaus: Klassik-Stiftung zeigt Ausstellung »Wege aus dem Bauhaus – Gerhard Marcks und sein Freundeskreis«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-17 vom 22. September 2017

Auftakt in Weimar
100 Jahre Bauhaus: Klassik-Stiftung zeigt Ausstellung »Wege aus dem Bauhaus – Gerhard Marcks und sein Freundeskreis«
Martin Stolzenau

Im übernächsten Jahr wird das Bauhaus, der Nukleus der Avantgarde der Klassischen Moderne, 100 Jahre alt. Wichtiger Auftakt zu den Jubiläumsveranstaltungen ist die Weimarer Schau zu Gerhard Marcks, dem künstlerischen Leiter der Bauhaus-Keramikwerkstatt, die in der Nähe von Weimar lag.

Noch bis zum 5. November 2017 zeigt die Klassik-Stiftung in Weimar im Neuen Museum eine Ausstellung unter dem Titel „Gerhard Marcks und sein Freundeskreis“. Sie resultiert aus der Zusammenarbeit mit dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen, das die Schau anschließend in etwas abgewandelter Form präsentieren wird, und bildet in der Klassi­kerstadt nach einer Schau in Dessau und vor dem bevorstehenden Beitrag in Berlin den Auftakt für das  Bauhaus-Jubiläum 2019, das die drei Bauhausstädte gegenwärtig mit großem Aufwand vorbereiten. Marcks gehörte gemeinsam mit Ernst Barlach, Wilhelm Lehmbruck und Georg Kolbe „zu den bedeutendsten figürlich arbeitenden Bildhauern“. Nach Einschränkungen in der NS-Zeit zählte er zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der Bundesrepublik. Dabei geriet sein interessantes Wirken als einer der ersten Lehrer des Bauhauses in Weimar eher in den Hintergrund. Deshalb und wegen seiner eigenständigen Kunstauffassung, mit der er zu Walter Gropius auf Distanz ging, wählten ihn die Ausstellungsmacher als erste maß- gebliche Repräsentationsfigur mit seinem Freundeskreis für den Auftakt zum Bauhaus-Jubiläum aus.

Gerhard Marcks wurde am 18. Februar 1889 in Berlin geboren. Er war der Sohn eines Kaufmanns, wandte sich als Autodi­dakt der Bildhauerei zu und bildete mit Richard Scheibe eine Ateliergemeinschaft. Dabei kam es zur Zusammenarbeit mit Walter Gropius, wobei das Bildhauerduo 1914 die Reliefs „Arbeitende Männer“ für die Kölner Werkbundausstellung schuf. Dieser Kontakt mit Gropius und das gemeinsame Interesse an einer Erneuerung der Kunst hatten Folgen. Im Jahre 1919 berief Gropius den Bildhauer Marcks in das von ihm geleitete Staatliche Bauhaus nach Weimar. Marcks wurde Formmeister und baute zusammen mit Max Krehan die Keramikwerkstatt im nahen Dornburg auf.

Zu diesem Zeitpunkt stimmten Marcks und Gropius noch in der Rück­besinnung der Kunst auf das Handwerk überein. Marcks strebte ebenfalls nach neuen Formelementen, aber auf der Grundlage der Verarbeitung der Tradition und mit Bezug zum Handwerk. Mit seinen Mitstreitern schuf er vielgestaltige und ausdrucksstarke Interpretationen der Natur und des Lebens. Dabei widmete er sich verstärkt dem Holzschnitt, den er von Lyonel Feininger abgewandelt übernommen hatte, und entwickelte eigene Schwerpunkte: Arbeitswelt sowie dörfliches Leben, Thüringer Landschaften, Sagenwelt und Thüringer Mütter. Bei der Mütterdarstellung lehnte er sich an eigene Familienerfahrungen und romanische Madonnenfiguren an. Doch als sich Gropius hin zur „Herstellung von Prototypen für die industrielle Produktion“ orientierte, ging Marcks mit seinen Gesinnungs- freunden auf Distanz zum Bauhausgründer. Das ging so weit, dass er seinen Protest in der Grafikmappe „Das Wielandslied der älteren Edda“ artikulierte und den Umzug des Bauhauses nach Dessau 1925 nicht mitmachte.

Der Künstler wechselte als „Bildhauer ohne Klasse“ an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle, erlangte mit seinen auf das Wesentliche reduzierten Plastiken deutschlandweite Bekanntheit und wurde 1930 zum stellvertretenden Rektor der Hochschule berufen. Doch sein Stil und sein Eintreten für jüdische Kollegen passten den Nationalsozialisten nicht, die ihn 1933 entließen. Dazu kamen die Etikettierung als „entarteter Künstler“, die Beschlagnahmung vieler seiner Arbeiten aus öffentlichen Museen und ein Ausstellungsverbot. Marcks blieb im Unterschied zu vielen Kollegen trotzdem in Deutschland, überlebte die NS-Zeit sowie den Krieg und erhielt als unbelasteter Künstler noch 1945 eine Berufung als Lehrer an die Landeskunstschule in Hamburg.

Hier begann unter Erneuerung und Fortsetzung seiner Kontakte zu seinem Freundeskreis seine zweite Karriere mit deutscher Bekanntheit. 1950 wechselte Marcks als freier Bildhauer nach Köln, schuf anschließend mit den „Bremer Stadtmusikanten“ ein plastisches Wahrzeichen für Bremen, nahm an zahlreichen Ausstellungen bis hin zur Documenta teil und erhielt mehrere Auszeichnungen. In den 70er Jahren übersiedelte der inzwischen berühmte Künstler in sein Ferienhaus in die Eifel, wo er am 13. November 1981 bei einem Krankenhausaufenthalt in Burgbohl starb.

Die aktuelle Weimarer Ausstellung spannt mit über 200 Objekten von 30 Leihgebern mit Skulpturen, Zeichnungen, Gemälden und Keramiken einen großen Bogen von den Dornburger Anfängen bis zum Spätwerk. Der Einstieg zur Schau erfolgt im Treppenaufgang zum Obergeschoss mit zwei Figuren von Gerhard Marcks und Oskar Schlemmer.

Dann folgt Raum für Raum eine Aneinanderreihung von Exponaten. Zunächst werden Marcks und sein Freundeskreis mit Selbstdarstellungen vorgestellt. Das reicht von Wolfgang Tümpel und Oskar Schlemmer über Georg Muche, Otto Lindig, Johannes Driesch sowie Werner Burri bis zu Theodor Bogler. Es folgen Tonproben aus Dornburg, Beispiele der Bauhaus-Keramik, die man so noch nie in Weimar sah, Skizzenbücher mit stilisierten Darstellungen, Reliefs und Plastiken. Mittendrin die „Frau mit Säugling“ von  Marcks, ein frühes Meisterwerk. In den Folgeräumen sieht man Akte, Terrakotta-Porträts, Küchengarnituren sowie Postkarten von der Bauhaus-Ausstellung 1923 und eine Übersicht über das „Bauhaus am Scheideweg“, politisch und inhaltlich. Die Objekte im Raum „Preller-Galerie“ reichen vom Ölbild „Fischer“ von Walter Gilles“ über die Skulpturen „Griechinnen“ von Marcks und Entwurfszeichnungen von Oskar Schlemmer bis zu Marienfiguren und Keramiken von Theodor Bogler. Es folgen Gebrauchsgeschirr aus der Dornburger Werkstatt, Vasen, Teekannen sowie Kaffeebereiter, ehe die „Wege nach 1933“ reflektiert werden. Den symbolischen Auftakt bildet der „Vergitterte Ausblick“ von Georg Muche von 1933. Am Ende wird das Wirken von Marcks und seines Freundeskreises nach 1945 an unterschiedlichsten Orten verdeutlicht und der netzwerkartige Gedankenaustausch zwischen den Künstlern.

Die Schau gibt einen Einblick in die Vielschichtigkeit der Bauhaus-Aktivitäten und vor allem auf die Sonderstellung von Gerhard Marcks. Sie wird begleitet durch einen umfassenden Katalog und ein interessantes Rahmenprogramm mit Führungen sowie Sonderveranstaltungen.

Geöffnet: Dienstag, Mittwoch 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 12 bis 20 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Internet: www.klassik-stiftung.de/marcks