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22.09.17 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Herrengutmenschen / Wieso es Juncker auf einmal so eilig hat, warum Deutschland nicht mehr den Deutschen gehört, und was Werfel schon 1943 wusste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-17 vom 22. September 2017

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Herrengutmenschen / Wieso es Juncker auf einmal so eilig hat, warum Deutschland nicht mehr den Deutschen gehört, und was Werfel schon 1943 wusste

Hat der sie noch alle? Jean-Claude Juncker platzt mitten in den deutschen Wahlkampf mit der Forderung, dass alle EU-Staaten den Euro einführen sollen. Außerdem will er den grenzenlosen Schengen-Raum auf die gesamte Union ausweiten. Die Strategen in den Parteizentralen rollen mit den Augen: Will der EU-Kommissionschef der AfD auf den letzten Metern noch einen Schub verpassen? Was für ein Trottel!

Ein Trottel – tatsächlich? Manchmal muss man einige Schritte zurücktreten, um das ganze Bild zu überblicken und zu erkennen, was wirklich gespielt wird. Was wir hier zu sehen bekommen, nimmt sich aus wie ein historischer Wettlauf. Nein, nicht zu den deutschen Wahlurnen, das ist nur ein kleiner Hüpfer im großen Rennen.

Es geht um viel mehr. Vorneweg laufen die „Visionäre“, die ein ganz anderes Europa, mit anderen Menschen und einer anderen Kultur anstreben. Dafür wollen sie Grenzen, Völker  und Nationalstaaten unter einem großen Einheitseuropa begraben. „Bunt“ soll es sein, was ironischerweise bedeutet: Alles muss gleich werden. Wer in diesem Europa in           50 Jahren durch die Straßen läuft, wird anhand der Passanten, der Restaurants oder der Läden und der dort gesprochenen Sprachen nicht mehr erkennen, in welchem Land, ja, nicht einmal auf welchem Kontinent er sich befindet. Wunderbar, nicht wahr?

Finden nicht alle: Von hinten holt ein finsterer Trupp bedrohlich auf, der das alles nicht will, der möchte, dass Europa und seine Nationen auch in einem halben Jahrhundert noch erkennbar bleiben. Man schimpft sie „Populisten“ und was nicht alles. Trotzdem haben sie mit den deutschen Wahlen schon wieder ein paar Meter gutgemacht.

Daher lautet gerade jetzt die Parole: Fakten schaffen, und zwar hurtig! Bevor die düstere Horde in Führung geht, muss das „neue“, Kritiker würden sagen: das verschwundene, Europa unumkehrbare Realität geworden sein. So betrachtet, ergibt nicht nur          Junckers steile Forderung einen Sinn, sondern auch der Zeitpunkt, an dem er sie stellt. Die etablierten Parteien, die ja weiterhin die große Mehrheit im Reichstag stellen werden, sollen sich sofort nach der Wahl ins Zeug legen und ihre historische Pflicht erfüllen, statt erst langatmig herumzueiern. Das tun sie bei solchen Sachen ja gern, damit die Wähler nicht gleich erkennen, wohin die Reise geht. Aber dafür ist jetzt keine Zeit mehr.

Apropos „Zeit“: Die gleichnamige Zeitung sieht sich als Organ der Vordenker. Ganz diesem Anspruch verpflichtet, lässt sie eine Kölner Pfarrerin fragen: „Wer sagt denn, dass Deutschland den Deutschen gehört?“ Eine offenbar rhetorisch        gemeinte Frage, welche die Geistliche mit der betont flapsigen Antwort versieht: „Das ist ein Stück Land, das bewirtschaftet werden muss, damit die Menschen leben können.“ Wen meint sie mit den „Menschen“? Das verrät sie auch: „Wer in Afrika hungert oder keine Chance auf Frieden hat.“

Ein Stück Land, das bewirtschaftet werden muss. Wird es das denn nicht schon? Tut nichts zur Sache. 

Allerdings kommt uns diese Argumentation bekannt vor. Genauso sprachen die europäischen Kolonisten, als sie sich Amerika unter den Nagel rissen: Die Indianer „bewirtschafteten“ das Land ja gar nicht ordentlich. Daher haben diejenigen Anspruch auf den „neuen“ Kontinent, die damit umzugehen wissen.

Sich an die Kultur der Ureinwohner anzupassen, fiel den Europäern gar nicht ein. Denn diese Kultur war, abgesehen von ein paar komischen Dialekten, für sie „schlicht nicht identifizierbar“, um es mit den Worten von Aydan Özoguz zu sagen. Jedenfalls nicht als „Kultur“, zumal die Eingeborenen nicht mal an den richtigen Gott glaubten. Ergo hielten die Einwanderer lieber an den kulturellen Wurzeln ihrer alten Heimat fest, so wie es heute ja auch den Immigranten in Deutschland empfohlen wird.

Die Frage, wem das Land gehört, ist also keineswegs neu und wurde in der Geschichte ganz unterschiedlich beantwortet. In Europa galt es die längste Zeit als ausgemacht, dass die Fürsten Eigentümer ihrer Länder waren, weil sie diesen Anspruch samt Titel von der denkbar höchsten Instanz verliehen bekommen hatten, „von Gottes Gnaden“.

Mit ihrem Eigentum konnten sie treiben, was sie lustig waren: Verkaufen, verpfänden, verpachten oder in blödsinnigen Kriegen verlieren. Die Leute nahmen’s hin.

Irgendwann jedoch verwandelten sich die folgsamen Untertanen in aufmüpfige Bürger. Nach heftigem Hin und Her in Reformen und Revolutionen ging das        Eigentum am Land von den Fürsten auf jene Bürger über, die Nationen bildeten. Da der Staat demokratisch wurde, gehörte er fortan nicht mehr einem Fürsten, sondern dem Staatsvolk.

Genau diese Epoche soll offensichtlich gerade beendet werden, wie wir aus der rhetorischen Frage in der „Zeit“ unschwer herauslesen können. Wer der neue Eigentümer Deutschlands wird, ist noch nicht heraus. Wie es scheint, gehört dieses Land ab sofort irgendwie allen auf der Welt, die es „bewirtschaften“ möchten.

Schon merkwürdig: Da haben die Völker Europas jahrhundertelang darum gekämpft, endlich Herr ihrer Länder zu werden. Doch nach wenigen Generationen schmeißen die Nachfahren der Kämpfer das Errungene der gesamten Menschheit vor die Füße: Macht damit, was ihr wollt.

Wahnsinn, was? Welche Geisteshaltung steckt dahinter? Der Philosoph Arnold Gehlen nannte das „Hypermoral“, und Matthias Matussek hat eine schöne Beschreibung dafür gefunden, wie wir Deutsche in diese Falle geraten konnten. Er zitiert einen Schriftsteller, der die deutschen Zustände folgendermaßen beschrieben hat: „Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn ... So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit. Und die Gebildeten unter ihnen hielten Vorträge an Volkshochschulen und in protestantischen Kirchen, wobei ihr eintöniges Thema stets der brüderlichen Pflicht des Menschen gewidmet war ...  Sie sind eben Schafe im Schafspelz. Da sie aber selbst dies krampfhaft sind, glaubt es ihnen niemand und man hält sie doch wieder für Wölfe.“ 

Sie wollen wissen, wer das gedichtet hat – und vor allem: wann? Schließlich ist es in der Vergangenheitsform geschrieben, als hätten wir „Weltkrieg III“ schon hinter uns. Es war der berühmte Autor Franz Werfel, der diese Zeilen in seinen Zukunftsroman „Stern der Ungeborenen“ einbaute, welchen er zwischen 1943 und seinem Tod im August 1945 verfertigte.

Gruselig: Werfel wusste schon während des Zweiten Weltkriegs oder ganz kurz danach, dass sich der „Herrenmensch“ umstandslos in den „Gutmenschen“ verwandeln würde. Das heißt, „verwandeln“ wäre schon zu weit gegriffen, eher: Dass der „Herrenmensch“ in der neuen, strahlenden Hülle des „Gutmenschen“ einfach weitermachen würde.

Da erstaunt es nicht mehr so sehr, dass wir Deutsche uns mit einer Hingabe in die neue Weltmission werfen wie kein anderes europäisches Volk. Auch dass unsere Nachbarvölker weniger mit Bewunderung als mit ahnungsvoller Skepsis auf unsere neugewandete Tollheit blicken, mag besser verstehen, wer die werfelsche Prophezeiung im Kopf hat. Umso verschrobener mutet es hingegen an, dass diejenige Partei, die sich dieser herrengutmenschlichen Raserei am nachdrücklichsten in den Weg zu stellen versucht, von geistesarmen Gegnern ausgerechnet als „die neuen Nazis“ verurteilt wird.