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29.09.17 / Sie können überall liegen / Die explosiven Kriegshinterlassenschaften werden uns noch lange beschäftigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-17 vom 29. September 2017

Sie können überall liegen
Die explosiven Kriegshinterlassenschaften werden uns noch lange beschäftigen
Friedrich List

Explosive Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges sind auch heute ein erhebliches Risiko. Sie können überall liegen, unter Hochhaussiedlungen, unter Straßen, Bahnlinien oder Autobahnen, unter Industrieanlagen oder Krankenhäusern, aber auch in der freien Natur. Aufsehen erregen Funde von Fliegerbomben, aber es finden sich auch immer wieder nicht explodierte Granaten oder Infanteriemunition. 

Wird bei Bauarbeiten eine nicht explodierte Fliegerbombe ent­deckt, wie jüngst in Frankfurt, müssen in Einzelfällen Zehntausende von Menschen ihre Wohnungen kurzzeitig räumen. Experten vermuten, dass rund 100000 Bomben, die während des Zweiten Weltkrieges über Deutschland abgeworfen wurden, nicht explodiert sind. Hinzu kommen nicht explodierte Flakgranaten, aber auch Munition in Flugzeugwracks oder sogar Fahrzeugen und Geschützen, die kurz vor der Kapitulation von deutschen Truppen hastig in Seen und Flüssen versenkt wurden. Auch in Regionen, in denen während der Endphase des Krieges gekämpft wurde, kommt immer wieder nicht detonierte Munition zum Vorschein. Gelegentlich werden sogar noch vergessene Munitionsbunker entdeckt und müssen mühselig geräumt werden. 

In Rheinland-Pfalz allein wurden 2016 fast 30 Tonnen Munition und Munitionsteile geborgen. Darunter waren 47 Blindgänger. In Hessen müssen die Experten des Kampfmittelräumdienstes etwa 400 Mal im Jahr ausrücken, um Blindgänger zu entschärfen und abzutransportieren. Großstädte und Ballungsräume, die in den letzten Jahren einen Bauboom erleben, verzeichnen sogar mehr Bombenfunde als früher. In Hamburg werden zurzeit gerade ehemalige Industrie- und Hafenflächen neu erschlossen. Außerdem werden in klassischen Arbeitervierteln wie Hammerbrook, die im Zweiten Weltkrieg stark zerbombt worden waren, neue Wohngebäude errichtet. Bei den Bauarbeiten kommen dann immer wieder Blindgänger ans Licht. Das ist nicht überraschend, denn von 1943 bis Kriegsende erlebte die Hansestadt mehr als 200 Luftangriffe. 

Zuständig für die Beseitigung von Blindgängern sind die Kampfmittelräumdienste in den einzelnen Bundesländern. Sie sind nicht nur für Hinterlassenschaften des Krieges zuständig, sondern auch für Munition der Armeen des Warschauer Paktes. Der Kampfmittelräumdienst (KMD) ist je nach Bundesland verschiedenen Dienststellen zugeordnet. In Hamburg ist das die Feuerwehr, in Niedersachsen ist das die Landesvermessungsverwaltung, in Nordrhein-Westfalen sind das die Bezirksregierungen. In drei weiteren Bundesländern werden private Unternehmen unter staatlicher Aufsicht beauftragt. Dagegen gehört der KMD in den restlichen Bundesländern zur Polizei. 

Mitarbeiter der Räumdienste und der zugelassenen Fachfirmen haben sehr unterschiedliche Ausbildungen. Viele sind von der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee ausgebildete Munitionsfachleute oder Feuerwerker. Ihre Arbeit ist gefährlich. So sind zwischen 2000 und 2010 acht Kampfmittelräumer durch Explosionen getötet worden, drei alleine am 2. Juni 2010 bei der Detonation einer alliierten 500-Kilogramm-Bombe in Göttingen. 

Hinweise auf Blindgänger kommen aus zwei Quellen. Die deutlich spektakulärere sind Zufallsfunde bei Bauarbeiten oder durch Privatleute. Denn wer Kampfmittel auf seinem Grundstück findet, muss sofort die Polizei oder das zuständige Ordnungsamt verständigen. Daneben suchen die Experten aber auch selbst nach den Gefahrenquellen im Boden. Dafür werten sie Luftbilder aus, welche die alliierten Luftstreitkräfte direkt nach den Angriffen gemachthatten, um das Ausmaß der angerichteten Schäden einschätzen zu können. Auf den Bildern sind Bombentrichter, gelegentlich aber auch Stellungen der Flak oder Standorte von Bunkern zu erkennen. Obwohl für eine systematische vorbeugende Suche das Geld fehlt, gehen die Kampfmittelräumer mit Metalldetektoren auf die Suche, wenn sie etwa auf einem Baugrundstück Blindgänger vermuten.