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29.09.17 / Kaum bewohnt, aber viel besucht / Vor 150 Jahren wurde der Wiederaufbau der Stammburg der Hohenzollern abgeschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-17 vom 29. September 2017

Kaum bewohnt, aber viel besucht
Vor 150 Jahren wurde der Wiederaufbau der Stammburg der Hohenzollern abgeschlossen
Sibylle Luise Binder

„Nun ist ein Jugendtraum-Wunsch, den Hohenzollern wieder bewohnbar gemachet zu sehen.“ Dieser Wunschtraum ent­stand, als Friedrich Wilhelm IV. noch als Kronprinz auf einer Reise die Ruine der sogenannten zweiten Burg kennenlernte. Als König begann er mit dem Versuch, sich den Wunschtraum zu erfüllen, doch sein Leben währte zu kurz. Ein gutes halbes Jahrzehnt nach seinem Tod, am 3. Oktober 1867, wurde die sogenannte dritte Burg eingeweiht.

1819 – ein Kronprinz geht auf Reisen und auf dem Weg nach Italien wandelt er auf den Spuren der Vergangenheit seines Geschlechts. Es war endlich wieder Frieden in Preußen, das Land erholte sich von den Folgen der napoleonischen Kriege und Fried­rich Wilhelm, der 1795 geborene älteste Sohn der legendären Königin Luise und des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III., wollte endlich mehr von der Welt sehen als Schlachtfelder und preußischen Sand. 

Mit dem Zeichenbuch unter dem Arm – der Kronprinz war schon als kleiner Junge durch seine Begeisterung und Begabung mit dem Stift aufgefallen – ging es dahin, wo die Zitronen blühen. Dabei machte der Prinz aber einen Abstecher nach Württemberg, dahin, wo das Geschlecht der Hohenzollern ursprünglich daheim gewesen war. 

Hoch über dem schwäbischen Hechingen auf einem Hügel hatte die Stammburg einst gestanden, und sie muss imponierend gewesen sein. Jedenfalls wurde sie schon 1267 einmal als „Castro Zolre“ erwähnt und ein paar Jahre später galt sie als „die Krone aller Burgen in Schwaben“ und „das vestete Haus in teutschen Landen“. Doch so weit war es mit der Festigkeit anscheinend doch nicht her – 1423 wurde die Burg erobert und vollständig zerstört. 

Gut 13 Jahrzehnte nach der Zerstörung der ersten Burg, im Jahre 1454, begannen die Hohenzollern an der Stelle eine neue, die zweite Festung zu errichten. Im Dreißigjährigen Krieg, 1634, wurde auch diese Burg erobert. Sie wurde zwar nicht zerstört, aber vernachlässigt. Je mehr die Herren von Hohenzollern ihr Glück im Ostelbischen suchten, desto mehr geriet die schwäbische Burg in Vergessenheit. 1798 wurde sie vom Militär geräumt. Was einst der Stolz der Fürsten gewesen war, zerbröckelte mehr und mehr. Als dann 1819 Preußens späterer König zu Besuch kam, fand er nur noch eine Ruine vor. Als einziger nennenswerter Teil war die St. Micha­els­kapelle erhalten geblieben.

Doch selbst in diesem Zustand, wenn nicht gar wegen dieses Zustands, wirkte die Burg auf den romantischen Friedrich Wilhelm sehr imponierend. Jahre später schrieb er über den Besuch: „Die Erinnerung … ist mir ungemein lieblich und wie ein schöner Traum, zumal der Sonnenuntergang, den wir von einer der Schlossbastionen aus sahen …“ Und: „Nun ist ein Jugendtraum-Wunsch, den Hohenzollern wieder bewohnbar gemachet zu sehen.“

Mit dem Traum von der Ritterburg – beziehungsweise dem, was sich die Romantik darunter vorstellte – war der Preuße nicht allein. Gotik war die große Mode, und wer was auf sich hielt und es sich leisten konnte, hatte eine Burg. Das Problem war nur, dass es nicht mehr so viele Originale aus dem Mittelalter gab. Und die, die noch vorhanden waren, waren meist nicht so gotisch betürmt und mit Spitzbogen versehen, wie die Romantik sich das vorstellte. Aber da konnte man Abhilfe schaffen: Die Neogotik machte es möglich – man baute sich einfach die Burg seiner Träume mit allem, was dazu gehörte: Türmchen links, Türmchen rechts, Bergfried hinten, Pallas in der Mitte, Rittersaal und Himmelbett mit altdeutscher Deko innen. Der spätere bayrische König Maximilian II. führte es als Kronprinz vor. Er kaufte 1837 die Burgruine Schwangau, taufte sie um in Hohenschwangau und ließ dort eine neogotische Burg erbauen. In Württemberg unterdessen war es ein Vetter des Königs, Wilhelm Graf von Württemberg, der – Wilhelm Hauffs historischem Roman folgend – Burg Lichtenstein errichten ließ. 

Friedrich Wilhelm IV. musste mit dem Ausleben seiner Baubegeisterung allerdings warten, bis er 1840 König geworden war. Dann aber legte er richtig los. 1842 ernannte er Friedrich August Stüler zum „Architekten des Königs“ und ließ ihn erst einmal von der italienischen Gotik inspirierte Kirchen bauen. 1844 ging es mit den Planungen für den Wiederaufbau des Schlosses los. 1850 war es dann so weit. Auf dem Hohenzollern wurde zum dritten Mal ein Grundstein gelegt. Die Finanzierung übernahmen zu zwei Dritteln der Preußenkönig und zu einem Drittel die fürstlich-schwäbische Linie der Hohenzollern. Entsprechend sind noch heute die Besitzverhältnisse. So gehört die Burg bis heute zu zwei Dritteln den preußischen und zu einem Drittel den schwäbischen Hohenzollern.

Während sich der Bayer Maximilian mit einem übersichtlichen Ferienwohnsitz für die Familie begnügte, dachte der Preuße Fried­rich Wilhelm nicht nur an einen neogotischen Repräsentationsbau, sondern bezog mit dem Ingenieur Moritz Karl Ernst von Prittwitz einen führenden Spezialisten für Festungsbau in die Planung mit ein. Prittwitz’ besondere Aufgabe war es, aus der engen, schwierigen Auffahrt eine imposante Anlage zu kreieren. Es entstanden Befestigungsanlagen, als ob mit einer jahrelangen Belagerung zu rechnen gewesen sei. So hätte ein Erstürmer der Burg erst einmal eine Zugbrücke überwinden müssen, um sich dann durch vier Windungen mit Wehrtürmen in den Innenhof vorzukämpfen. In dem hätte er dann erst das von fünf wehrhaften Bastionen umgebene eigentliche Schloss vorgefunden.

Das Schlossgebäude ist nicht nur groß, sondern ausgesprochen prächtig. Reiche Steinmetzarbeiten, edle Wandgemälde, Schnitzereien, seidene Wandbespannungen – die Burg war sehr wohl geeignet, König und Königin standesgemäß zu beherbergen. Sehr oft waren sie allerdings nicht da. Überhaupt ist die dritte Burg kaum bewohnt gewesen. Diese dritte Burg war eben weniger als Wohnsitz, denn als ein nationaldynastisches Denkmal konzipiert, das den Ursprung und Aufstieg des Hauses Hohenzollern architektonisch verkörpern sollte, um es mit den Hohenzollern selbst zu sagen. 

Dafür sind die Besucherzahlen beachtlich. Da spielt die Burg in einer Liga mit Touristenmagneten wie der Marienburg oder Neuschwanstein. Mit über 300000 Besuchern pro Jahr gehört der Stammsitz des Hauses Hohenzollern zu den imposantesten und meistbesuchten Burganlagen Europas.