19.04.2024

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29.09.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-17 vom 29. September 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

am letzten Wochenende hat unser „Königsberger Wanderer“ auf dem Geschichtsseminar der LO in Helmstedt seine Wege aufgezeigt, die ihn auf seinen vielen Besuchen in der alten ostpreußischen Metropole durch die Stadt geführt haben. Er ist auf noch nicht verwehten Spuren gegangen und hat dabei viele Relikte aus deutscher Zeit gefunden, die andere Besucher nicht entdeckt haben oder nicht entdecken konnten, weil Jörn Petrul auch die hintersten Winkel ausgeleuchtet hat. Oft auf Wunsch von Königsbergern, die aus Alters- und Krankheitsgründen nicht mehr reisen können, die aber wissen wollen, ob bestimmte Merkmale, die sie sich eingeprägt haben, noch vorhanden sind und wenn ja, in welchem Zustand sie sich befinden. Keine leichte Aufgabe für den Königsberger Wanderer – der sich selber diesen Namen gegeben hat – , die er aber gerne ausführt, weil sie für ihn die Vergangenheit an das Licht der Gegenwart bringt und sie erhellt. Bereits vor dem Seminar hatte uns Jörn Petrul einen Bericht übersandt, in dem er seine neuesten Entdeckungen und Erlebnisse schildert, in denen er auch auf die heutigen Bewohner eingeht, klar und sachlich, aber doch von Emotionen durchzogen, die viele alte Königsberger nachempfinden werden. Wir bringen diesen Bericht in voller Länge, weil fast jede Zeile Wissens- oder Erkennungswertes enthält. Jörn Pekrul schrieb diesen Beitrag nur für unsere Leserinnen und Leser, wie schon seine einleitenden Worte erkennen lassen:

„Ich sende Ihnen und der Leserschaft herzliche Grüße vom Pregel. Das Auftragsbuch mit Foto-und Nachforschungswünschen prall gefüllt, ging der ‘Königsberger Wanderer’ erneut auf Schusters Rappen durch die Stadt. Ich mache diese Dinge gerne, die Angaben aus der Ostpreußischen Familie bringen die Gebäude zum Sprechen. Kaliningrad verschwimmt, und schon ist man versunken im alten Königsberg, das der russische Volksmund „Die Stadt unter der Stadt“ nennt. Und die Veränderungen fallen auf: 

So ist die Kanttafel – wie ein großer Teil der Südwestwand der Schlossmauer – abgetragen, denn das Areal wird vergrößert für öffentliche Übertragungen der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft. Die Entfernung der Kanttafel bedrückt, man kann nur hoffen, dass sie zu gegebener Zeit wieder angebracht wird.

Vor der OMGS in der Beethovenstraße wurde der Panzer, der vor fünf Jahren dort aufgefahren wurde – die PAZ brachte Bericht und Foto in Nummer 43/2012 vom 27.10.2012 – wieder entfernt. Der ewige Ruhm hat nicht lange gehalten und auch die alten Königsberger Stadtansichten auf der Fassade, zum Ende hin recht mitgenommen und unansehnlich, wurden durch einen frischen und neutralen Anstrich ersetzt. Mit einem freundlichen Blumenkranz wird das Ensemble nun wieder seinem ursprünglichen Aussehen ähnlicher.

Holz- und Hohe Brücke werden derzeit gleichzeitig renoviert und haben aus dem Weidendamm und der Lindenstraße einen ruhigen Fußweg gemacht. Das treibt die Autofahrer auf den Langgassen zur Verzweiflung, weil alles dorthin ausweicht. Der Wiederaufbau der Königsberger Synagoge in der Lindenstraße schreitet voran.

Was noch auffällt: Die Ringchaussee östlich der Stadt ist atemberaubend schnell modernisiert worden. Die Palmburger Brücke ist restlos abgetragen, und breite, mehrspurige Fahrbahnen entlasten den Verkehr in der Innenstadt. Der Wohnungsbau boomt, und an allen Ecken und Enden wird gebaut, gewerkelt und verschönert. Es ist trotz mancher bedauerlicher Details ein insgesamt beeindruckendes Bild. Es wird ergänzt durch eine stille Entwicklung, die mich sehr berührt.

Durch das Aufsuchen der Elternhäuser unserer Ostpreußischen Familie entstehen natürlich viele Kontakte mit den heutigen russischen Bewohnern. Ich habe bei ihnen bisher immer eine ehrliche Anteilnahme für die Menschen erlebt, die hier eigentlich zu Hause sind und gehen mussten. Gerade junge Menschen, die nach 1990 geboren wurden, fragen mich oft nach Hintergründen und Details. Sie lernen Deutsch oder Englisch, sind sehr wissbegierig und auch hilfsbereit, nach meinem Eindruck mehr als die Generation zuvor. Ein junger Mann, dem ich auf der Lomse begegnete, zeigte mir eine kleine Sammlung von Alltagsgegenständen, die er im Laufe der Jahre zusammen getragen hat. Mit Vorsicht und Liebe hütet er seinen kleinen Schatz von Tassen, Flaschen und dem einen oder anderen Werbeschild aus deutscher Zeit. Es ist für ihn ein Stück Identifikation. Er ist erst Anfang 20.

Ein guter Schlüssel zur Verständigung ist für mich das Buch ‘Die letzten Kinder Ostpreußens’ von Freya Klier geworden. Ich gebe das Buch gern weiter. Die jungen Kaliningrader sind im Regelfall von der modernen Schreibweise ermuntert und dann – das erfahre ich durch Rückmeldungen – sehr berührt von den authentischen geschichtlichen Darstellungen, zumal darin auch auf das ‘Ostpreußische Tagebuch’ von Hans Graf von Lehndorff eingegangen wird. Und so wird für mich auch die Taschenbuchausgabe eine schöne Dankesgabe für künftige Hilfsbereitschaft werden.

Als Nachgeborene können wir die Vergangenheit nicht ändern. Die Verantwortung für den Ist-Zustand lag nicht bei den einfachen Menschen. Aber wir können versuchen aus den Scherben, die uns die Vergangenheit zugeschoben hat, etwas Neues, Konstruktives aufzubauen. Das ist besser als sprachlos vor dem Ist-Zustand zu stehen und vor Erschütterung über die Königsberger Tragödie zu erstarren. Stattdessen sollte dieser Neubau die überlieferten Scherben enthalten – sie zu bewahren ist uns, der Nachkriegsgeneration wichtig, da sie uns helfen, aus den Abläufen der Königsberger Stadtgeschichte unsere Lehren zu ziehen – hüben wie drüben.

Was vor allem bleibt ist die Zuneigung zu der Erlebnisgeneration, die auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommt. Ich möchte da nur einen Fall erwähnen. Eine betagte Russin, die 1947 nach Königsberg kam, gab mir hilfreiche Auskünfte über den Verbleib einer damals jungen Frau, die bis heute als vermisst gilt. Die 92-Jährige war natürlich sehr aufgeregt über den Rückgriff auf die damaligen Ereignisse, doch junge Kaliningrader beruhigten sie und vermittelten. Am Ende schauten wir uns alle an und weinten, denn wir sind ja zuerst Menschen und dann erst Ostpreußen, Königsberger, dann erst Russen, Kaliningrader. Die aus solchen Begegnungen gewonnenen Erkenntnisse befreien und stärken zugleich. Ich sehe hierin die gleiche Grundhaltung, die auch die Ostpreußische Familie auszeichnet. Der Frieden kann nur dauerhaft erhalten werden, wenn seine Stabilität durch Wahrheit gestützt wird. In diesem Sinne grüße ich Sie alle aus dem Herzen unserer geliebten Stadt“. 

So geschrieben von unserm Königsberger Wanderer Jörg Pekrul während seines Aufenthaltes in Königsberg in den letzten Augusttagen. Und natürlich fügt er seine neuesten Aufnahmen bei, von denen wir eine heute bringen – denn was wäre ein Pekrul-Bericht ohne seine glänzend fotografierten Ansichten aus dem heutigen Königsberg und dem nördlichen Ostpreußen? Sie sind schon eine willkommene Bereicherung unserer Kolumne, denn er wählt die Motive ganz im Sinne unserer Ostpreußischen Familie aus. Hier seine Anschrift: Jörn Pekrul, Breitlacherstr.65 in 60489 Frankfurt am Main.

An einem Gebäude wird die Vergangenheit der Stadt besonders sichtbar, denn es handelt sich um die Königsberger Börse am Vorstädtischen Pregelufer, nun leider nicht mehr als Symbol des regen Handels, der schon 1619 die Stadt zum Börsenplatz machte. Der heutige Bau ist der vierte seiner Art, er hielt selbst Feuerbrünsten und Bombenhagel stand, wenn auch stark beschädigt, wobei leider die vier allegorischen Figuren vernichtet wurden, die das Dach des von dem Architekten Heinrich Müller-Bremen 1875 geschaffenen, auf 2202 Pfählen ruhenden Prachtbaues schmückten. Und um diese von dem Bildhauer Emil Hundrieser geschaffenen Figuren, die den Handel Königsbergs mit der ganzen Welt symbolisieren, weil sie die vier Kontinente Europa, Asien, Amerika und Afrika versinnbildlichen, geht es der Direktorin der Kaliningrader Kunstakademie, Frau Galina Sabolotskaja in ihrem Anliegen. Wir hatten schon einmal kurz von den Umzugsplänen der Galerie berichtet, die ihren bisherigen Standplatz, einen Plattenbau am Moskowskij Prospekt, verlassen muss, worüber die Direktorin nicht unglück­lich war, denn es handelt sich bei dem neuen Domizil um die Börse. Sie will nun auch die Geschichte der Königsberger Börse herausstellen und sucht Unterlagen über den Bau und über das Börsenleben, vor allem Aufnahmen von den Innenräumen und vom Börsenkeller. Besonders ist ihr natürlich an einer Abbildung von den vier Dachskulpturen gelegen. So, das wäre nun die Bitte der Direktorin, die wir diesmal ausführlicher bringen, vielleicht hat sie nun Erfolg. Frau Sobolotskaja ist telefonisch unter der Nummer +7 9097 907 337 zu erreichen, sie spricht deutsch. Ihre E-Mail: artgallery.kaliningrad@gazinter.ne:

Eure Ruth Geede