25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.09.17 / 40 fehlende Höhenmeter / Gipfelglück auf der schottischen Arran-Insel, auch wenn der Berg kein echter »Munro« ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-17 vom 29. September 2017

40 fehlende Höhenmeter
Gipfelglück auf der schottischen Arran-Insel, auch wenn der Berg kein echter »Munro« ist
Walter Kreul

Das im Meeresarm des Firth of Clyde gelegene Arran wird gerne als „Schottland en miniature“ bezeichnet. Und das völlig zu Recht, weist doch die südlichste unter den dem Westen des schottischen Festlands vorgelagerten Inseln so ziemlich alles auf, was diesen Teil Großbritanniens als Ganzes charakterisiert: Der gebirgige Norden mit tiefen Tälern sowie weiten Moor- und Heideflächen ist so etwas wie ein Spiegelbild der Highlands. 

Selbst unter geschichtlichen Aspekten ähnelt das rund 430 Quadratkilometer Fläche umfassende Arran dem übrigen Schottland. Wie dieses wurde die Insel im Verlauf der Jahrhunderte von Fehden und Kämpfen heimgesucht, war Schauplatz fintenreicher, politischer Ränkespiele, an denen sich Wikinger, Kelten, Engländer und schottische Clans, so etwa die der Stewarts und der MacDonalds beteiligten. 

Natürlich trifft man auf Arran auch auf ein prunkvoll ausgestattetes Schloss, Brodick Ca­stle, den ehemaligen Stammsitz der Dukes of Hamilton. Eine Whisky-Destillerie ist im Norden der Insel, im Fährhafen Lochranza angesiedelt. Legendäre Steinkreise – die Besiedelung Arrans kann bis auf 7000 v. Chr. zurückverfolgt werden – und idyllische Badeorte mit herrlichen, weißen Sandstränden runden das Bild eines „Schottlands im Kleinen“ ab.

Eine, freilich nicht ganz unbedeutende, Einschränkung im Hinblick auf die Ähnlichkeit Arrans mit Schottland muss allerdings gemacht werden. Denn das Eiland kann mit keinem der dort so zahlreichen „Munros“ – es sollen exakt 277 sein – aufwarten. Dabei stuft man in Schottland nach der 1891 von Sir Hugh Munro, einem der Gründer des „Scottish Mountaineering Clubs“, eingeführten Klassifizierung „Munros“ als Ber­ge ein, die mindestens 3000 Fuß, das heißt zirka 914 Meter hoch sind. Ein für echte schottische Bergsteiger, die sich als „Munrobaggers“ („Berggipfelsammler“) verstehen, nachgerade geheiligtes Maß! Die höchste Erhebung Arrans, der zwar majestätisch über der Inselhauptstadt Brodick thronende Goatfell, ragt „nur“ 874 Meter in den Himmel. Zum „Munro“ fehlen ihm damit 40 entscheidende Meter.

Neben der Industriellen Revolution hat wohl kaum ein anderes Ereignis Schottland, und damit auch Land und Leute auf Arran, mehr verändert als das bittere Kapitel der „Clearances“ ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Hierbei handelt es sich um die Vertreibung der kleinen Landpächter („crofters“) durch die Chiefs, denen fast der gesamte Boden gehörte. Die freigewordenen Flächen konnten zusammengelegt und von neu eingesetzten Pächtern nach modernen Methoden intensiver und somit profitabler bewirtschaftet werden. 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten die Chiefs dann eine noch einträglichere Einkommensquelle, nämlich Schafhaltung im großen Stil. Ließ sich doch die Wolle der Tiere inzwischen fabrikmäßig verarbeiten, ihr Fleisch günstig vermarkten. Also mussten noch mehr „crofters“ verschwinden. Und zwar möglichst schnell und weit weg.

Es wird geschätzt, dass über die Jahrzehnte weit mehr als zwei Millionen Schotten ihre Heimat in Richtung Kanada, Australien und Neuseeland verlassen haben. Das verstärkte die durch die Industrialisierung einsetzende Entleerung der Highlands und Inseln. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts trieb es die Insulaner in Massen in die Städte auf dem Festland.

Auf Arran verliefen die „Clearances“ zwar nicht ganz so brutal wie an manchen anderen Orten Schottlands, der Effekt, die Vertreibung der „crofters“ von ihrer seit Generationen bearbeiteten Scholle, war aber der gleiche. Der Eigentümer des Landes, der Duke of Hamilton, vertreten durch ei­nen von einem auswärtigen, sich forsch gebärdenden Verwalter, verweigerte den meisten Kleinbauern die Verlängerung ihrer Pachtverträge. Zupass kam ihm dabei, dass 1766 ohnehin viele der Pachtverhältnisse ausliefen. 

Die vordem auf enge Zusam­menarbeit und gegenseitige Hilfe ausgerichtete Gemeinschaft der „crofters“ auf Arran wurde so in zwei Lager gespalten: In diejenigen, die nach den Maßstäben der Herrschaft auf größeren Betrieben erfolgreicher wirtschaften und damit mehr Pacht bezahlen konnten einerseits, und in die plötzlich über Nacht ihres Bodens und damit ihrer Erwerbsgrundlage beraubten Familien andererseits. Letzteren blieb häufig nichts anderes übrig, als sich dem Exodus der Schotten nach Übersee anzuschließen.

In seiner 2012 publizierten Schrift „Arran to Canada – One Way“ schildert der Lokalhistoriker James Henderson eindrucksvoll das Schicksal der Emigranten. „The Lamlash Highland Clearance Memorial“, ein Denkmal in Lamlash, einer Ortschaft im Südosten Arrans, erinnert an den Wegzug der landlos gewordenen Menschen und an diese leidvolle Epoche der Insel. 

Das heutige Arran dagegen stellt eines der beliebtesten Touristenziele Schottlands dar. Ihren ländlichen Charme und die Unberührtheit der Natur konnte sich die Insel trotzdem weitgehend erhalten.