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29.09.17 / Deutschland – »De facto ein besetztes Land«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-17 vom 29. September 2017

Deutschland – »De facto ein besetztes Land«
Bernd Kallina

Der Erscheinenungszeitpunkt dieses Buches könnte nicht günstiger sein: „Deutschland zwischen den Fronten. Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird“. Das im Münchener Finanzbuchverlag kürzlich herausgekommene Werk stammt aus der Feder des ehemaligen Chefs des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BTV), Gert R. Polli. Schon der Titel spielt auf die alte sicherheitspolitische Problematik Deutschlands an, in der Mitte Europas zu liegen, was eine umfassende Selbstbehauptung des Landes schwieriger macht als die anderer Länder, die sich in geografisch günstigeren Lagen befinden. 

Aber auch eine prekäre Ausgangsposition könnte durch qualifiziertes Spitzenpersonal in Regierung und Sicherheitsapparat wenigstens zum Teil etwas ausgeglichen werden, wenn Wille und Fähigkeit dazu vorhanden wären. Mutige Patrioten wären hier eigentlich gefordert, eigentlich! Doch die Bilanz des Autors bei seiner tief schürfenden Analyse der Problemfelder deutscher Sicherheitspolitik fällt unerfreulich aus. Denn Pollis zentrale These lautet: „Deutschland ist auch heute noch de facto ein besetztes Land.“ Und das über 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Insbesondere im Fortwirken der besatzungsgeschichtlichen Ursprünge des deutschen Sicherheitsapparates sieht Polli den Kern für seine heutige Schwäche. Es sei vor allem die bedingungslose, ja geradezu naive transatlantische Ausrichtung deutscher Sicherheitspolitik gewesen, die Generationen von deutschen Politikern dazu verführt habe, die Augen davor zu verschließen, dass diese Sicherheitspartnerschaft vor allem von den USA hemmungslos für Spionage- und Kontrollzwecke deutscher Politik genutzt und damit letztlich missbraucht wurde. 

Im Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage, wo Deutschland nicht erst seit gestern im Dreh- und Angelpunkt abgreifender US-amerikanischer und britischer Dienste stehe, seien die dadurch entstandenen Schäden mit schätzungsweise 50 Milliarden Euro zu veranschlagen – pro Jahr. Die skandalöse Brisanz dieser von Polli glaubhaft dargestellten Schieflage bestehe unter anderem darin, dass die mit der NSA kooperierenden deutschen Behörden zurzeit nicht einmal technisch die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsspionage zu erkennen, vom politischen Willen dazu sie abzuwehren einmal völlig abgesehen. „Nur so ist es erklärbar, dass über mehr als ein Jahrzehnt hinweg US-amerikanische Suchbegriffe in das System des BND eingespeist wurden, die sich im Nachhinein als gegen deutsche Interessen gerichtet erwiesen,“ erläuterte Polli den kritischen Sachverhalt im Interview mit der  Preußischen Allgemeinen Zeitung (Nr. 21 vom 25. Mai 2017).

Es gebe keine wirksame Abwehr bei Wirtschaftsspionage. Wen wunderte es also, dass aus wahltaktischen und anderen Gründen die Merkel-Regierung alles versucht, derartige Themen lieber aus innenpolitischen Debatten, gerade in Wahlkampf-Zeiten, herauszuhalten? Schließlich seien sie für Deutschland politisch desaströs und wirtschaftlich niederschmetternd. Der – nach Pollis Erkenntnissen –kaum widerlegbare Vorwurf steht also anklagend im Raum: Die politischen Funktionseliten der Bundesrepublik hätten es seit Jahrzehnten versäumt, ihrer Beihilfe zur Wirtschaftsspionage gegen das eigene Land etwas Wirksames entgegenzusetzen. Starker Tobak! 

Fazit: Wenn sich die deutsche Bundesregierung hier bedeckt hält, um nicht an den Pranger vorwerfbarer Versäumnisse und Fehleinschätzungen gestellt zu werden, muss das kein Grund für die Opposition sein, den Mund zu halten. Im Gegenteil: Pollis Buch ist eine nützliche Handreichung für patriotische Akteure in Politik und Medien der schwarz-roten Regierung im „Raumschiff Berlin“ immer wieder unangenehme Fragen zu stellen. Denn wenn nicht sie, wer dann?

 Gert R. Polli: „Deutschland zwischen den Fronten. Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird“, Finanzbuchverlag München 2017, 19,99 Euro