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06.10.17 / Die Mär von den reichen Deutschen / Selbst in den Euro-Krisenstaaten liegt das mittlere Vermögen höher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Die Mär von den reichen Deutschen
Selbst in den Euro-Krisenstaaten liegt das mittlere Vermögen höher
Norman Hanert

Viele Deutsche müssen für ihre Wohnungsmieten einen immer größeren Anteil ihres Einkommens aufwenden. In vielen anderen Ländern Europas führen steigende Preise auf dem Immobilienmarkt stattdessen zu einem Vermögenszuwachs der Privathaushalte.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarischen Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, müssen fast vier von zehn Mieter-Haushalten in Deutschland mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnungsmiete aufwenden. Rund jeder sechste Haushalt muss sogar Mietbelastungen von mehr als 40 Prozent für die Bruttokaltmiete schultern. Zugrundegelegt hat das Bundesbauministerium Zahlen für Gesamtdeutschland aus dem Jahr 2014. 

Verbraucherschützer sehen eine Mietbelastung, die ein Drittel des Haushaltseinkommens übersteigt, als kritisch an. Ein hoher Mietanteil am Nettoeinkommen führt dazu, dass entsprechend wenig für die übrige Lebenshaltung, aber auch zum Vermögensaufbau zur Verfügung steht. 

Wie eine Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Jahre 2016 belegt, haben die Deutschen schon jetzt deutlich weniger Vermögen als die Bürger anderer EU-Länder. Laut den EZB-Daten verfügt die Hälfte der deutschen Haushalte nach Abzug von Schulden über ein Vermögen unter 60000 Euro. Selbst die Euro-Krisenstaaten schneiden besser ab. Für Zypern ermittelte die EZB ein mittleres Vermögen von 170000 Euro, für Italien knapp 150000 Euro. Auch bei den Privathaushalten in Portugal und Griechenland fiel der Mittelwert höher aus. Das mittlere Vermögen steht für den Betrag, bei dem genau die Hälfte der Haushalte eines Landes mehr besitzt und die andere Hälfte weniger. Diese Berechnungsmethode gilt als aussagekräftiger als der Durchschnittswert, der durch besonders große Vermögen stark verzerrt werden kann. 

Dass das Vermögen vieler deutscher Privathaushalte niedrig ist, liegt nicht zuletzt daran, dass die Deutschen trotz der EZB-Nullzinzpolitik sehr stark auf Lebensversicherungen, Sparbücher und Festgeldkonten als Anlageformen orientiert sind. Im internationalen Vergleich ist hierzulande der Aktienbesitz und das Eigentum an Immobilien hingegen nur schwach entwickelt. Während 70 bis 80 Prozent der Italiener und Spanier und etwa 65 Prozent der Niederländer und Franzosen über Immobilieneigentum verfügen, liegt der Anteil hierzulande bei nur rund 40 Prozent. Die Folgen sind drastisch. Ein Anstieg der Immobilienpreise führt bei Immobilieneigentümern zu einem Zuwachs an Vermögen. Im Fall der „Mieternation“ Deutschland bewirken die steigenden Mieten stattdessen in vielen Haushalten, dass weniger frei verfügbares Einkommen übrig bleibt. 

Grundlegende Änderungen an dieser Entwicklung sind bislang nicht in Sicht. In der Politik gibt es zwar Überlegungen, Instrumente wie das Baukindergeld wieder aufleben zu lassen, unter Branchenexperten gilt allerdings der Mangel an Eigenkapital als entscheidender Punkt, der in vielen Fällen einen Immobilienerwerb verhindert. Für Immobilienkredite wird vorausgesetzt, dass 25 bis 30 Prozent der Kaufsumme als Eigenkapital vorhanden sind. Viele Normalverdiener scheitern bereits an diese Hürde. 

Obendrein hat sich die Politik bislang darauf fokussiert, mit Instrumenten wie der Mietpreisbremse oder dem sozialen Wohnungsbau den Anstieg der Mieten abzumildern. Die Erfolge sind bislang mäßig. Die von der schwarz-roten Bundesregierung im Jahr 2015 eingeführte Mietpreisbremse hat sich vielerorts als wirkungslos herausgestellt. Das Berliner Landgericht hat die Mietpreisbremse vor Kurzem sogar als verfassungswidrig eingestuft. Das Landgericht bemängelte, die ungleiche Behandlung von Vermietern in unterschiedlichen Städten verstoße gegen die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung vor dem Gesetz. 

Fraglich ist auch, inwieweit der soziale Wohnungsbau die Situation vieler Mieter lindern kann. Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 hat der Bund die Verantwortung für den Bau von Sozialwohnung an die Bundesländer abgegeben. Der Bund überweist zwar weiterhin Zuschüsse für den Wohnungsbau, allerdings gilt für die Mittel keine strenge Zweck-bindung. Beachten müssen die Länder allenfalls, dass die Gelder für Investitionsmaßnahmen verwendet werden, aber dazu zählt neben Wohnungsmodernisierungen auch der Straßenbau. Entsprechend sieht der Umgang der Länder mit den Bundeszuschüssen aus. Bundesländer wie das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern haben zum Beispiel in den Jahren 2013/2014 keine einzige Sozialwohnung gebaut. Zumindest nach den bisherigen Planungen wird der Bund seine Zahlungen für den sozialen Wohnungsbau ab 2020 sogar komplett einstellen. Gleichzeitig ist durch die Massenzuwanderung nach Deutschland ein immenser Zusatzbedarf an preiswerten Wohnungen entstanden. Bereits im Jahr 2016 hat das Marktforschungsunternehmen Empirica die Prognose aufgestellt, die Nachfrage werde bis 2020 deutschlandweit um 656000 zusätzliche Wohnungen steigen.