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06.10.17 / Annektierte »Event-Bude« / Besetzung der Berliner Volksbühne nach einer Woche beendet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Annektierte »Event-Bude«
Besetzung der Berliner Volksbühne nach einer Woche beendet
Harald Tews

Das Stück, das an der Berliner Volksbühne aufgeführt wurde, ist rekordverdächtig: Es dauerte genau eine Woche. Das Ensemble bestand aus einer Handvoll jugendlicher Be­setzer, die in ihrem Stück den Kampf Gut gegen Böse aufführten. Das „Gute“, das war eben jene Gruppe, die sich „Staub zu Glitzer“ nannte und die mit ihrer Besetzung der Volksbühne (siehe auch Seite 5) ein Zeichen gegen Gentrifizierung setzen wollte. Das Feindbild erschien unsichtbar in Gestalt von Chris Dercon, dem neuen Intendanten der Volksbühne, sowie der verhassten Staatsmacht. Im finalen letzten Akt stürmten zwei Hundertschaften der Polizei das Theater am Rosa-Luxemburg-Platz und warfen die Krawallmacher aus dem Haus.

Dabei wurde noch nicht einmal Blut vergossen. Der Kanister mit Kunstblut, den die Aktivisten aus dem Theaterfundus entwendeten, blieb ungeöffnet. Applaus, App­laus, so endete relativ friedlich die Besetzung der Volksbühne, die eine Woche lang in der Hauptstadt für viel – unterhaltsames – Theater gesorgt hat.

Ein Theaterskandal war es allemal. Der heimliche Regisseur dieses Schmierenstücks, Berlins linker Kultursenator Klaus Lederer, hätte die Räumung des Hauses sofort nach Beginn der Besetzung anordnen können, wollte aber offensichtlich erst die Bundestagswahlen abwarten, um nicht die linke Wählerschaft gegen sich aufzubringen. Daneben muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, der geistige Vater dieses Skandalstücks gewesen zu sein.

Lederer hat dem neuen Intendanten Dercon nie wirklich den Rücken gestärkt. Der belgische Kunstmanager stand von Anfang an in der Kritik, weil er als früherer Leiter der Londoner Tate-Modern-Gallery und des Münchener Hauses der Kunst über keine echte Erfahrung als Theaterintendant verfügt. Lederers Vorgänger im Amt des Kultursenators, Tim Renner (SPD), wollte nach der langen Ära von Frank Castorf, der die Volksbühne ein Vierteljahrhundert lang leitete, dem Haus mit Dercon eine neue Ausrichtung geben: weg von der linken Politbühne mit festem Ensemble, hin zu einer Konzeptbühne mit freien Theaterschaffenden. Der vom Ex-Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, geprägte Begriff von der „Event-Bude“ stand plötzlich als böse Parole im Raum. Seitdem prasselte es von allen Seiten auf Dercon ein, noch ehe er überhaupt dazu kam, ein Stück aufführen zu lassen.

Nachdem Lederer bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr angekündigt hatte, die Personalie Dercon zu überprüfen, unterschrieben mehr als 40000 Leute eine Petition für eine Neuverhandlung der Intendanz. Daher muss sich Lederer den Schuh an­ziehen, dass ein steuerfinanziertes Haus nun tatsächlich für eine Woche zur „Event-Bude“ junger Revoluzzer wurde, von denen wohl die wenigstens jemals zuvor einen Fuß in ein Theater gesetzt haben.

Abgesehen von einigen Schmierereien im Treppenhaus haben die Besetzer wenigstens nicht einen solchen Saustall hinterlassen wie Anfang des Jahres bei der Besetzung in der Humboldt-Universität. Zwei Premierenproben fielen deswegen aus. Dem ge­planten Start von Dercons Volksbühne, die im September auf dem früheren Flughafen Tempelhof erste Appetithäppchen anbot, am 10. November mit Beckett-Einaktern dürfte aber wie ge­plant über die Bühne gehen.