25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.10.17 / Die Tänzerin mit den Plattfüßen / Selbst ihre Hinrichtung machte Mata Hari zur Schau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Die Tänzerin mit den Plattfüßen
Selbst ihre Hinrichtung machte Mata Hari zur Schau
Klaus J. Groth

Am 15. Oktober vor 100 Jahren wurde in Frankreich das Todesurteil gegen Mata Hari wegen Hochverrats und Spionage für die Deutschen vollstreckt. Dass die berühmte Tänzerin tatsächlich eine Meisterspionin war, ist nicht erwiesen.

Aus ihrer Hinrichtung machte Mata Hari eine Schau, als stände sie im Scheinwerferlicht auf der Bühne des Trocadero und nicht im finsteren Festungsgraben des Schlosses Vincennes. Ihr Publikum waren die zwölf marokkanischen Soldaten des Exekutionskommandos, ein Offizier und ein Pfarrer. Die Delinquentin warf ihnen Kusshände zu. Sie hatte auf eine Augenbinde verzichtet, nicht aber auf ihren Pelzmantel. So glitt sie von elf Kugeln getroffen dekorativ umhüllt zu Boden. Hatte Mata Hari geglaubt, dass einer ihrer einflussreichen Liebhaber schützend die Hand über sie halte? Dass nur mit Platzpatronen auf sie geschossen werde? Dass man sie nach ihrer Schein-Hinrichtung heimlich außer Landes bringe? 

Um Mata Hari, eigentlich Margaretha Zelle, ranken sich unzählige Legenden. Luxusweib, Schlei­ertänzerin, Edelhure, Hochstaplerin – die schillernde Dame aus dem biederen niederländischen Leeuwarden, wo sie 1876 geboren wurde, faszinierte ganz Europa. Und natürlich Hollywood. Greta Garbo spielte 1930 die Mata Hari. Wenn man das Leben der Tänzerin schildert, kann man das nur unter Vorbehalt tun. Das Gespinst aus Lügen und Fantastereien war von ihr so ge­schickt geknüpft und von Journalisten und Biografen angereichert, dass es sich kaum durchdringen ließ.

Der Hang zur Realitätsferne wurde ihr in die Wiege gelegt. Der Vater, ein bürgerlicher Hutmacher, gab sich als Baron aus. Mata Hari übertraf ihn bei Weitem: „Ich wurde geboren in der heiligen Stadt Jaffnapatam. Mein Vater war ein hochangesehener Brahmane, meine Mutter eine Tempeltänzerin, die mit 14 Jahren bei meiner Entbindung starb. Aufgewachsen bin ich in der Obhut von Tempelpriestern. Sie weihten mich Shiva, und ich wurde in die heiligen Mysterien der Liebe und der göttlichen Verehrung eingeführt.“ 

Ihre Kenntnisse wandte sie schon in der Schule an. Die 15-Jährige wurde halbnackt mit dem Direktor erwischt. Margaretha musste die Schule verlassen, der für sie vorgesehene Beruf einer Kindergärtnerin interessierte sie ohnehin nicht. Eine Heiratsanzeige in der Zeitung „Nieuws van den Tag“ kam wie gerufen. „Offizier, auf Urlaub aus (Niederländisch-)Indien, sucht junge Frau mit liebenswürdigem Charakter zur Eheschließung.“ Margaretha und Rudolph MacLeod heirateten und gingen nach Java. Im damaligen Niederländisch-Indien ließ sie sich in exotischer Tanzkunst ausbilden, auch wenn der 20 Jahre ältere Ehemann nörgelte: „Sie hat Plattfüße und kann nicht tanzen.“ Als MacLeod pensioniert wurde, kehrten sie zurück in die Niederlande. Das Ehepaar trennte sich bald. Margaretha zog es nach Paris. Als Mata Hari, malaiisch etwa „Auge der Morgenröte“, trieb sie die Männer nachts zum Wahnsinn. Im „Courrier français“ beschrieb ein Journalist die Tänze der „Bajadere“ folgendermaßen: „Eine große dunkle Gestalt schwebt herein. Kräftig braun, heißblütig. Ihr dunkler Teint, ihre vollen Lippen und glänzenden Augen zeugen von weit entfernten Landen, von sengender Sonne und tropischem Regen … Ihre Brüste heben sich schmachtend, die Augen glänzen feucht … Der schöne Leib fleht, windet sich und gibt sich hin: Es ist gleichsam die Auflösung des Begehren im Begehren.“

Niemand zweifelte an der exotischen Herkunft der „Frau aus dem Fernen Osten, die mit Parfüms und Juwelen beladen“ nach Paris gekommen sei, so die Ankündigung für ihren Auftritt bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Die Tänzerin verkehrte in den ersten Kreisen. Sie trat in den besten Varieté-Theatern Europas auf, in Monte Carlo, Wien, Madrid und im Berliner Wintergarten. Von einer Vorführung speziell für die kaiserliche Familie zeigte sich der sonst so prüde Wil­helm II. sehr angetan. In ihrer erfolgreichsten Zeit verdiente Mata Hari 10000 Francs pro Abend. Im Größenwahn diente sie sich der berühmten Kompagnie Ballets Russes als Primaballerina an, obwohl sie nie eine Ballettausbildung genossen hatte. Dort wurde sie verlacht und gedemütigt. Dieses Fiasko läutete das Ende ihres Höhenflugs ein. Sie erhielt keine Engagements mehr, die reichen Liebhaber gingen ihr aus, und in ihrer Luxuswohnung stapelten sich unbezahlte Rechnungen. 

Zudem trübte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Amüsierfreude in den europäischen Hauptstädten. Mata Hari musste sich nach neuen Geldquellen für das gewohnte Leben umsehen. Der deutsche Konsul in Amsterdam machte ihr ein unmoralisches Angebot. Sie sollte als Agentin des deutschen Geheimdienstes ihre intimen Kontakte nutzen, um hohe Militärs und Politiker auszuforschen. Als Spionin H21 reiste sie mit falschem Pass quer durch Europa. In Southampton wurde sie wegen ihrer gefälschten Papiere verhaftet, konnte sich aber herausreden. Der Secret Service schöpfte Verdacht und informierte umgehend die Kollegen in Frankreich. Der französische Geheimdienst warb Mata Hari ebenfalls an, wohl nur zum Schein, um sie in eine Falle zu locken. Am 13. Februar 1917 wurde sie ganz standesgemäß in der Suite eines Pariser Luxushotels verhaftet und fünf Monate später vor ein Militärgericht gestellt. 

Zu ihrer Verteidigung behauptete die Angeklagte, keine militärischen Geheimnisse an die Deutschen verraten zu haben. Sie habe nur Informationen geliefert, die jeder den Zeitungen entnehmen konnte. Der Untersuchungsrichter stellte sie als zwielichtige Person dar: „… ohne Skrupel und daran gewöhnt, sich der Männer zu bedienen, ist sie der Typ einer Frau, die zur Spionin prädestiniert ist.“ Echte Beweise blieb er schuldig. Am 25. Juli 1917 wurde Mata Hari wegen Hochverrats und Doppelspionage zum Tode verurteilt. Da niemand für die Kosten ihrer Beerdigung aufkommen wollte, wurde ihr Leichnam der Medizinischen Fakultät der Sorbonne übergeben. Die Anhänger der Mata Hari sind bis heute von ihrer Unschuld überzeugt. Die niederländische Mata-Hari-Stiftung strebt ihre Rehabilitierung an.