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06.10.17 / Das Ziel war gar nicht Indien / Mit der Entdeckung Amerikas entging Christoph Kolumbus wohl nur knapp einer Meuterei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Das Ziel war gar nicht Indien
Mit der Entdeckung Amerikas entging Christoph Kolumbus wohl nur knapp einer Meuterei
Wolfgang Kaufmann

Vor 525 Jahren erreichte ein spanischer Schiffsverband unter dem Kommando des 41 Jahre alten Genuesen Christoforo Colombo (eingedeutscht: Christoph Kolumbus) die Bahama-Insel Guanahani beziehungsweise San Salvador. Dies gilt gemeinhin als die „Entdeckung Amerikas“. Hinter den Seeleuten lagen 5700 Kilometer Fahrt ins Ungewisse, und hinter ihrem Admiral zudem noch gut sieben Jahre Überzeugungsarbeit am spanischen und portugiesischen Hof.

Die Idee, einfach nach Westen zu fahren, um die Ostküste Asiens zu erreichen, stammte wohl ursprünglich von dem griechischen Philosophen und Naturforscher Aristoteles. Sie wurde in der Folgezeit unter anderem durch Persönlichkeiten wie Seneca, Roger Bacon und Pierre 

d’Ailly aufgegriffen. Und im 15. Jahrhundert gehörte dann der Florentiner Gelehrte Paolo dal Pozzo Toscanelli zu ihren eifrigsten Verfechtern. Zugleich war die Vorstellung von der Erde als Scheibe nun weitestgehend obsolet geworden. Sogar Papst Pius II. schrieb in seiner um 1460 entstandenen „Cosmographia“, unser Planet sei kugelförmig und kreise um die Sonne. 

Insofern schwamm Kolumbus absolut nicht mehr gegen den Strom, als er 1484 daran ging, für eine Fahrt nach Asien mit Kurs West zu werben. Zudem kamen ihm dabei auch noch die geopolitischen Verhältnisse entgegen, denn durch die osmanische Eroberung Konstantinopels im Mai 1453 war nun der Landweg nach China und Indien abgeschnitten, was der Suche nach neuen transozeanischen Handelswegen enormen Aufschwung verliehen hatte. 

Allerdings unterschätzte Kolumbus die Entfernung zwischen Europa und Ostasien auf gravierende Weise. Er glaubte, zwischen den Kanarischen Inseln und Japan lägen nur 4500 Kilometer – tatsächlich sind es 20000. Verantwortlich hierfür waren die falschen Angaben zur Breite der eurasischen Landmasse durch Toscanelli und d’Ailly, auf die Kolumbus sich stützte. Das erkannten auch die Experten am spanischen und portugiesischen Hof, die ihren Herrschern zunächst mit Erfolg abrieten, den Genuesen bei seinem Projekt zu unterstützen.

Dann allerdings kam der 2. Januar 1492, also der Tag, an dem der Emir von Granada, Muham­mad XII., kapitulierte, womit die Reconquista auf der Iberischen Halbinsel ihren erfolgreichen Abschluss fand. Nun wuchs das Verlangen des Herrscherpaares Isabella I. von Kastilien und León sowie Ferdinand II. von Aragón, zum portugiesischen König Johann II. aufzuschließen, dessen Seefahrer sich entlang der afrikanischen Küste nach Indien vortasteten und kurz vor dem finalen Erfolg zu stehen schienen. Doch forderte Kolumbus derart viele Privilegien, dass das Ganze daran zu scheitern drohte. Der Genuese verlangte nämlich die Ernennung zum „Admiral des Ozeans“ sowie auch den Titel eines Vizekönigs und Generalgouverneurs der von ihm entdeckten Länder. Außerdem bestand er auf dem „Recht, von allen Perlen, Edelsteinen, Gold, Silber, Spezereien sowie allen anderen Kauf- und Handelswaren, die in seinem Bereich gefunden, gebrochen, gehandelt oder gewonnen werden, nach Abzug der Kosten ein Zehntel für sich zu behalten“. Doch schließlich gaben Isabella und Ferdinand auf Rat ihres Schatzmeisters Luis de Santángel am 17. April 1492 in der sogenannten Kapitulation von Santa Fe nach. 

Die nötigen zwei Millionen Maravedis (etwa 300000 Euro) für die Expedition stammten allerdings nicht aus den Schatullen des Königspaares, sondern zum größten Teil von der Militär- und Polizeitruppe Santa Hermandad. Darüber hinaus steuerten Santángel und einige genuesische Kaufleute noch mehrere Hunderttausend Maravedis bei. Für das Geld wurden der große Dreimaster (Karacke) „Santa Maria“ sowie die beiden Karavellen „Niña“ und „Pinta“ gechartert und mit Proviant für ein Jahr versehen. Zudem mussten rund 90 Seeleute angeheuert und bezahlt werden.

Der Dreierverband verließ den Hafen von Palos de la Frontera bei Huelva in Andalusien am Morgen des 3. August 1492, wobei die „Santa Maria“ von Kolumbus selbst befehligt wurde, während die zwei anderen Schiffe unter dem Kommando von Vicente Yáñez Pinzón und Martín Alonso Pinzón standen.

Um das beschädigte Steuerruder der „Niña“ zu reparieren und bei der Gelegenheit das Großsegel der „Pinta“ umzurüsten, machte Kolumbus wenig später im Hafen von San Sebastián auf der Kanareninsel La Gomera Station, bevor dann am 6. September die Fahrt quer über den Atlantik begann.

In den nächsten Wochen segelte der Schiffsverband mit Hilfe beständiger, von achtern kommender Passatwinde bei weitgehend gutem Wetter mit durchschnittlich zehn Knoten Geschwindigkeit nach Westen. Der Admiral hoffte, so die von Marco Polo beschriebene chinesische Hafenstadt Quinsay, das heutige Hangzhou, zu erreichen, wo er dem Großkhan Briefe seiner königlichen Auftraggeber Isabella und Ferdinand  übergeben wollte. Entgegen vielen anderslautenden Darstellungen war Kolumbus’ Ziel nämlich gar nicht Indien selbst, sondern „Las Indias“, wozu neben dem eigentlichen Indien damals auch alle Länder „hinter“ Indien – von Westen aus betrachtet – zählten.

In der Nacht vom 11. zum 12. Oktober 1492 sichtete der jüdische Matrose Rodrigo de Triana alias Juan Rodríguez Bermejo von der „Pinta“ eine Insel, auf die der Genuese und seine Leute dann im weiteren Verlaufe des Tages ihren Fuß setzten. Das liest sich in Kolumbus’ Reisetagebuch so: „Um 2 Uhr morgens kam das Land in Sicht, von dem wir etwa acht Seemeilen entfernt waren … Dann lagen wir bei und warteten bis zum Anbruch des Tages, der ein Freitag war, an welchem wir zu einer Insel gelangten, die in der Indianersprache Guanahani hieß.“ Mit dieser Entdeckung entging der Admiral wohl einer unmittelbar bevorstehenden Meuterei, denn seinen Männern wurde die Reise ins scheinbare Nichts von Tag zu Tag unheimlicher.

Um welches Eiland es sich bei „Guanahani“ handelte, ist bis heute ungeklärt. Mittlerweile gelten sowohl die Watling-Insel, die seit 1926 offiziell den Namen San Salvador führt, als auch Samana Cay, Plana Cays und Mayaguana in der Inselgruppe der Bahamas als mögliche Kandidaten.

Auf jeden Fall kreuzte Kolumbus anschließend bis zum 16. Januar 1493 durch die karibische Inselwelt und entdeckte dabei unter anderem auch Kuba und Hispaniola. Die Rückfahrt erfolgte ohne die „Santa Maria“, die am Weih­nachtstag des Vorjahres auf einer Untiefe gestrandet war. Der dergestalt dezimierte Schiffsverband erreichte Palos am 15. März 1493. Danach wurde Kolumbus als Held gefeiert.