26.04.2024

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Suchen und finden
06.10.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

was lange währt, wird endlich gut – das alte deutsche Sprichwort ist wohl von jedem mal angewandt worden, auch von uns in unserer Ostpreußischen Familie, wenn sich ein Erfolg erst nach langer Zeit eingestellt hat. Auch auf die nun sich schon über vier Jahre hinziehenden Suche unseres Lesers Reinhold Kalisch nach Angaben über seine Herkunft könnte man es anwenden, allerdings etwas abgeschwächt, sagen wir mal:“…wird immer besser“, denn es handelt sich um Teilerfolge, die unser Leser aus Baden-Baden zu verzeichnen hat. Und dazu haben unsere Veröffentlichungen in den Folgen 32 und 38 unserer Kolumne beigetragen, die den Suchenden einige Schritte weiterbringen könnten, indem sie seine frühe Kindheit erhellen. Kurz repliziert: Reinhold wurde als zwei Wochen alter Säugling in ein Kinderheim in Zittau gebracht, und blieb dort – einen zwischenzeitlichen Krankenhausaufenthalt wegen Typhus eingerechnet – zwei Jahre lang, bis er in Pflege kam. Wer den Säugling dort abgegeben hat, ist leider bis heute nicht geklärt. Es könnte seine aus Königsberg stammende Mutter Lieselotte Kalisch gewesen sein, die auf der Flucht das Kind in Schweidnitz zur Welt brachte – aber das wird wohl nie herauskommen, denn seine Mutter, die im Krieg bei der Organisation Todt in Rastenburg gearbeitet hat, soll später nach Amerika gegangen sein und dort geheiratet haben. Das Schicksal seines Vaters glaubt er aufgeklärt zu haben, als er auf dem Friedhof in Palmnicken das Grab des 27-jährigen Rolf Kalisch fand, „der sein Leben für einen sinnlosen Krieg lassen musste“. Damit hatte Reinhold Kalisch eigentlich seine Suche abgeschlossen, aber eine Abbildung des Kinderheimes in Zittau veranlassten ihn doch, sich noch einmal an uns zu wenden. Seine Frage betraf das Waisenhaus in der Lessingstraße, einen schönen Bau, der bis dahin Sanatorium gewesen war, und das Leben der dort untergebrachten elternlosen Kinder und ihrer Betreuer. Ich konnte ihm nicht viel Hoffnung auf Erfolg machen, die Frage war schon sehr speziell – aber sie fand doch in unserem Leserkreis eine Reaktion, die aus Aufnahmen von der Baugrube des vor zwei Jahren abgerissenen Gebäudes bestand. Vielleicht hat dieses Foto zu mehr Aufmerksamkeit unserer Leserschaft beigetragen, denn nun kam folgendes Schreiben von Herrn Kalisch, das meine Bedenken widerlegte: 

„Ganz herzlichen Dank für Ihre Bemühungen bezüglich meiner Suche nach der Geschichte des Kinderheimes in Zittau. Und es gibt Erfreuliches zu berichten. Nach dem ersten Artikel meldeten sich die Leserinnen Frau Bremser und Frau Ohmann. Beide Damen konnten mir wertvolle Hinweise ergeben. Frau Bremser wusste, dass dieses Heim dann Lina-Wehnert-Heim hieß, Frau Ohmann konnte mir einen historisch bewanderten Herrn nennen, was sich als Volltreffer erwies. Herr P. Wildner wohnte selber in der Lessingstraße und kennt einige ältere Bewohner, die das Haus noch kannten, als es Kinderheim und Wochenkrippe war. Und dann half mir das Internet weiter. Ich gab einfach mal „Lina-Wehnert-Heim Zittau“ ein – und das Schick­sal spielte mit: Es erschien ein Hinweis, dass in dem Buch „Ich habe Dich so gesucht“ ein Junge mit seiner Schwester im Januar 1945 in eben dieses Heim gebracht wurde. Es gibt dazu Suchfotos, auf dem er einmal als Kind und einmal als junger Mensch zu sehen ist. Ich habe nun die Autorin dieses Buches und den Suchdienst des DRK aktiviert – schau’n wir mal! Ich kann mich nur ganz herzlich bei Ihnen bedanken und freue mich, etwas Licht in meine Geschichte zu bringen.“ Wie es jetzt aussieht, könnte es noch viel heller werden. Wir freuen uns jedenfalls mit Herrn Kalisch und danken ihm für seine herzlichen Worte wie auch den Leserinnen und Lesern, die ihm und uns mit ihren Angaben geholfen haben.

Ein ähnliches Kinderschicksal, ein ähnlicher Wunsch, endlich Gewissheit über seine Herkunft zu bekommen, ein ähnliches Anliegen, das an die Ostpreußische Familie gerichtet ist – und doch so unterschiedlich in dem Verlauf des bisher gelebten Lebens: Da sind wir wieder bei dem russischen Wissenschaftler Dr. Valery Sevastianow, der nach der sowjetischen Okkupation Ostpreußens als ein etwa einjähriges Kleinkind von einem russischen Ehepaar aus einem Kinderheim in Georgenswalde geholt und adoptiert wurde. Wir haben seine Schick­salsfrage ausführlich in Folge 34 behandelt, und in Folge 37 ein Foto von ihm gebracht, das ein freundliches lebensfrohes Gesicht unter vollem, grauem Haar zeigt. Dabei haben wir im Text sein heutiges Domizil in das Samland verlegt, aber das stimmt nicht: Der Hof, den er nun mit seiner Frau bewirtschaftet, liegt zwar auch in Ostpreußen, doch weiter östlich bei Lasdehnen. Aber lassen wir ihn das selber erzählen:

„Ihren Artikel habe ich gelesen und deswegen meine größte Dankbarkeit. 70 Jahre habe ich immer versucht, herauszufinden, wer ich bin, aber Ergebnisse habe ich nie erhalten. Mein Brief an Ihnen war absolut hoffnungslos. Jetzt kenne ich wenigstens meine richtige und wunderschöne Heimat. Das ist überhaupt nicht wenig. Meine Post-Adresse ist jetzt RU-238730, Kaliningrad, Bezirk Krasnoznamensk, Illovajskoe (Hutor). Das bedeutet:  Zwischen der früheren Stadt Lasdehnen/Haselberg neben litauischer Grenze und dem Dorf Illovajskoe stehen immer noch einige alte Hofe. Ein Hof habe ich mit Hilfe von Forstkollegen und Freunden, die zu mir in schwerer Zeit gekommen, gekauft und renoviert. Damals war meine Gesundheit nicht gut, aber eine Frau kam zu mir mit einer Tochter zusammen, und Gesundheit war zurück. Jetzt ist diese Frau meine Ehegattin und Tochter ist groß geworden. Wir backen Brot aus eigenem Mehl, machen eigene wunderbare Käse und Wurst, Kartoffeln, Beeren und so… Perfekter Traktor und Tischlerei, und dazu meine Wissenschaft und Musik. Hof wollten wir zum Verkauf ausstellen, aber Immobilienmarkt ‘steht’ schon lange. Ich träume frei zu sein und mit meiner Frau zusammen ein gebrauchtes Segelboot kaufen und nach Süd-Amerika gehen nach einer Segler-Ausbildung, wenn das Geld reicht. Und ich will meine Schwester finden und Wissenschaftsarbeit bis Ende machen.“ So hat uns Dr. Sevastianov Einblick in sein Leben auf einem alten deutschen Hof bei Lasdehnen verschafft, der aber für den unruhigen Geist noch lange nicht ein Altersruhesitz ist. Auf der Suche nach seiner – vermutlichen – Schwester, die als etwa Drei-bis Vierjährige mit dem einjährigen Jungen zusammen in das Kinderheim in Georgenswalde kam. Die Kinder wurden dann getrennt, das Mädchen soll den russischen Namen Ludmila erhalten haben. Valery glaubt, sie nun auf einem Suchfoto wieder zu erkennen, aber da zeichnet sich leider kein Erfolg ab, was bei der Schwere dieses Falls auch anzunehmen war.

Aber eine andere Suchgeschichte haben wir glücklich zu Ende gebracht und darüber auch schon berichtet, doch nun kommt das Sahnehäubchen auf den Kuchen. Die Hauptfrage hatte schon nach der ersten Veröffentlichung Erfolg: Frau Christel Meurer, die nach ihrem Geburtsort Mühlhausen gefragt hatte, bekam von Herrn Herbert Skroblin eine sehr ausführliche Erklärung, dass es sich nur um Mühlhausen im Kreis Pr. Holland handeln konnte. Stimmte auch, da die Familie Jäger aus dem Kreis Angerapp stammte und der Grenzkreis schon im Herbst 1944 den Russeneinfall erlebte. Für diese ersten Flüchtlinge war der Kreis Pr. Holland ausgewiesen, und dort erblickte Christel am Heiligen Abend das Licht der Welt. Aber wo und unter welchen Umständen? Mit dieser Frage hat sich sehr eingehend unser Leser, Herr Helmut K., beschäftigt und auf ein damals in Mühlhausen existierendes Entbindungsheim hingewiesen, was er nun sogar mit einer Abbildung belegen kann. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Christels Mutter dort entbunden hat, denn eine Flüchtlingsunterkunft mitten im kalten Winter ist auch nicht gerade für eine Geburt geeignet – obgleich so mancher hochschwangeren Flüchtlingsfrau keine andere Wahl blieb. Aber die hatte nun Frau Jäger, und sie wird diese auch genutzt haben, zumal das Heim erst während des Krieges eingerichtet wurde, vorher befand sich hier das Neue Amtsgericht. So kann Frau Meurer nun das auch heute noch existierende Haus in der Braunsberger Straße als den Ort betrachten, an dem sie zur Welt kam. Wenn sie also das nächste Mal in ihre Geburtsheimat fährt – dreimal war sie schon dort und hat vergeblich nach Spuren gesucht, bis sie sich an die Ostpreußische Familie wandte – kann sie es nach der Beschreibung unseres Lesers Helmut K. leicht finden: Es liegt etwa 450 Meter vom Ortsausgang entfernt in der ehemaligen Braunsberger Straße hinter einer leichten Linkskurve auf der rechten Straße. Gegenüber dem gut erhaltenen Gebäude mit der Nummer 15 steht ein hölzerner Mast – mit einem Storchennest! Das ist das Sahnehäubchen, und es wird Christel Meurer, dem „Christkind aus Mühlhausen“ wohl munden.

Eine Familie ohne neue Fragen – das gibt´s nicht. Und da haben wir eine ganz besondere auf dem Tisch, die Frau Anorte Großkreutz aus Aachen vom Schwedischen Genealogentag in Halmstad mitgebracht hat. Es handelt sich um den Münzpalast in Königsberg, in der Münzstraße 7 dicht am Schloss gelegen, die wohl bekannteste Kleinkunstbühne der Stadt, in der sich ein Teil des Königsberger Nachtlebens abspielte. Auch zu Kriegszeiten, denn Anfang 1942 soll dort ein Norditaliener als Pianist tätig gewesen sein. Vielleicht kann sich jemand an den Klavierspieler erinnern oder besitzt noch ein Programmheft vom Münzpalast, in dem sein Name enthalten ist. Auch sein weiteres Schicksal ist den schwedischen Fragestellern, die Frau Großkreutz mit dieser Suchfrage beauftragt haben, unbekannt. Auch Erinnerungen an den damaligen Direktor des Münzpalastes, August Sauerbaum, und seine Familie sind willkommen. Dies zuerst einmal in Kürze. (Anorte Großkreutz, Purweider Weg 19 in 52070 Aachen, Telefon: 0241/159894.)

Eure Ruth Geede