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06.10.17 / Über die Lebensverhältnisse der »Salzburger« in Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-17 vom 06. Oktober 2017

Über die Lebensverhältnisse der »Salzburger« in Ostpreußen
Wolfgang Thüne

Hatte George Turner, Universitätsprofessor und früherer Berliner Wissenschaftssenator, in seinem ersten Buch „Die Heimat nehmen wir mit“ den Schwerpunkt auf die Salzburger und seine Familie gelegt, die 1732 aus Glaubensgründen ihre Heimat verlassen musste, so konzentriert sich der Autor in seinem neuen Buch auf die Lebensverhältnisse der „Salzburger“ in Ostpreußen und deren mühsamen Versuch, den Zusammenhalt trotz des Auseinanderdriftens nach 1945 zu erhalten und zu fördern. Vieles ist von ihm zu summarisch, auch zu euphorisch behandelt worden.

Dies betrifft vor allem das Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung. Friedrich Wilhelm I. hatte die Verwaltung im Jahr 1714 in zwei Kammern gegliedert, die Deutsche und die Litthauische mit den Ämtern Insterburg, Tilsit, Ragnit und Memel. Von den etwa 15000 im Jahr 1732 angekommenen „Salzburgern“ wurden rund 12000 in Gumbinnen angesiedelt. Obwohl der König die Domänenkammern angewiesen hatte, die Salzburger „soviel immer möglich ... unzertrennt anzusiedeln“, kam es zu keiner geschlossenen Ansiedlung. 

Waren sie „bisher bei ihrem Zug von der Bevölkerung mit Freude und Hochachtung empfangen worden“, so wurden sie vor Ort „von den schon Ansässigen misstrauisch betrachtet“. Unterstützung erfuhren sie nicht, was sich in Krankheiten und vermehrten Todesfällen äußerte. Groß waren die „Mentalitäts- und Sprachprobleme“ zu den Ansässigen mit deutschen, litauischen, schweizer und französischen Wurzeln. 

Aber auch ansonsten hatten die Salzburger schwere Zeiten zu überstehen: „Der Winter 1742 war besonders hart, dass die Obstbäume ruiniert waren; 1745 herrschte eine extreme Missernte; 1750 hat eine Viehseuche die Bestände bis auf zehn Prozent reduziert; 1755 herrschte so starker Frost, dass sogar Menschen erfroren; 1756 machte der Wassermangel sehr zu schaffen.“ 

Die Bauern erhielten grundsätzlich an Grundbesitz etwa so viel wie sie in der Heimat besessen hatten, dazu ein Wohnhaus mit den notwendigen Wirtschaftsgebäuden und Geräten. Den Salzburgern wurde durch „den Sozietätsvertrag vom 

17. September 1736 eine gewisse Sonderstellung“ eingeräumt. 

Nach dem „ersten Erschrecken über eine Umwelt, die sich von ihrer Heimat so grundsätzlich unterschied“, haben die Salzburger „rasch zu einem Gefühl der Landeszugehörigkeit gefunden, aber dennoch ihr Gruppenbewusstsein bewahrt“. 

Die Salzburger waren gute Pferde- und Viehzüchter. Für den ­Ackerbau entwickelten sie eine ertragreiche Arbeitsweise und verstanden es, Butter und guten Käse herzustellen. 

„Preußisch-Litthauen war nicht nur die Kornkammer sondern auch das Kartoffelland Preußens.“ „Fleiß und Arbeitseifer waren bestimmende Faktoren des Lebens, wobei wirtschaftlicher Wohlstand in der protestantischen Ethik als gottgefällig“ verstanden wird. 

Die Salzburger haben 1758 den Einmarsch der Russen, 1807 den Durchmarsch der Franzosen, den Weltkrieg 1914/18 und den Weltkrieg 1939/45 mitgemacht – bis zur Vertreibung. Besonders hat es die „selbstständigen Landwirte“ getroffen, bei denen „von der Politik die Hoffnung genährt“ wurde, „dass es ein Zurück gäbe“.  

Diese Hoffnung war 1961 auch noch „bei über 50 Prozent der Vertriebenen vorhanden“. Als diese Hoffnung langsam zerbrach, reduzierte sich alles auf die Pflege des „Bewusstseins der Herkunft“. 

Eines Tages wird Ostpreußen wie Elsass-Lothringen betrachtet: „Ich hab gehört, das soll mal deutsch gewesen sein“. Umso wichtiger ist es, dass „Oma und Opa“ mit diesem Buch den Enkeln und Urenkeln das Wissen um die Herkunft im „Land der dunklen Wälder“ weitergeben und ihnen die landschaftlichen Reize ihrer Heimat zeigen.

George Turner: „Salzburger, Ostpreußen. Integration und Identitätswahrung“, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2017, gebunden, 128 Seiten, 14,96 Euro