23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.10.17 / »Eine Schule ohne Drogen gibt es nicht« / Prostitution, Gewalt und Rauschmittel scheinen an vielen Bildungseinrichtungen zum Alltag zu gehören

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

»Eine Schule ohne Drogen gibt es nicht«
Prostitution, Gewalt und Rauschmittel scheinen an vielen Bildungseinrichtungen zum Alltag zu gehören
Peter Entinger

Berlins Lokalzeitung mit der derzeit höchsten Auflage, die „B.Z.“, hat den Sperrzaun, der um das Französische Gymnasium in Tiergarten gezogen wurde, als „Keuschheitsgürtel“ bezeichnet. „125 Meter lackierte Stahlstäbe, bis zu 1,80 Meter hoch: Berlins erster Liebestöter vor einer Schule“, heißt es weiter. Der Zaun solle Freier, Frauen und Fixer aus dem nahen Rotlichtviertel vom Gymnasium fernhalten. Die „B.Z.“ hatte mit ihrer Wortwahl die Lacher auf ihrer Seite, aber das Problem ist ernst – und nicht nur von lokaler Bedeutung.

In zahlreichen deutschen Städten geht die Angst um. Prostitution, Gewalt und Drogen scheinen an vielen Schulen zum Alltag zu gehören. Und die Behörden geben sich mehr oder weniger machtlos. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart schlug nun eine Elterninitiative Alarm. Um die Brisanz deutlich zu machen, dokumentierten sie die Geschehnisse rund um eine Schule in der Innenstadt. Sie machten Fotos von Spritzen und drehten Videos von Abhängigen, die vor den Beeten der Schule mutmaßlich nach Drogen suchen. Mit dramatischen Appellen forderte der Bezirksbeirat Stuttgart-Mitte Schutz vor der Drogenszene. Sonst sei auch eine Schließung der Jakobschule nicht auszuschließen. Die Elternvertretung spricht von einem „Behördenversagen“ und einer Bankrotterklärung. Die Problematik bestehe seit 2011 und werde immer schlimmer. 

Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass der eigene Nachwuchs in der Schule mit Gewalt-Videos auf Mobiltelefonen oder mit Drogen konfrontiert wird. Irgendwie, irgendwann. Das zeigen Aussagen von Experten und die Ergebnisse zahlreicher Studien. „Eine Schule ohne Drogen gibt es nicht“, weiß Regina Pötke, ehemalige Schulleiterin, heute Ministerialrätin im Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus. Ob Cannabis oder Heroin: Auf Deutschlands Schulhöfen hat die Rauschgiftkriminalität in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Das geht aus Zahlen der Landeskriminalämter und der Innenministerien hervor. 

In Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bun­desland, konstatierte das Landeskriminalamt (LKA) 2015 eine Verdoppelung der Fälle gegenüber 2011. Waren es vor sechs Jahren noch 443, registrierte die Polizei vier Jahre später bereits 897 Fälle von Drogenkonsum an Schulen. Laut dem LKA wurden 2015 am häufigsten Schüler mit Cannabisprodukten erwischt – in 620 Fällen. Zweithäufigste Droge, welche die Polizei auf Schulhöfen registrierte, waren Ecstasy und Amphetamine – zuletzt insgesamt in 118 Fällen. Hier verdoppelte sich der Gebrauch im Vergleich zum Vorjahr. Sechsmal ging es um Kokain oder Crack, einmal um Heroin.

Nach einer Hamburger Befragung ist etwa jeder sechste Schüler der Hansestadt im Alter zwischen 14 und 18 Jahren als aktueller Cannabis-Konsument einzustufen, Tendenz steigend. Ähnliche Ergebnisse brachte eine Studie in Bremen: Ein Drittel der 14-jährigen Jungen und Mädchen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, tun dies auch in der Schule. 

Ein ähnliches Bild gibt es in fast allen Bundesländern. Nun wird über die Legalisierung von sogenannten weichen Drogen wie Cannabis seit Jahren heftig gerungen. Experten halten sie aber immer noch für Einstiegsdrogen. Jemand, der diese Sachen verkaufe, könne auch härteren Stoff besorgen. „Cannabis ist deutlich gefährlicher geworden“, heißt es in einem Leidfaden, den Kultusministerien an besorgte Eltern und Lehrer herausgeben. Besonders für junge Menschen gelte das, deren Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Drogen und Prostitution sind nicht die einzigen Probleme an deutschen Schulen. Jeder vierte Lehrer sagt, er sei in der Schule bereits gemobbt, beschimpft, belästigt oder gar bedroht worden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage. Als häufigste Form der Gewalt nannte mit 55 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten psychische Gewalt an ihrer Schule. 23 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass sie selbst an ihrer Schule schon einmal Ziel von Beschimpfungen, Diffamierungen, Mobbing, Drohungen oder Belästigungen waren. Dabei zeigen sich signifikante Unterschiede in den Schulformen: 45 Prozent der Hauptschullehrer sowie 49 Prozent der Sonder- und Förderschullehrer bejahten diese Aussage. An Gymnasien waren es nur 13 Prozent.

Im unteren Bildungssegment sind die Probleme am größten. „Der Anteil sehr leistungsschwacher Schüler ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Viele schwänzen. Wenn ein Viertel der Schüler fehlt, ist es ein ganz normaler Tag. Wenn die Kinder nach der sechsten Klasse aus der Grundschule zu uns kommen, beherrschen viele nicht mal den Stoff einer vierten Klasse“, zitierte die Tageszeitung „Die Welt“ einen Lehrer, der an einer Berliner Gesamtschule unterrichtet. Am schlimmsten sei die Situation in den sogenannten Segregationsschulen. Segregation bezeichnet den Prozess der Entmischung in einer Gesellschaft, man könnte auch von einer Ghettoisierung sprechen. Lehrer in Berlin, aber auch aus dem Ruhrgebiet berichten von einer ausgeprägten Deutschenfeindlichkeit. Mitglieder der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft schlugen vor wenigen Monaten in einem Artikel für die „Berliner Lehrerzeitung“ Alarm. In den zunehmend segregierten Schulen verstärke sich das Mobbing gegen deutsche Schüler. Ein Schimpfwort nannten sie auch. „Schweinefresser“ seien die wenigen Schüler ohne Immigrationshintergrund.