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13.10.17 / Ein Herz für Todkranke / Immer mehr Organe lassen sich verpflanzen – Spender aber gibt es viel zu wenige

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

Ein Herz für Todkranke
Immer mehr Organe lassen sich verpflanzen – Spender aber gibt es viel zu wenige
Frank Horns

Ob Lunge, Leber oder Dünndarm – bis zu 4000 Organe werden in Deutschland jährlich verpflanzt. Die Fortschritte in der Transplantationsmedizin sind enorm.

In Südafrika hat er kürzlich an einem 650 Kilometer langen Mountainbike-Rennen teilgenommen. Sieben Tage hat die Tortur bei 40 Grad im Schatten gedauert. „Wir saßen sieben Stunden im Sattel. Die Strecke war gespickt mit kurzen aggressiven Anstiegen in den Weinbergen“, erzählt Elmar Sprink dem staunenden Reporter der Fitness-Zeitschrift „Men’s Health“.

Warum ihm das „aggressive“ Bergaufradeln besonders zu schaffen machte? Der Extremsportler: „Weil nicht alle Nerven zum neuen Herzen nachgewachsen sind, springt es nicht gleich auf die höhere Belastung an. Längere Auffahrten in den Alpen verträgt die Pumpe besser.“

Der 45-jährige Elmar Sprink „gilt als fittester herztransplantierter Sportler der Welt“, weiß das Sportmagazin „Laufen.de“. Er hat schon per Mountainbike die Alpen überquert und ist erfolgreich beim Ironman auf Hawai gestartet (4 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42 Kilometer Laufen). Sprinks Leistungen stehen nicht nur für den Überlebenswillen eines Menschen, der zwei Jahre mit dem Tod ringt, bis ihm 2012 ein Spenderherz eingesetzt wird, sie verdeutlichen auch die enormen Fortschritte der Transplantationsmedizin in den letzten Jahren. 

Organverpflanzungen gehören zum Standard der modernen Medizin. Sie werden in Betracht gezogen, wenn ein lebenswichtiges Organ versagt und andere Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Jedes Jahr werden in deutschen Transplantationszentren zwischen 3000 und 4000 Organe übertragen. Der Empfängerkörper muss dabei allerdings mehr oder weniger massiv zu seinem Glück überredet werden. Abwehrreaktionen gegen das fremde Körperteil bilden das größte Risiko. Es gibt akute Abstoßungsprozesse, aber auch chronische Vorgänge, bei denen das fremde Organ nach und nach versagt. Aus diesem Grund sind Verwandte besonders geeignete Organspender, da es genetische Übereinstimmungen gibt. Die ersten erfolgreichen Transplantationen gelangen mit eineiigen Zwillingen. 

Stammt das Organ von einem Fremden, müssen Medikamente das Immunsystem unterdrücken. Für die Ärzte eine Gratwanderung nach dem Prinzip: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Es gilt, die Abwehrfähigkeit des Organismus bestmöglich aufrechtzuerhalten, ansonsten wäre der Körper schutzlos allen Krankheitserregern ausgeliefert. Wie gut den Ärzten diese Feinabstimmung mittlerweile gelingt, zeigen Beispiele wie Elmar Sprink.

Leber, Nieren, Herzen, Lungen, Bauchspeicheldrüsen, der Uterus und Teile des Dünndarmes funktionieren mittlerweile auch in einem fremden Körper. Gerade gelang es Ärzten im US-amerikanischen Philadelphia, einem achtjährigen Jungen zwei Hände zu transplantieren. Im Alter von zwei Jahren war Zion an einer Blutvergiftung erkrankt. Als Bakterien den Körper überschwemmten und im großen Ausmaß Gewebe absterben ließen, mussten die Ärzte amputieren. Sechs Jahre später fanden sich passende Spenderhände. Vier Ärzteteams operierten elf Stunden lang. Sechs Monate später spürte Zion leichte Berührungen an den Händen, konnte allein essen und mit einem Stift schreiben. „18 Monate nach dem Eingriff ist er in der Lage, alltägliche Verrichtungen auszuführen“, erklären die Ärzte. Der österreichische Polizist Theo Kelz ist mit zwei transplantierten Händen – die eigenen verlor er beim Entschärfen einer Bombe – auf einem Motorrad um die Welt gefahren. Mit den neuen Gliedmaßen hat er nach 5000 Stunden Therapie etwa 80 Prozent der normalen Funktionsfähigkeit erlangt. Sechs Monate nach der Transplantation, als er in einem Restaurant in Innsbruck nach einem Bierglas greift, spürt er zum ersten Mal wieder Kälte an seinen Händen. 

Kelz Fortschritte versetzten sogar die Ärzte in Erstaunen. Zuweilen scheint ihnen der rasche medizinische Fortschritt selbst schwer begreiflich zu sein. Er hat noch ein anderes schwerwiegendes, sogar tödliches Problem mit sich gebracht: Transplantationen können  heutzutage so viele Leben retten, dass die nötigen Organe längst verzweifelt knapp geworden sind. Etwa 12000 todkranke Menschen in Deutschland warten jedes Jahr auf ein passendes Spenderorgan. Jeden Tag sterben drei von ihnen, weil sich keines findet.