20.04.2024

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13.10.17 / So geht es nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

So geht es nicht
Hans Heckel

Mit aufeinander zurasenden Zügen vergleichen Kommentatoren in ganz Europa das Verhalten der spanischen Zentralgewalt in Madrid und von Kataloniens Regionalregierung in Barcelona. Keine Seite ist wirklich kompromissbereit, verbissen verteidigte Maximalforderungen drohen mit voller Wucht gegeneinander zu prallen.

David trägt im Ringen mit Goliath seit alters her die höheren Sympathiewerte davon. Daher fühlen viele Europäer mit jenen Katalanen, die ihren eigenen Staat fordern. Der verstorbene Peter Scholl-Latour hätte ihnen da allerdings wohl widersprochen.

Schon mit Blick auf die Anerkennung eines souveränen Kosovo warnte die Journalisten-Legende: „Ja, wollen wir denn nur noch Fetzen haben in Europa?“ Die Aufteilung unseres Kontinents in immer kleinere Staaten bereitete Scholl-Latour Sorge, weil sie Europa international schwäche.

Juristisch hat Madrid recht. Spanien ist, wie Deutschland, ein Bundesstaat, kein Staatenbund. Dieser Unterschied ist entscheidend: In einem Bun­desstaat liegt die Souveränität über das komplette Staatsgebiet in den Händen des gesamten Staatsvolks. Er funktioniert gleichsam wie die Eigentümergemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus. Jeder Eigentümer besitzt zwar einen bestimmten prozentualen Anteil am „Gemeinschaftseigentum“, etwa dem gemeinsamen Garten. Trotz dieses Eigentumsrechts ist es jedoch keinem Eigentümer gestattet, seinen Anteil am gemeinsamen Garten ohne Zustimmung aller anderen auszugliedern.

So verhält es sich auch in Bundesstaaten. Staatsrechtlich betrachtet sind die Schleswig-Holsteiner wie alle Deutschen ebenso Eigentümer des Elbsandsteingebirges wie die Sachsen, derweil die Sachen das gleiche Recht an der Insel Sylt besitzen wie die Schleswig-Holsteiner. Sollte sich eines der Länder auf eigene Faust aus dem deutschen Bundesstaat lösen, wäre dies also ein Eingriff in die Rechte aller anderen Deutschen und damit unzulässig.

Anders verhielt es sich bei Jugoslawien oder der Sowjetunion. Beide waren verfassungsrechtlich Staatenbünde formal souveräner Staaten. Theoretisch konnte jeder Mitgliedstaat seine Unabhängigkeit erklären. Im Kommunismus war dies praktisch unwirksam. Mit der Demokratisierung aber wurde aus dem formalen Recht ein real durchsetzbares – mit den bekannten Folgen. Das Kosovo indes war bloß eine Autonome Region innerhalb Serbiens, weshalb es formal kein Recht zur Abspaltung besaß.

Diese klare Rechtslage entlässt die Regierung in Madrid nicht aus der Pflicht, den Dialog mit unzufriedenen Bürgern zu suchen, statt nur zu drohen. Mit seiner Sturheit hat Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy maßgeblich zur Eskalation beigetragen. Wohin solche Arroganz der Macht führen kann, sollten sich Europas Politiker genau ansehen – und lernen.