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13.10.17 / Ein Walzer für den Deichgrafen / Mit Theodor Storm auf Tour – Pfiffige »Schimmelreiter«-Lesung des Sängers Stefan Gwildis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

Ein Walzer für den Deichgrafen
Mit Theodor Storm auf Tour – Pfiffige »Schimmelreiter«-Lesung des Sängers Stefan Gwildis
Andreas Guballa

Keiner kommt am „Schimmelreiter“ vorbei, wenn man von Theodor Storm spricht. Die Erzählung vom Deichgrafen Hauke Haien gehört zum festen Repertoire der Mythen und Sagen des Nordens. Und weil die Husumer im September den 200. Geburtstag des aus ihrer Nordseestadt stammenden Autors feierten (die PAZ berichtete), nimmt der Hamburger Sänger Stefan Gwildis das Jubiläum zum Anlass, mit dem „Schimmelreiter“ lesend durch Norddeutschland zu ziehen. 

„Storm ist jemand, der gerade hier im Norden etwas gilt“, sagt Gwildis, „als Norddeutscher und Nordsee-Fan lag die Verbindung zu Storms ,Schimmelreiter‘ nahe und daher war dieses Projekt eine Herzensangelegenheit.“ Wie un­zählige andere Schüler hat auch Gwildis mit einem gewissen Deichgrafen, der auf seinem dem Tode entrissenen Pferd an der herben Küste des deutschen Nordens entlang ritt, gelitten. 

„Schon als Schüler fand ich den Zossen zwar anstrengend, aber auf der anderen Seite hat mich die Figur des Hauke Haien auch interessiert“, erzählt er, „ich habe die Novelle zum ersten Mal in einer Zeit gelesen, als es mit 17 Jahren um die eigene Positionierung im Leben ging. Da spielte Hauke Haien eine ganz wichtige Rolle für mich, weil er so ein Querdenker und seiner Zeit weit voraus ist. Einer, der nicht mit dem Strom schwimmt, sondern sein eigenes Universum hat. Das fand ich cool an dem Burschen. Insofern hat mich die Geschichte bis heute nicht losgelassen.“

Storms karge, kantige Worte sind nicht jedermanns Sache. Trotzdem sind die Produzenten der Lesungsreihe des Hörbuchs „Stefan Gwildis liest Storm“ dicht am Original geblieben und ringen dem Werk gleichzeitig weitere unbekannte Facetten ab. „Wir haben den Kern der Geschichte herausgearbeitet, sodass nur das übrig geblieben ist, was für uns wichtig war: nämlich die Ge­schichte von Hauke Haien. Die ganze schachtelartige Einführung, in der mehrere Erzähler zu Wort kommen, haben wir gestrichen,“ so Gwildis.

Weil der Humor seit über drei Jahrzehnten ein wichtiger Be­standteil von Gwildis’ Bühnenauftritten ist, hat er sich auch bei Storms Werk auf die Suche nach Humor begeben. Und siehe da: Gwildis wurde fündig. Ohne der eher unheimlichen Atmosphäre des Originals zu entsagen, ohne dessen literarischem Anspruch den nötigen Respekt zu versagen, ringt Gwildis der Geschichte durch das nordische Naturell seiner Art zu reden, zu fabulieren und dem Alltag knurrig zu begegnen, komische Facetten ab. 

„Ich glaube, Hauke Haien wäre heute ein Visionär, der sich uneigennützig für die Gesellschaft aufreibt“, erklärt Gwildis, „so wie er damals Land für die Gemeinschaft gewonnen hat. Mit seinen Visionen durch das Studium des Euklid hatte er ein ganz eigenes Ding am Laufen. Das wäre auch mein Rat an die heutige Jugend: Haltet den Ball mal flach, lasst das Handy und den Fernseher aus, legt euch einfach mal auf die Wiese und kratzt euch am Arsch. Dann guckt, was ihr für Ideen habt – das ist interessant.“

Umrahmt wird der Text durch Intermezzi von Tobias Neumann am Klavier und dem Cellisten Hagen Kuhr. Dafür hat Gwildis eigens „Haukes Walzer“ komponiert. „Ich fand die Frage entscheidend, welche Musik den Text unterstützen kann. Es musste etwas sein, das immer wiederkehrt wie Ebbe und Flut und die Jahreszeiten“, erklärt er.

Ein Walzer für eine Schauergeschichte? Es gehe, erläutert Gwildis, um den Rhythmus der Natur, jenen ewigen Rundtanz. Daher musste es ein Walzerthema sein, das diese bildhafte Sprache filmisch untermalt – mal dramatisch, mal romantisch, je nach Stimmung. Hagen Kuhr und Tobias Neumann haben das ge­konnt für Cello und Klavier arrangiert. Dadurch bekommt die Lesung einen sehr konzertanten Charakter.

Lesungen finden jeweils um 19 Uhr statt im Landgasthof zur Post in Wacken (13.10.), im Plöner Schloss (14.10.), im Schleswiger „Heimat – Raum für Unterhaltung“ (15.10.), im Messe-Center Husum (21.10.), im Forum von Norderstedt (26.10.), im Güterbahnhof Kiel (27.10.), im Alten Stahlwerk von Neumünster (10.11.), in der Stadthalle Eckernförde (16.11.) sowie um 20 Uhr im Colosseum Wilster (18.11.). Die CD zur Tour ist bei Fortunator (ISBN: 4893223190513) er­schienen.