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13.10.17 / Tragischer Tod eines grünen Politikerpaares / Vor 25 Jahren wurden die Leichen von Petra Kelly und Gert Bastian in ihrem gemeinsamen Reihenhaus entdeckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

Tragischer Tod eines grünen Politikerpaares
Vor 25 Jahren wurden die Leichen von Petra Kelly und Gert Bastian in ihrem gemeinsamen Reihenhaus entdeckt
Wolfgang Kaufmann

Vor 25 Jahren vermeldeten die Medien nur wenige Tage nach dem Ableben des vormaligen Bundeskanzlers und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt (siehe Nr. 39) den Tod zweier weiterer bekannter Politiker der Bundesrepublik. Diesmal handelte es sich um die Grünen Petra Kelly und Gert Bastian. Mit ihnen verlor die Ökopartei ein charismatisches Duo, in dessen Fußstapfen bis heute niemand zu treten vermochte. 

Die beiden Bewohner des schlichten Reihenhauses in der Swinemünder Straße Nr. 6 im kleinbürgerlichen Bonner Stadtteil Tannenbusch trafen am späten Abend des 30. September 1992 aus Berlin kommend wieder in ihrem Zuhause ein. Danach wurden sie nicht mehr gesichtet – ebenso blieben Telefonanrufe erfolglos. Deshalb alarmierte eine besorgte Verwandte schließlich die Nachbarin Rosemarie Lötters, die sich am 19. Oktober gegen 22 Uhr in Begleitung ihrer Söhne vermittels Zweitschlüssel Zugang zu dem Haus verschaffte. Hierbei stießen die Drei auf die Leichen von Generalmajor a. D. Gert Bastian, einem entschiedenen Gegner des NATO-Doppelbeschlusses zur Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Westeuropa, und seiner Lebensgefährtin Petra Kelly, der überaus prominenten Mitbegründerin der Partei Die Grünen.

Der friedensbewegte Panzersoldat und die fast 25 Jahre jüngere Galionsfigur der Umwelt- und Friedensbewegung bildeten seit 1980 ein Paar, dessen Beziehung nun mit dem erweiterten Suizid Bastians ihr Ende gefunden hatte. Das jedenfalls erklärte Hartmut Otto, der Leiter der Bonner Mordkommission, zwei Tage nach dem Auffinden der Toten. Im Einzelnen ergab die Rekonstruktion der Ereignisse folgenden hypothetischen Ablauf: Aller Wahrscheinlichkeit nach am späten Vormittag des 1. Oktober 1992 begann Bastian mit der täglichen Korrespondenz, brach diese aber plötzlich mitten im Wort ab und ging ins Schlafzimmer. Was der Ex-General dann getan haben soll, schilderte die Staatsanwaltschaft so: „Mit seiner Pistole Derringer, die er seit 1963 besaß, tötete er die im Bett liegende Petra Kelly mit einem aufgesetzten Schuss in die Schläfe. Anschließend nahm er sich selbst mit einem am Scheitel aufgesetzten Kopfschuss das Leben.“ 

Irgendwelche Indizien für die Beteiligung weiterer Personen sah Oberstaatsanwalt Peter Iwand nicht. Deshalb beharren die Ermittlungsbehörden bis heute auf ihrer Version von der Verantwortlichkeit Bastians. Das ist auch durchaus plausibel, wenn man die Verhältnisse vor Ort und die Obduktionsberichte berücksichtigt. Trotzdem aber kursierten schon vor der Bestattung der beiden Grünen-Politiker zahllose Gerüchte, die in den Jahren danach nicht wieder verstummten. So hieß es unter anderem, der sowjetische Geheimdienst KGB oder chinesische Auftragskiller hätten das Paar exekutiert – letzteres wegen dessen Einsatzes für Tibet. Andere „Experten“ wiederum klagten die „Atommafia“ oder „Neonazis“ des Doppelmordes an, ohne dafür jedoch irgendwelche Belege vorweisen zu können. Dahingegen gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Bastian sowohl die Beziehung der beiden als auch ihre politische Karriere als gescheitert ansah, was eine Kurzschlussreaktion nahelegt. Zumal der Gesundheitszustand des 69-Jährigen sehr zu wünschen übrig ließ. Immerhin konnte er sich seit einem Unfall im März 1992 nur noch an Krücken fortbewegen und litt außerdem unter potenziell tödlichen Verengungen der Herzkranzgefäße (Angina pectoris). 

Vor diesem Hintergrund war es für Bastian sicher besonders schwer zu ertragen, wie sehr die Grünen ihn und Kelly ins Abseits gedrängt hatten. Letzteres resultierte nicht nur aus den fortwährenden Flügelkämpfen innerhalb der jungen Partei, die 1990 eine krachende Wahlniederlage erlitt und aus dem Bundestag flog. Vielmehr provozierte das Paar auch durch seine Starallüren wie Forderungen nach Ausnahmen vom Rotationsprinzip bei der Bekleidung politischer Ämter, die in starkem Kontrast zu Kellys sonst so rigorosem Moralismus standen. Infolgedessen verweigerte die Partei ihrer Mitbegründerin 1991 die Gefolgschaft, als diese erneut für das Amt der Bundesvorstandssprecherin kandidierte.

Wenig rosig sah darüber hinaus die finanzielle Situation der beiden aus, deren politisches Wirken viel Geld verschlang, während die Einnahmen zuletzt nur noch tröpfelten. Dazu kamen die Vorwürfe, Bastian habe für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet, die bis heute ungeklärt im Raum stehen. Die Oberstleutnante des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Manfred Müller und Manfred Lasczk von der Hauptverwaltung Aufklärung haben zu Protokoll gegeben, dass Bastian genau wie die Organisation „Generäle für den Frieden“, zu deren Gründungsmitgliedern er zählte, von der Stasi gesteuert, mit Reden versorgt und finanziert worden sei. Aufgrund der MfS-Aktenvernichtung ist eine zweifelsfreie Verifizierung anhand eindeutiger dokumentarischer Belege nicht möglich.

Andererseits dürfte das größte Problem Bastians aber wohl Petra Kelly gewesen sein. Die suchte seit ihrem siebenten Lebensjahr und der elterlichen Trennung nach einer starken, fürsorglichen Vaterfigur. Deshalb band sie sich privat immer wieder an deutlich ältere Männer: Sicco Mansholt, Präsident der Europäischen Kommission und 39 Jahre älter, John Carroll, irischer Gewerkschaftsführer und 20 Jahre älter, sowie dann eben Bastian. Diese quasi kindliche Abhängigkeit ging ab 1983 mit Panikattacken, Phobien und Verfolgungs- beziehungsweise Verlassensängsten einher, die Kelly im Alltag enorm einschränkten und Bastian physisch wie psychisch auslaugten. Deshalb könnte sein Sohn Till durchaus richtig liegen, wenn er meint, der gesundheitlich schwer angeschlagene Ex-Soldat habe – vielleicht angesichts plötzlich auftretender Herzinfarkt-Vorzeichen während der Schreibtischarbeit am 1. Oktober 1992 – Kelly in einem spontanen Akt von „gewalttätiger Fürsorge“ getötet, weil sie nach Bastians Ableben völlig hilflos gewesen wäre. 

Auf jeden Fall warfen die Be­gleit­umstände des Sterbens der beiden Spitzen-Grünen ein bezeichnendes Licht auf die Partei, die doch erklärtermaßen angetreten war, „Politik menschlicher zu gestalten“. Zumindest gegenüber den eigenen Leuten galt dieses hehre Prinzip offenkundig nicht. Der Wunsch, die Partei von dem Vorwurf zu entlasten, Bastian in Verzweiflung und Selbstmord getrieben zu haben, die Erkenntniss, wie sehr der einsame, tragische Tod von Kelly und Bastian dem Image ihrer „realpolitisch“ agierenden Weggefährten schadete, erklärt auch den Hang zu wilden Verschwörungstheorien, wie sie unter anderem vom früheren Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen, Lukas Beckmann, geäußert wurden.