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13.10.17 / Wie die Tiere / Pilze haben mit der Tierwelt mehr gemeinsam als mit Pflanzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-17 vom 13. Oktober 2017

Wie die Tiere
Pilze haben mit der Tierwelt mehr gemeinsam als mit Pflanzen
Silvia Friedrich

Die Pilzsaison ist in vollem Gange. Wer sich jetzt zum Sammeln in den Wald be­gibt, wird den Korb rasch füllen. 2,2 bis 3,8 Millionen Pilzarten gibt es weltweit, stellte ein Forschungsteam aus Berlin und London fest. Somit bilden Pilze das zweitgrößte Organismenreich nach den Tieren. Sie übertreffen die Vielfalt der Pflanzen um das Sechs- bis Zehnfache. Die Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern des Botanischen Gartens und Botanischen Mu­seums der Freien Universität Berlin, des Londoner Royal Botanic Gardens von Kew und des National History Museums wurden in der ak­tuellen Ausgabe des Fachmagazins „Mi­crobiology Spectrum“ veröffentlicht.

Bis jetzt bekannt und er­forscht sind erst 120000 Pilzarten. Es ist also eine große Aufgabe für die Forscher, die weiteren zwei bis drei Millionen Pilzspezies noch zu entdecken und zu katalogisieren. Pro Jahr werden nur etwa 1500 neue Pilzarten aufgelistet und beschrieben. Unzählige Spezialisten wären nötig, die ganze Vielfalt zu erfassen. Ein Problem ist jedoch auch, dass durch Lebensraumzerstörung viele Arten aussterben, bevor sie entdeckt werden. 

Wie jedoch kommen Forscher auf diese Zahlen? Für die aktuellen Schätzungen verbanden die Wissenschaftler drei Schätzmethoden miteinander. Es wurden neueste Forschungsdaten ausgewertet, die auf der sogenannten DNA-Sequenziermethode beruhten, also der Bestimmung der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül. Durch eine Methode zur Artenbestimmung wurden bei be­kannten Pilzarten wie dem Fliegenpilz oder dem Pfifferling zehn bislang unbekannte Pilzarten entdeckt. Somit ergibt sich, dass die bisher bekannten 120000 Pilzarten etwa 1,2 Millionen Arten entsprechen könnten. 

Des Weiteren analysierten die Forscher Umweltproben des Bo­dens und des Wassers und vermuten hier weltweit mindestens eine Million weiterer noch unbekannter Pilzarten. Schließlich zeigten Studien an ausgewählten Orten, dass pro Pflanzenart durchschnittlich etwa 9,8 Pilzarten vorkommen. Hochgerechnet ergibt das bei weltweit 390000 bekannten Pflanzenarten ein Ergebnis von 3,8 Millionen Pilzarten.

Besonders interessant ist, dass Pilze in allen Ökosystemen vorkommen, auch im Meer. Das Pilzreich umfasst die Flechten genauso wie die Backhefe oder den Fliegenpilz. Und für viele noch unbekannt: Sie sind nach heutigem Wissensstand näher mit den Tieren verwandt als mit den Pflanzen. Bis in das 20. Jahrhundert hinein zählte man sie zum Pflanzenreich. Man muss wohl davon ausgehen, dass es sich, nach Flora und Fauna, um eine dritte Lebensform handelt. 

Pilze vereinen Merkmale von Tieren, aber auch von Pflanzen. Sie betreiben keine Photosynthese, ernähren sich von organischen Substanzen. Sie bilden keine pflanzentypische Stärke, sondern das bei Tieren typische Polysaccharid Glykogen. Pilze zersetzen totes organisches Material und sind somit von unschätzbarer Bedeutung im Nährstoffkreislauf.

Häufig leben Pilze in Symbiose mit Bäumen oder Orchideen sowie auch Flechten. Nicht zu vergessen ist ihre zentrale Bedeutung als Grundlage für Lebensmittel wie Brot, Käse, alkoholische Getränke oder Medikamente wie Penicillin.