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20.10.17 / Der Tiergarten verwahrlost / »Rechtsfreie Zone« entstanden: Wilde Obdachlosen-Lager verunsichern Bürger und Politik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Der Tiergarten verwahrlost
»Rechtsfreie Zone« entstanden: Wilde Obdachlosen-Lager verunsichern Bürger und Politik
Hans Lody

Der berühmte Berliner Tiergarten im Zentrum der deutschen Hauptstadt entwickelt sich zunehmend zu einer „No Go Area“. Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), spricht in diesem Zusammenhang von „aggressiven Obdachlosen, Drogenhändlern und Kleinkriminellen“. Er fordert Polizeikontrollen, mehr Geld für Personal für sein Ordnungsamt und nimmt das „böse Wort“ Abschiebung in den Mund. Im Tiergarten sei eine „rechtsfreie Zone“ entstanden: „Diese Menschen haben hier kein Bleiberecht. Berlin muss sich ehrlich machen und die Abschiebung ernsthaft prüfen.“

Dabei beschreibt er die Angelegenheit unvollständig. Die meisten Obdachlosen sind Zigeuner aus Bulgarien und Rumänien. Sie haben sich nach dem Beitritt ihrer Länder zur EU auf den Weg nach Deutschland gemacht. 

Auf Dassels Äußerungen hagelte es Kritik. Innensenator Andreas Geisel (SPD) meint: „Soziale Probleme kann man nicht ausweisen, man muss sie lösen. Mit rein repressiven Maßnahmen wird dies nicht gelingen.“ Die Innenverwaltung strebt eine ressortübergreifende Lösung mit den Bezirken, der Sozial- und Gesundheitsverwaltung an.

Auch Julian Zado, stellvertretender Kreisvorsitzender der SPD Berlin-Mitte, schießt gegen Dassel: „Das sind populistische Töne, die eher rassistische Ressentiments am rechten Rand schüren. Das ist kein Beitrag zur Lösung.“ Dassels Parteifreund Fatos Topaç – Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses: „Ich verstehe die Not der Bezirke, aber abschieben ist keine Antwort.“ Die Fried­richshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sorgt sich wegen der Vorgänge ebenfalls um aufkommenden Rassismus. 

In Neukölln plagen Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ähnliche Probleme. Sie lässt die wilden Lager der Obdachlosen wegen illegalen Campings vom Ordnungsamt räumen und überredet sie nach einer Beratung für eine freiwillige Heimreise, mit dem Bus auf Kosten des Bezirks in ihre Länder zu­rück­zukehren. 

Fraglich bleibt, ob solche Maßnahmen auch langfristig zum Ziel führen. Rechtsanwalt Volker Gerloff erklärt offenherzig: Wenn jemand nicht erwerbstätig sei und seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könne, könne er zwar ausgewiesen werden. Allerdings müsste die Ausländerbehörde zunächst alle Daten ermitteln, eine Anhörung durchführen, einen Bescheid zustellen. „Das alles dauert mindestens ein Jahr. Dann könnten die Leute dagegen klagen – oder nach einer Abschiebung einfach wiederkommen.“

Angeheizt wird die Debatte um die Zustände im Tiergarten durch den Mord an einer 60-Jährigen vor einem Monat. Zumal es sich bei der Getöteten um eine prominente Person handelt: Susanne F., Kastellanin des Schlosses Glienicke und der Pfaueninsel, wurde Anfang September auf dem abendlichen Nachhauseweg von der Gaststätte Schleusenkrug erwürgt. 

Den mutmaßlichen Täter, einen 18-jährigen Tschetschenen, konnte die polnische Polizei mittlerweile in einem Warschauer Vorort verhaften. Laut letzten Meldungen soll der Flüchtige an die deutschen Behörden überstellt werden. Der Verdächtige war entdeckt worden, weil er das Mobiltelefon von Susanne F. nach deren Tod eingeschaltet hatte.