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20.10.17 / Ganz großer Bahnhof / Saudi-Arabien und Russland bemühten sich beim Staatsbesuch um ein weitgehendes Einvernehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Ganz großer Bahnhof
Saudi-Arabien und Russland bemühten sich beim Staatsbesuch um ein weitgehendes Einvernehmen
Florian Stumfall

Saudi-Arabien stellt seit vielen Jahren einen großen, mächtigen einflussreichen und geostrategisch wichtigen Verbündeten der USA im Nahen Osten dar. Das Land stützt sich auf seine in der moslemischen Welt singuläre Rolle als Hüter der heiligen Stätten und ergänzt diese Machtstellung durch seinen märchenhaften Reichtum. Sollte sich dieses Saudi-Arabien dem Einfluss der USA auch nur ein wenig entziehen, dann sähe von Ostafrika bis Mittelasien die Welt anders aus.

Im State Department in Wa­shington mag man sich solche und ähnliche Gedanken gemacht haben, als Anfang dieses Monats der saudische König Salman ibn Abd-Aziz Al Saud der russischen Hauptstadt Moskau einen hochoffiziellen Besuch abgestattet hat. Der König war mit einer 1500-köpfigen Entourage angereist, schließlich weiß man, was man sich schuldig ist. Doch trotz des pompösen Auftritts war der König gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zwar nicht in der Position eines Bittstellers, doch besaß im Vergleich mit seinem Gastgeber die schlechteren Karten.

Mittelbar ist die diplomatische Gefechtslage der beiden Länder, die in jüngerer Zeit Schwierigkeiten miteinander hatten, gekennzeichnet durch die Entwicklung in Syrien. Dort haben die Armee des Präsidenten Baschar al-Assad und die russische Luftwaffe den Islamischen Staat, die jetzt „Dschabhat Fatah asch-Scham“ heißende frühere al-Nusra-Front und was es sonst noch an Terroristen oder Söldnern geben mag, bis auf ein Zehntel des Landes vertrieben. Dieser Erfolg bedeutet gleichzeitig eine Niederlage für alle, welche die Extremisten unterstützt hatten, und dazu gehört neben den USA eben auch Saudi-Arabien.

Wer die strategische Lage in Nahost unvoreingenommen betrachtet, wird feststellen müssen, dass der Plan des Westens und der Golfstaaten, in Syrien dem Präsidenten Assad ein Schicksal wie im Irak dem Präsidenten Saddam Hussein oder in Libyen dem Obersten Muammar al-Gaddafi zu bereiten, mit größter Wahrscheinlichkeit jetzt schon gescheitert ist. Gleichzeitig schwindet der Einfluss der USA im Nahen und Mittleren Osten unübersehbar. Wer immer mit dem Spielstein Syrien Weltpolitik treiben will, muss weiterhin mit Assad und natürlich auch mit Russland rechnen. König Salman hat das eingesehen, und das ist der Hintergrund seiner Reise nach Moskau.

Deutlichster Ausdruck der Neuorientierung Saudi-Arabiens Russland gegenüber ist die in Moskau vereinbarte Zusammenarbeit im militärischen Bereich. Sollten zunächst noch in Washington Zweifel an der grundsätzlichen Bedeutung des Besuchs geherrscht haben, so dürfte es jetzt damit vorbei sein. Zwischen den Russen und den Saudis wurde unter anderem vereinbart, in Saudi-Arabien eine Lizenzfertigung von Kalaschnikow-Sturmgewehren einzurichten.

Der Großteil der 14 Dokumente, die Putin und König Salman unterzeichneten, bezieht sich freilich auf zivile wirtschaftliche Projekte. Die Araber wollen in mehr als 25 Vorhaben in Russland investieren. Dabei geht es um Produktion, Landwirtschaft, Immobilien, Infrastruktur sowie Öl- und Gas-Industrie. Der russische Minister für Industrie und Handel Denis Manturow und der saudische Energieminister Khalid al-Falih vereinbarten einen gemeinsamen Energiefonds der beiden Länder, der vom Russian Direct Investment Fund und dem saudischen Staatsfonds Public Investment gebildet werden soll. Dieser Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde US-Dollar annehmen.

Überhaupt bildet der Energiesektor den wichtigsten und umfangreichsten Teil der Moskauer Beschlüsse. Die Saudis sprechen von „beispiellosen Deals“. Dazu gehört auch das Engagement der Araber sowohl beim russischen Öl-Service-Unternehmen Eurasia Drilling Company als auch in ein Projekt des Gaskonzerns Novatek, bei dem es um den Bau einer Anlage zur Verflüssigung von Gas geht.

Nicht nur beim Waffenhandel oder auf dem Energiesektor hat eine internationale Zusammenarbeit eine weitreichendere Bedeutung als nur die rein wirtschaftliche. Auf russischer Seite wurde darauf hingewiesen: „Die Saudi-Araber versuchen mit uns die Wirtschaftsverbindungen zu verbessern, weil sie meinen, dass dies bei der Lösung der Probleme helfen wird, die mit der Politik in der Region verbunden sind“, so Grigori Kossatsch, Orientalist und politischer Berater.

Die Saudis zeigten das Bemühen, zu Russland ein Verhältnis herzustellen, das demjenigen zu China gleichkomme. Dieses sei „im Bereich Wirtschaft ausgezeichnet“, trotz politischer Kontroversen. Nach der Auffassung der Russen haben, was die Politik in Nahost angeht, die Saudis zwei vordringliche Anliegen an Mos­kau: dass sich Russland nicht in den Krieg im Jemen einmischt und in der Frage der Katar-Krise seine Neutralität bewahrt. Von Syrien war in diesem Zusammenhang keine Rede mehr – dort scheint Russlands Stellung mittlerweile unangefochten, jedenfalls von Seiten der Saudis.

„Bislang waren Saudi-Arabien und Russland zwei regionale Mächte, die im Clinch miteinander lagen“, bilanzierte Juri Barmin, ein ranghohes Mitglied des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, das Ergebnis der arabischen Visite in Moskau. „Das beeinflusste das russische Ansehen im Nahen Osten ungünstig. Die letzten Ereignisse, als Saudi-Arabien versuchte, eine neue Herangehensweise an Russland zu finden, spielen eine vorteilhafte Rolle, weil sie uns helfen, im Nahen Osten das Image einer globalen Macht zu gewinnen, welche die USA ersetzt, obwohl diese bemüht waren, ihrerseits ihre Präsenz in der Region auszubauen.“ Der saudische Außenminister Adel ad-Dschubeir bestätigte das indirekt: Die Beziehungen seines Landes zu Russland seien unabhängig von Washington und seinem Verhältnis zu Moskau.