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20.10.17 / Sprachenstreit in Kamerun / Anglophone wehren sich gegen Dominanz der Frankophonen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Sprachenstreit in Kamerun
Anglophone wehren sich gegen Dominanz der Frankophonen

In Kamerun hat es nach Angaben von Menschenrechtsgruppen etwa 100 Tote bei gewaltsamen Auseinandersetzungen um die separatistische englischsprachige Provinz Ambazonien im Westen des Landes gegeben. Der englischsprachige Teil Kameruns im Westen des Landes um die Hauptstadt der Region Nordwest, Bamenda, will sich vom Rest des Landes trennen, weil seines Erachtens seine Minderheitenrechte nicht anerkannt werden. Die Separatisten hatten anlässlich des Tages der Unabhängigkeit von Großbritannien zu einem „Tag der Volksmobilisierung“ eingeladen, bei dem Bürger gegen die Regierung in Yaoundé und die Diskriminierung der englischen Sprache und des angelsächsischen Rechts (Common Law) protestieren wollten. Viele englischsprachige Bürger des Landes fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Den etwa ein Fünftel der Bevölkerung ausmachenden anglophonen Bevölkerungsteil Kameruns geht der Einfluss der französischen Sprache und des französisch geprägten Rechts im offiziell zweisprachigen Kamerun zu weit.

Die Krise geht auf das Jahr 1918 zurück, als das deutsche Schutzgebiet Kamerun von englischen, französischen und belgischen Truppen besetzt worden war. 1919 wurde das Gebiet unter den angrenzenden französischen und englischen Kolonien aufgeteilt. Zu dem englischsprachigen Teil kamen die Provinzen Johann-Albrechts-Höhe und Bamenda, beide nach Orten benannt, die unter deutscher Verwaltung gegründet worden waren. Der französischsprachige Teil wurde 1960 unabhängig, 1961 folgte der Südteil des englischsprachigen Teils, der Nordteil hatte sich in einem Referendum für den Anschluss an das bereits unabhängige Nigeria ausgesprochen. Während das französische Kolonialsystem wie das Mutterland zentralistisch und auf Assimilation ausgelegt war und alle lokalen Sprachen und Kulturen bekämpfte wurden, war das englische Kolonialsystem indirekt und bezog einheimische Führer und einheimische Sprachen in das Kolonialsystem ein. Deswegen konnten im englischen Teil Kameruns die deutsche Sprache und die Traditionen, die aus der deutschen Kolonialzeit stammten, wesentlich länger überleben als im französischen Teil. Seit der Unabhängigkeit bilden die französischen Kameruner die Elite und ziehen die Fäden in allen Bereichen.

Kameruns Zentralregierung hatte den „Tag der Volksmobilisierung“ im anglophonen Teil des Landes als Art Unabhängigkeitserklärung aufgefasst und dementsprechend hart militärisch reagiert, von daher gab es die vielen Toten. Die Zentralregierung unter dem seit 1982 regierenden 84-jährigen Präsidenten Paul Biya hat jede Form von Unabhängigkeit oder Autonomie der Region ausgeschlossen. Sogar eine Rückkehr zum föderalen System, das in Kamerun von 1961 bis 1984 existiert hatte, hat er abgelehnt. Zwischen 1961 und 1984 hieß die heutige Republik Kamerun „Vereinigte Republik Kamerun“ mit zwei gleichberechtigten Landesteilen. Bereits 1990 hatte sich eine Unabhängigkeitsbewegung Ambazonien gegründet, die für eine Unabhängigkeit der beiden englischsprachigen Provinzen kämpft. Lange blieb diese Bewegung im Exil oder im Untergrund. Erst als im November letzten Jahres die Regierung auch in den anglophonen Provinzen einen verpflichtenden Französischunterricht einführen wollte, begannen Lehrer und Rechtsanwälte mit einem Aufstand, der jetzt immer weitere Kreise zieht. B.B.