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20.10.17 / Streit um Glyphosat / Weitere Zulassung in der EU hängt von den Mitgliedstaaten ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Streit um Glyphosat
Weitere Zulassung in der EU hängt von den Mitgliedstaaten ab
Dagmar Jestrzemski

Gegen Jahresende sollen die EU-Mitgliedstaaten entscheiden, ob das umstrittene Totalherbizid Glyphosat in der Europäischen Union weiter zugelassen bleibt. Pflanzenschutzmittel, die als Hauptkomponente den Wirkstoff Glyphosat enthalten, werden weltweit am häufigsten zur Unkrautbekämpfung eingesetzt, davon in der Landwirtschaft auf 134 Millionen Hektar, die mit herbizidresistenten Pflanzen wie Soja, Mais, Baumwolle oder Raps bestellt werden. 

2015 hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ und „möglicherweise erbgutschädigend“ eingestuft. Hingegen halten die Europäische Chemikalienagentur, die Europäische Lebensmittelbehörde sowie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Chemikalie für unbedenklich. Darauf beruft sich die EU-Kommission und schlägt den Mitgliedsstaaten eine Lizenzverlängerung für weitere zehn Jahre vor. 

In der EU herrscht in dieser Hinsicht Uneinigkeit. Der französische Premierminister Édouard Philippe hat angekündigt, dass Frankreich den Gebrauch von Glyphosat im Alleingang vorerst bis 2022 verbieten wird. Auch Österreich, Italien und Luxemburg haben Einwände. Wie die künftige Bundesregierung sich in dieser Frage positionieren wird, ist noch völlig offen. Bisher hat sich Kanzlerin Angela Merkel nie gegen die Bauernlobby gestellt, welche die Interessen der industriellen Landwirtschaft vertritt. Bei einem Treffen von Vertretern der 28 EU-Staaten und der EU-Kommission in Brüssel am 5. Ok­tober wurde keine Annäherung in der Causa Glyphosat erreicht. 

Indessen gibt es neue, ernstzunehmende Vorwürfe des Plagiatsprüfers Stefan Weber gegen das Bundesinstitut für Risikobewertung. In seinem Gutachten erhebt er den Vorwurf, das BfR habe in seiner Bewertung von Glyphosat ganze Textpassagen aus dem Antrag des Herstellers Monsanto übernommen. Dem Agrarkonzern wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, Einfluss auf Studien zur Toxizität des Herbizids genommen zu haben, um ein Verbot zu verhindern. 

Das Pflanzengift ist allgegenwärtig in der Umwelt. Rückstände der Chemikalie wurden unter anderem in Bier, Obst, Gemüse, Brötchen, Nudeln, Speiseeis sowie Trinkwasser und Tierfutter nachgewiesen. Für Bier lagen die 2016 ermittelten Konzentrationen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm (Millionstel Gramm) pro Liter. In Deutschland gilt für die Aufnahme von Glyphosat ein Grenzwert von 0,3 Milligramm, in der EU von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Wie viel Glyphosat ein Mensch in Deutschland täglich mit Nahrung und Trinkwasser aufnimmt, hat noch niemand untersucht. 

Auf einer Pressekonferenz vorletzten Dienstag in Brüssel forderten britische und französische Wissenschaftler eine Revision der Grenzwerte. In Versuchen sei festgestellt worden, dass auch Glyphosatwerte, die zehnmal unter den festgestellten Konzentrationen lagen, bei regelmäßigem Verzehr ernste Leber- und Nierenerkrankungen auslösten. In den USA wird Monsanto derweil von Krebspatienten sowie Tausenden Farmern auf Schadensersatz verklagt.