27.04.2024

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20.10.17 / Pure Heuchelei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Pure Heuchelei
Andreas Beck

Was wäre, wenn ein namhaftes Zeitungsorgan oder ein überregionaler Fernsehsender die Nachricht brächte, dass es innerhalb der Reihen der italienischen Mafia Kriminalität gebe? Aufregung, Betroffenheit und Empörung? Überraschung und tiefe Enttäuschung? Keineswegs – der Leser oder Zuschauer würde sagen, das war mir schon bekannt, das ist nichts Neues, das gehört zur Mafia wie welkes Laub zum Herbst.

Ganz anders, wenn einem der Oberbosse in Hollywood vorgeworfen wird, er habe sich Damen gegenüber, mit denen er rein beruflich zu tun hatte, auch auf der mehr privaten Ebene empfohlen, so, wie es nun dem Produzenten Harvey Weinstein geschehen ist. Nicht nur Hollywood ist aus dem Häuschen, nein, die ganze USA und mit ihr in treuer Gefolgschaft auch die europäischen Verbündeten. Hunderte von Journalisten zeigen sich in ihrer moralischen Haltung beleidigt, und wir dürfen uns in der sicheren Annahme wiegen, dass es sich ausschließlich um treue Ehemänner handelt. Und diese Empörung reicht hinauf in die Sphäre höherer Menschlichkeit, so zu dem Ehepaar Clinton, dem Leitstern des US-amerikanischen Familienbildes. Sie müssen auch noch die Schmach tragen, von Weinstein Geld erhalten zu haben – welch Verrat am unschuldigen Vertrauen!

Doch zurück in die Niederungen der Normalität. Hier aber steht fest: Weinstein verfügt ohne jeden Zweifel über einige Komponenten, die einen Kotzbrocken ausmachen. Was aber die Empörung angeht, die über ihn hereingebrochen ist, so stellt diese nichts anderes dar als ein Musterbeispiel hemmungsloser Heuchelei. Da wollen doch tatsächlich herausragende Exponenten des libertären, dekadenten und schamlosen US-Filmbetriebs den Eindruck erwecken, sie seien von der Nachricht, Weinstein habe die Besetzungs-Couch ein wenig überstrapaziert, in der Tat überrascht. 

Um jedes Missverständnis zu vermeiden: Einer Frau Gewalt und Unrecht anzutun, ist überall abscheulich, auch dort, wo sich solche Fälle häufen. Aber wenn die Umgebung eines gestürzten Film-Magnaten sich derart lauthals über dessen widerliche Gewohnheiten aufregt, so reinigt sie damit alle anderen von ähnlichen Vorwürfen. Weinstein wird dargestellt als die große, in keinen Rahmen passende und völlig untypische Ausnahme eines Betriebs, in dem ansonsten Treu und Glaube sowie strenge Sittlichkeit und feine Manieren herrschen.

Ein Gutteil der Medien, hier ebenso wie in den USA, hat sich an das Privileg gewöhnt, der Öffentlichkeit ungestraft und in einer gewissen Regelmäßigkeit Dinge zu präsentieren, die zur Wahrheit, sagen wir, in einem ähnlichen Verhältnis stehen wie Weinstein und seinesgleichen zum sechsten Gebot. Aber eine schmutzige Geschichte aus Hollywood so zu präsentieren, als trügen außer dem jetzt Angeklagten alle anderen ein reines, engelsgleiches Gefieder, das ist ein Stück, das für sich ganz alleine schon widerlich ist, wenn es auch unter ein anderes Gebot fällt, das ebenfalls in Vergessenheit geraten ist.