26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.10.17 / Liebe im polnischen Vernichtungslager / Ein polnischer Spielfilm thematisiert die »Oberschlesische Tragödie«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Liebe im polnischen Vernichtungslager
Ein polnischer Spielfilm thematisiert die »Oberschlesische Tragödie«
Chris W. Wagner

Unter dem Begriff „Oberschlesische Tragödie“ versteht man in Oberschlesien die schicksalhaften Ereignisse, welche die regionale Bevölkerung nach 1945 unter den neuen Machthabern zu erdulden hatte. Dieser regional eingeführte Begriff soll nun auch landesweit Beachtung finden. Während Vertreibungen die unzweifelhaft bürgerliche deutsche Bevölkerung in großer Mehrheit betrafen, waren von Internierungen, Verschleppungen, Deportationen und anderen Gewaltakten vielfach auch Menschen betroffen, die sich – nicht untypisch in dieser Region – national schwer kategorisieren ließen oder die sogar zu Polen neigten.

Einen Aspekt der Tragödie, nämlich dem des polnischen Lagers Zgoda (Eintrachthütte) in Schwientochlowitz (Swietochlowice) widmet sich ein polnischer Kinofilm. Am 2. Oktober hatte „Zgoda“ (Eintracht) in Kattowitz Vorpremiere, der offizielle Kinostart folgte am 13. Oktober.

Der Film handelt von der neuen polnisch-kommunistischen Verwaltung, die im ehemaligen Eintrachthütter Außenlager von Auschwitz-Birkenau ein Internierungslager für Oberschlesier einrichtet. Der polnische Sicherheitsdienst will die Region von angeblichen Verrätern säubern, egal ob man damit nun bekennende Deutsche oder auch Antikommunisten egal welcher nationalen Option meint. Der Oberschlesier Franek meldet sich zum Lagerdienst, um so seine Geliebte Anna zu retten. Im Lager wird sein Freund Erwin, ein deutscher Oberschlesier, festgehalten, der ebenfalls in Anna verliebt ist. Franek schließt sich den Kommunisten an, er hofft, dass er so das „System“ überlisten kann. Bald schon wird ihm klar, dass er für die Freiheit seiner Anna alles opfern muss.

Der Film wurde für den Wettbewerb des diesjährigen 42. Festivals des Polnischen Spielfilms im westpreußischen Gdingen nominiert, das Ende September stattfand. „Zgoda“, über den im Vorfeld des wichtigsten polnischen Filmfestivals kaum berichtet wurde, bekam auch „nur“ eine Auszeichnung in der Kategorie „beste Kostüme“. Das Regiedebüt von Maciej Sobieszczanski erntete jedoch weltweit Anerkennung, denn „Zgoda“ wurde mit dem ersten Preis für Regie beim 41. Internationalen Filmfestival von Montreal ausgezeichnet.

„’Zgoda’ ist mein Manifest gegen Krieg und Grausamkeit. Es ist ein Film über die Machtlosigkeit der Liebe gegenüber dem Bösen“, so der Regisseur gegenüber der Zeitung „Dziennik Zachodni“ nach der Kattowitzer Vorpremiere. Die Drehbuchvorlage für den Kinofilm war das Buch „Zgoda – ein Ort des Schreckens“ von Gerhard Gruschka, einem deutschen Oberschlesier, der als 14-jähriger für zehn Monate im Lager Zgoda durch die Hölle ging. „Als ich dem weit über 80-jährigen Mann, der als 14-Jähriger in Zgoda saß, die Frage stellte, warum er ins Lager kam, weinte er. Man hat diesem Menschen alles genommen, man nahm ihm seine Würde und hat ihm diese nie zurückgegeben. Die Kommunisten haben von den Häftlingen, als sie das Lager schlossen, eine schriftliche Verpflichtung unter Strafandrohung verlangt, nie über die Geschehnisse zu sprechen. Diese Schweigen hielt 70 Jahre und wir brechen es nun“, so Sobieszczanski gegenüber Radio Kattowitz.

220 solcher Lager gab es 1945 innerhalb Polens neuen Machtbereichs. Darüber sprachen die Filmemacher während einer Pressekonferenz in Gdingen als auch bei der Vorpremiere in Kattowitz. Hier konnten Filmkritiker, Journalisten und Zuschauer erfahren, wie die jungen Darsteller sich dem Thema, über das keiner von ihnen zuvor etwas gehört hatte, näherten und auch über die Schwierigkeiten des Produzenten, an Gelder für einen Film heranzukommen, der „nicht sein darf“. Der Film wurde in nur 22 Tagen gedreht, die Lagerszenen entstanden im in einem Kuhstall bei Warschau und einige in der Hindenburger Guidogrube. „Uns fehlte das Geld, um das Lager so nachzubauen, wir es war“, sagte Filmproduzent Zbigniew Domagalski. So gab es anstelle des stromgeladenen Doppelzauns am Set nur einen Stacheldrahtzaun. „Die relativ ansprechenden Pritschenreihen mit Decken sind ebenfalls Fiktion“, so der in der Bundesrepublik lebende Gerhard Gruschka. Er kennt bislang nur den Trailer, doch die darin gezeigten Gewaltszenen wirkten nachhaltig auf ihn. Gruschka schrieb einen Brief an den Regisseur, den dieser bei der Vorpremiere verlas. „Es ist ja Tatsache, dass es sich um ein schwieriges Thema handelt, dessen filmische Darstellung einen gewissen Mut erfordert. Umso größer ist meine Hochachtung vor Ihnen und allen, die am Film ‚Zgoda‘ mitgewirkt haben, und auch mein Dank an Sie, den ich als Vertreter der ehemaligen Häftlinge des Lagers Zgoda auch für diese aussprechen darf“, so der Überlende.

„Der Film ist kein Dokument. Wir gehen eher der Frage nach, was bringt einen Menschen dazu, böse zu werden. Der Film zeigt nicht oberschlesische Geschichte allein, er erzählt von der menschlichen Tragödie und das ist die gigantische Stärke dieses Streifens. Das politische Element kann hier jeder für sich selbst interpretieren“, betont Julian SSwiezewski, einer der Hauptdarsteller.