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20.10.17 / Stationen ostpreußischer Geschichte / Thorner Friede, Tannenbergschlacht, Königsberg von seiner unbekannten Seite – fesselnde Themen bot das Geschichtsseminar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Stationen ostpreußischer Geschichte
Thorner Friede, Tannenbergschlacht, Königsberg von seiner unbekannten Seite – fesselnde Themen bot das Geschichtsseminar
Andreas Galenski

Wie vielfältig die Aspekte der ostpreußischen Geschichte sein können, zeigte das umfangreiche Programm des Geschichtsseminars der Landsmannschaft vom 22. bis 24. September in Helmstedt. Für die Teilnehmer, die aus verschiedenen Regionen der Bundesrepublik angereist waren, begann das Seminar am Freitagabend mit einem Spaziergang auf den Spuren deutscher Vergangenheit im heutigen Königsberg. Der Bildvortrag von Jörn Pekrul zeichnete sich durch großes Wissen über die Stadt am Pregel und die Umgebung aus. Die stimmungsvollen Aufnahmen, die alle von Pekrul auf seinen unzähligen Königsberg-Reisen gemacht worden sind, zeigten ein Bild der Stadt wie es den meisten Touristen verborgen bleibt.

Nach diesem Vortrag begaben sich die Seminarteilnehmer eine Etage tiefer in die Bierklause, um die Versorgung an geistigen Getränken für den Rest des Wochen-endes zu prüfen. Bei einem guten Bier lernten sich die Geschichtsinteressierten näher kennen.

Der Sonnabend begann mit einem Vortrag von Professor Klaus Neitmann, dem Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs. Er referierte über den wohl berühmtesten und folgereichsten Friedensvertrag des 

15. Jahrhunderts. Sein Thema: „Der II. Thorner Friede von 1466 im Rahmen der Landfriedensvereinbarungen und Friedensschlüsse des Deutschen Ordens in Preußen mit seinen Nachbarmächten im 15. Jahrhundert“. Die Teilnehmer konnten sehr gut den Ausführungen des Referenten folgen, und waren erstaunt über das fortschrittliche Vertragsrecht jener Zeit. Insbesondere bei der Oblivionsklausel (Verpflichtung zum Vergessen) und der Restitutio in integrum (Wiedereinsetzung in den vorherigen Besitzstand) gab es bei den Zuhörern viele Zwischenfragen und Bemerkungen. Eine wichtige Rolle spielte in der damaligen Zeit auch die Sicherung und Bewahrung des Vertrages, die durch die Eidesleistung aller Stände garantiert wurde.

Marco Wachtel, wissenschaftlicher Projektmitarbeiter beim Kulturzentrum Ostpreußen in bayerischen Ellingen, war der jüngste Referent an diesem informativen Wochenende. Er sprach über die Schwierigkeiten, aber auch Freuden bei der Erarbeitung der Ausstellung „Albrecht von Brandenburg-Ansbach und die Reformation im Preußenland“. Anschließend befasste sich der Kurator mit dem Leben und Wirken des am 17. Mai 1490 in Ansbach geborenen Markgrafen Albrecht, der als 21-Jähriger vom Deutschen Orden zum 37. Hochmeister gewählt wurde.

1522 wurde Albrecht während der Religionskämpfe von Andreas Osiander aus Gunzenhausen für die Gedanken der Reformation gewonnen. Nach Kämpfen mit den polnischen Nachbarn huldigte er im April 1525 in Krakau seinem Onkel, dem polnischen König Sigismund I. und erhielt als erbliches Lehen den Ordensstaat. Er befolgte den Rat von Martin Luther, den Deutschordensstaat in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln und dort die Reformation einzuführen. Albrecht unterstützte den neuen Glauben durch die Einführung einer neuen Kirchenordnung und die Förderung zahlreicher auch fremdsprachiger Publikationen. Ganz besonders vorangebracht hat Albrecht das Schulwesen: In den Städten legte er Lateinschulen an, gründete 1540 das Gymnasium in Königsberg und 1544 die Albertus-Universität Königsberg.

Von Herzog Albrecht stammt auch der Text der ersten drei Strophen des Kirchenliedes „Was mein Gott will, gescheh allzeit“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 364). Er legte zudem den Grundstock zur königlichen Bibliothek, deren 20 prächtigste Bände er für seine zweite Gattin, Anna Maria von Braunschweig, in reinem Silber beschlagen ließ; daher der Name Silberbibliothek.

Der Nachmittag begann mit dem Vortrag von Burkhardt Göres, dem früheren Direktor der Schlösser der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, zum Thema „Das Bernsteinzimmer – seine Entstehung in Brandenburg-Preußen und sein Schicksal“. Der Kunsthistoriker mit dem Spezialgebiet Möbel stellte den Werdegang des Bernsteinkabinetts von der Idee über die Umstände der Schenkung bis zu seiner Zerstörung und den Arbeiten bei dessen Nachbau dar.

Im Jahr 2000 ist Göres unfreiwillig in der Öffentlichkeit bekannt geworden: Damals identifizierte er eine in Bremen von Privathand angebotene Kommode mit Florentiner Mosaik als Bestandteil des verschollenen Bernsteinzimmers und nahm an der spektakulären Polizeiaktion der Potsdamer Polizei zur Bergung der Kommode teil. Das Möbelstück befindet sich nun an seinem ursprünglichen Platz im rekonstruierten Bernsteinzimmer im Katharinenpalast in Zarskoje Selo, der ehemaligen Sommerresidenz des Zaren bei Sankt Petersburg.

Bei dem nächsten Vortrag sollte es sich um die virtuelle Rekonstruktion der versunkenen Königsberger Bibliothekslandschaft handeln. Krankheitsbedingt sagte der Referent am Vortag ab. Nun war Sebastian Husen, Bundesgeschäftsführer der Landsmannschaft und Seminarleiter, gefordert und schaffte Abhilfe. Das Zeitfenster für diesen Vortrag übernahm Markus Krämer, der über die Entwicklung der deutsch-polnischen Grenze von 1772 bis 1919 referierte. Seine Ausführungen waren keineswegs Lückenfüller oder gar zweite Wahl, mit fundiertem Wissen und guter Vortragstechnik stieß er auf lebhaftes Interesse bei den Zuhörern. Er ging auch detailliert auf Fragen der Teilnehmer zum „polnischen Westgedanken“ im 19. Jahrhundert mit dem Einbezug der ethnischen Säuberungen und der Expansionsziele der radikalen Nationalisten unter Józef Pilsudski und Roman Dmowski ein.

Mit dem polnischen Korridor gab es auch skurrile Entscheidungen der Polen wie den vollständigen Abbau der Weichselbrücke auf der Strecke Marienwerder-Neuhöfen in den Jahren 1927 bis 1929, Teile davon wurden 1934 weichselaufwärts bei Thorn für die Pilsudski-Brücke verwendet.

Am Samstagabend des Geschichtsseminars wird traditionell ein Film gezeigt. Diesmal war es ein Streifen mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen, die meist von Frontsoldaten bei Heimaturlaub und Fronteinsatz gemacht worden sind. Der Inhalt des Films bot reichlich Gesprächsstoff, Erinnerungen an Kindheit und Familienschicksale wurden wach, die familiäre Atmosphäre der Runde bot eine Plattform für generationsübergreifenden Gedankenaustausch.

Der Sonntag begann mit einem Vortrag von Brigadegeneral a.D. Wolfgang Brüschke und hatte die Verteidigung Ostpreußens im Ersten Weltkrieg zum Thema. 

Die Schlacht bei Tannenberg, die Schlacht an den Masurischen Seen und die Winterschlacht in Masuren wurden aus militärischer Sicht vorgestellt. Die hervorragende visuelle Darstellung der Truppenbewegungen machte dieses komplexe Thema für alle Zuhörer sehr verständlich.

Brüschke stellte die Konfliktparteien sowie deren Stärken und Schwächen vor. Die zahlenmäßig überlegenen, jedoch schlecht ausgerüsteten Russen besaßen auf allen Ebenen eine wenig begabte Führung. Ein gutes Funknetz auf der russischen Seite brachte auch keine strategischen Vorteile, denn die Deutschen hörten die Funksprüche ab.

Bei der Aufklärung – die Kenntnis über Truppenbewegungen war überaus wichtig – setzten Oberbefehlshaber von Hindenburg und Generalsstabchef Ludendorff auf ihre Flugzeugflotte. Durch eine hoch bewegliche Operationsführung gingen die drei Schlachten zugunsten der Deutschen aus. Erwähnt werden muss an dieser Stelle die hohe Marschleistung der Feldgrauen und der unermüdliche Einsatz der ostpreußischen Eisenbahner. Der Einfall der Russen in Ostpreußen brachte auch viel Leid über die Zivilbevölkerung: Von den 2,5 Millionen Einwohnern waren ein Drittel auf der Flucht, es gab viele Tote, Verschleppte, Zerstörungen, Leid und Elend. Der Wiederaufbau galt erst 1926 als abgeschlossen. 

Den letzten Vortrag hielt Dr. Bettina Bouresh. Sie sprach über die Geschichte des Schlosses Steinort, dem Stammsitz derer von Lehndorff. Es war Anfang des 16. Jahrhunderts, als die Familie von Lehndorff, die in der Gegend von Königsberg ansässig war, mit einem großen Stück Land belehnt wurde. Dieses Stück Land hieß „Steinorter Wildnis“. Viele angrenzende Orte gehörten hierzu. Im Laufe der Zeit gab es viele Baumaßnahmen an dem Familiensitz, die letzte war die grundlegende Sanierung unter der Leitung eines erfahrenen Restaurators der Königlichen Schlösser in Berlin in den 1930er Jahren. Das Haus war bis zum Einzug der Roten Armee im Januar 1945 in tadellosem Zustand.

Heute bietet das Schloss ein erbärmliches Bild. Für den Wiederaufbau fehlen ein Nutzungskonzept und ein finanzstarker Investor. Purer Idealismus, auch wenn er reichlich vorhanden ist, wird das Haus, ein Kulturdenkmal in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, nicht wieder auferstehen lassen.

Das Seminar erlaubte den Teilnehmern einen Zugang in verschiedene Betrachtungsweisen der ostpreußischen Vergangenheit. Der Erfolg dieser Veranstaltung lag an der guten Organisation, den hervorragenden Dozenten, dem gut ausgestatteten Helmstedter Bildungszentrum und der Bereitschaft der Teilnehmer, sich auf neue Themen einzulassen. Das nächste Seminar findet vom 14. bis 16. September 2018 wieder in Helmstedt statt.