20.04.2024

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20.10.17 / Hamburgs Speicherstadt in Wort und Bild

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Hamburgs Speicherstadt in Wort und Bild
Britta Heitmann

Im Hamburger Hafen boomt die städtebauliche Entwick­lung. Die Elbphilharmonie ist in aller Munde, und die moderne Architektur im neuen Stadtteil Hafen-City wird kontrovers diskutiert. Aber auch die ehrwürdige Hamburger Speicherstadt, der weltgrößte historische Lagerhauskomplex, galt beim Bau vor 140 Jahren als absolute Novität. Michael Batz erzählt anhand von historischen Fotos, vielen Hintergrund-Informationen und anschaulichen Anekdoten die spannende Geschichte der denkmalgeschützten Speicherstadt.

Damit das heutige Weltkultur­erbe gebaut werden konnte, musste erst einmal ein Stadtteil abgerissen und mussten über 17000 Bewohner unfreiwillig umgesiedelt werden, denn der neue Freihafen sollte für die hanseatischen Kaufleute fußläufig und börsennah erreichbar sein. 

Es entstanden moderne Lagerhäuser zwischen den Fleeten, wo die Waren sowohl wasser- als auch landseitig auf unterschiedliche Etagen per Seilwinde verfrachtet wurden und so steuerfrei im „Zollausland“ eingelagert werden konnten. Es gab eine hochmoderne hydraulische und elektrische Zentralstation, sodass die Speicherstadt im hellen Licht erstrahlte, während im restlichen Hamburg noch Gasbeleuchtung flackerte. Die Flächen waren von Anfang an sehr begehrt, und viele Berufsgruppen und namhafte Firmen, die zum Teil bis heute aktiv sind, siedelten sich an. Eine Fülle unterschiedlichster Waren wurde hier eingelagert oder weiter verarbeitet, wie Kaffee, Tee, Kakao, Wein, Kaviar, exklusive Bekleidung und Teppiche, kostbare Perlmuttknöpfe, hochwertige Instrumente, aber auch Schweinedärme und sogar Waffen. Die Vermietung der Speicher erfolgte nach Branchen, und so wurde der Sandtorquai zu Europas größtem Kaffeemarkt. 

Die Kaffeeverarbeitung war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und verschaffte vielen Frauen Arbeit, die im Akkord Kaffeebohnen sortierten. Die Quartiersleute waren für die gesamte Warenabwicklung zuständig, von der Kontrolle bei der Warenannahme und Qualitätsbeurteilung, Bearbeitung und Lagerung bis zum Weitertransport. Jede Tätigkeit in der Speicherstadt unterstand der Aufsicht des Freihafenamtes und nach außen hin kontrollierten Zöllner die Zollgrenzen, aber nichtsdestotrotz wurde ständig geschmuggelt, sodass auch die Zollfahndung ständig aktiv war.

Batz beschreibt das bunte Leben in dieser eingezäunten Welt, in der besondere Gesetze und Regeln galten. Er ließ sich von den Spuren auf und in den Speicherböden inspirieren, zeugen sie doch von der bewegten Vergangenheit und der vielfältigen Nutzung. Dabei geht er vielen persönlichen Geschichten nach und lässt die Akteure aus der Vergangenheit lebendig werden. Er schildert detailliert das Leben in der Speicherstadt, die Arbeitsabläufe und zeigt durch Anekdoten den Umgang der Menschen miteinander. 

Dadurch entsteht ein sehr plastisches Bild von der damaligen Zeit, denn er beschreibt ohne Sozialromantik die tatsächlichen Arbeits- und Lebensbedingungen in der Speicherstadt. Im historischen Ablauf berichtet er von den Auswirkungen aufgrund zweier Weltkriege, der Enteignung jüdischer Kaufleute in den 30er Jahren und dem Wiederaufbau; außerdem in jüngerer Zeit über die Speicherstadt als Spekulationsobjekt, die Aufhebung des Freihafenstatus sowie die Öffnung für neue Nutzungsarten im Bereich Kunst, Kultur und Illumination. 

Das Buch lebt durch die abwechslungsreiche Bebilderung mit über 300 zeitgenössischen Fotos, Auszügen aus Dokumenten, Karten und Werbeblättern. In den Interviews kommen auch heutige Kaffee-, Tee- und Teppichhändler zu Wort. Die historischen Informationen sind gut recherchiert und abwechslungsreich geschrieben. 

Batz führt den Leser tief in den Mikrokosmos Speicherstadt, haucht den alten Zeiten Leben ein, aber schildert auch intensiv den Übergang bis in die heutige Zeit. Ein sehr lesens- und betrachtungswertes Buch

Michael Batz: „Speicherstadt Story. Geschichten von Menschen und Handel“, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2017, Hardcover, 288 Seiten, 29,95 Euro