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20.10.17 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / In den Orkus / Wer Angst hat vor der schwarzen Frau, wie Kubicki Forderungen vortäuscht, und warum wir von Österreich gar nichts lernen müssen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
In den Orkus / Wer Angst hat vor der schwarzen Frau, wie Kubicki Forderungen vortäuscht, und warum wir von Österreich gar nichts lernen müssen

So rasch hatten wir das gar nicht erwartet. Bekannt ist: Jede Partei, die mit Merkel koaliert, fährt gegen die Wand. 2009 erlitten die Sozis den Aufprall, 2013 hat es die Liberalen zerschmettert und 2017 war wieder die SPD dran. So weit, so tragisch für etliche im jeweiligen Knall zerstobene Politikerkarrieren. Erinnern Sie sich noch an Philipp Rösler? 

Eben. Aber immerhin musste der glücklose FDP-Chef erst einmal vier Jahre als Merkels Minister auftreten, ehe ihn das schwarze Ungetüm verschlang und seine Partei 2013 aus dem Bundestag flog.

Heute scheint das alles viel schneller zu laufen. FDP und Grüne haben noch nicht einmal mit den Sondierungen zu einem Bündnis mit der CDU-Chefin begonnen, da kriegen sie in Niedersachsen schon eins auf die Nuss. Kein gutes Omen für das Schick­sal, das die beiden Parteien im Jamaika-Bündnis erwartet.

Die Freidemokraten haben aus dem Desaster von 2013 wenigstens eines gelernt: Nie wieder wollen sie erleben, dass die schwarze Vertilgerin alle gelben Wahlversprechen einfach ins Klo spült und die FDP damit wie einen armseligen Trottel aussehen lässt. Daher stellt die FDP jetzt gezielt Forderungen, die gar keine sind, um sie besser erfüllt zu bekommen.

Wolfgang Kubicki drischt im Frühstücksfernsehen „gelbe Linien“ in den Flugsand, über welche die FDP niemals verhandeln werde. Niemals! Als da wären die Abschaffung des Soli und der Erlass eines Einwanderungsgesetzes. 

Schneidig, was? Zumindest solange man ausklammert, dass den Soli eigentlich alle auslaufen lassen wollen. Die Frage ist bloß, wann das geschehen soll. Darüber wird dann zu verhandeln sein. Ähnlich verhält es sich beim Einwanderungsgesetz. Grüne und Schwarze sind sich im Grundsatz einig, dass sie auch so was haben wollen. Nur wie es aussehen soll, da schauen wir mal.

Mit anderen Worten: Kubicki zieht unverhandelbare Linien, die sowieso niemand überschreiten will. Allerdings will Kubicki nicht, dass mit dem Einwanderungsgesetz bloß ein weiteres Einfallstor für alles und jeden geschaffen wird, also auch für noch mehr orientalische Analphabeten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum je Fuß fassen werden. Genau dafür aber schwärmen die Grünen und wünschen sich nichts dringender als „legale Zugangswege“ für Einwanderer aus Armutsregionen. Ob das je zusammengeht? Wir werden sehen. 

Einen faulen Kompromiss hat Kubicki jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen, weshalb seine „gelben Linien“ zunächst niemanden stören müssen. Umso bemerkenswerter ist es daher, wie es der Holsteiner (der eigentlich aus Braunschweig stammt) schafft, eine dermaßen dünne Soße derart dick aufzutragen, dass eine windelweiche Selbstverständlichkeit rüberkommt wie ein knallhartes Ultimatum.

Allerdings hat das liberale Nordlicht beim Einwanderungsgesetz auch weniger die Grünen als Stolperstein im Blick als vielmehr die CSU, bei der es infolge der Österreich-Wahl noch hektischer zugeht. Die Angst vor einem weiteren Bündnis mit Merkel, welche eigentlich die FDP befallen müsste, diese Angst scheint nun die Christsozialen erfasst zu haben.

Ja, sogar in der CDU beschleicht einige Aktive ein ungutes Gefühl beim Gedanken an weitere vier Jahre unter jener Chefin, welche die Partei seit nunmehr 17 und die Regierung seit zwölf Jahren führt. Wo werden sie nach zusätzlichen vier Jahren stehen? 

Die Verunsicherung über diese Frage ist in der CDU mit Händen zu greifen. Manchen scheint sie gar schlaflose Nächte zu bereiten. Nur eine rührt das alles nicht im Geringsten: Merkel selbst.

Ihr scheint das Schicksal ihrer Partei erfrischend schnuppe zu sein, wie wir schon am Abend des 15. Oktober beobachten durften. Die Union hatte nur drei Wochen nach der Bundestagswahl eine weitere herbe Schlappe erlitten. Die Mitglieder waren zutiefst niedergeschlagen, Funktionäre reagierten ratlos, derweil Scharen von „Experten“ nach den Ursachen für den zweiten Bauchklatscher in so kurzer Zeit forschten.

Doch wo war Merkel? Verschwunden, abgetaucht, unsichtbar. Sie ließ ihre Partei an jenem Abend ganz allein mit dem Debakel, keine tröstenden Worte für die vielen enttäuschten Parteisoldaten, keine ermutigende Rede an die verbliebene Anhängerschaft, nichts. An Muttis kalter Schulter froren sie einsam im Wind.

Eigentlich ist das nichts Neues: Merkel war schon immer möglichst weit weg, wenn es etwas Schmerzliches zu verkünden galt. Die Leute sollten ihren Namen und ihr Gesicht möglichst nicht mit Niederlagen assoziieren. Da mussten andere vor. 

Diesmal aber hatte die Szenerie etwas Besonderes, weil sogar in der CDU bereits über das Ende der Ära Merkel getuschelt wird. Da erscheint ihr kühles Nichterscheinen am Abend des 15. Ok­tober wie die Aussicht auf den Tag ihres Abgangs. So, wie es an dem Abend aussah, dürfte ihr Abschied von der Spitze der CDU mit der „Herzlichkeit“ einer Schneekönigin über die Bühne gehen.

In Hans-Christian Andersens Märchen betäubt die kalte Monarchin den arglosen Kay mit ihrem eisigen Kuss, der den Jungen fast umbringt und ihn fortan Sachen machen lässt, auf die er selber nie gekommen wäre. Doch durch den Kuss in Trance versetzt, merkt er das gar nicht, bis ihn, ganz blau gefroren und beinahe tot, Nachbarstochter Gerda befreit.

Also geht die Sache, wie im Märchen üblich, gut aus. Für die CDU wird es weniger märchenhaft enden, wenn die kalte Chefin mit ihr fertig ist. Wenn wir auf das Schicksal blicken, welches SPD und FDP im Bund mit Merkel erlitten haben, muss uns gar um das gesamte deutsche Parteiensystem bange werden. Ob das in vier Jahren noch steht? Oder bleibt nur Wüste übrig? Dann winken uns italienische Verhältnisse, wo seit der Implosion der klassischen Nachkriegsparteien ein Gewimmel sprunghafter „Bewegungen“ und gelegentlicher „Experten-Regierungen“ das politische Geschehen beherrscht. 

Selbst wenn sich eine gereifte AfD bis dahin stabilisiert haben mag, könnte Deutschland ein ähnliches Durcheinander erwarten für die Zeit, nachdem unsere Kanzlerin alle gewachsenen Strukturen in den Orkus koaliert hat. Das wird sicherlich rasend spannend und überaus unterhaltsam. Doch der Spaß vergeht einem irgendwann, sagen zumindest die Italiener. 

Aber ruhig Blut, soweit sind wir ja noch nicht. Etablierte Politik und Medien dürfen einstweilen  weiterhin so tun, als sei gar nichts los, als bildeten sich nur Hetzer und Idioten ein, dass irgendetwas gewaltig schiefläuft in der Republik und der 24. September nur das Vorbeben war für das, was kommen wird.

Aus diesem Grunde unterscheiden sich Österreich und Deutschland, die sonst so viel gemeinsam haben, in einem Punkt erheblich: In Wien sprechen die Politiker von den berechtigten Sorgen der Bürger, die man ernstnehmen und auf die man seine Politik einstellen müsse. 

In Berlin weiß man dagegen bloß von den diffusen Ängsten der Abgehängten, die auf keinen Fall abstrahlen dürfen auf die Politik des bunten, weltoffenen Deutschland. Es so zu machen wie die Österreicher hieße ja, auf die „Rechtspopulisten“ zuzugehen. Das böse Wort sprechen wir dabei am liebsten aus wie Claus Kleber: „Rrrrächtspopulisten“, mit einem besonders langen „r“. Dann hat es so was Hitlerisches und wir fragen uns, warum der Moderator dabei nicht zwei Finger an die Oberlippe legt.

Nach der Österreich-Wahl ergoss sich der politisch korrekte Schwall wieder besonders üppig aus den deutschen Staatssendern. Wir sind neugierig, wie lange diese Droge noch wirkt. Und vor allem, was geschieht, wenn die Wirkung nachlässt und die Deutschen zu sich kommen.