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27.10.17 / Konservative wittern Morgenluft / In der CDU ist die Debatte um die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzende entbrannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-17 vom 27. Oktober 2017

Konservative wittern Morgenluft
In der CDU ist die Debatte um die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzende entbrannt
Peter Entinger

In der CDU wachsen die Vorbehalte gegen die Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Offen aussprechen möchte das kaum jemand, aber die Nachfolge-Debatte hat begonnen.

Vier Wochen nach dem schwachen Abschneiden bei der Bundestagswahl ist ein mehr oder weniger lautes Rumoren in den Gremien der CDU kaum noch zu überhören. Doch nach dem alten Mikado-Motto „Wer sich zu früh bewegt, verliert“, traut sich von den potenziellen Kandidaten, die auf die Vorsitzende Angela Merkel folgen könnten, niemand wirklich aus der Deckung. Das übernimmt bisher die zweite Garde. „Es wäre wichtig, dass jetzt hier neue Impulse gesetzt werden, vor allen Dingen damit die Partei jetzt nicht mehr aus dem Kanzleramt regiert wird“, sagte der Vorsitzende der Unionsvereinigung Freiheitlich-konservativer Aufbruch, Alexander Mitsch, in der Radiosendung „SWR Aktuell“. „In der CDU gibt es in der sogenannten zweiten Reihe jede Menge gute Leute, die in der Lage wären, den Parteivorsitz zu übernehmen“, sagte Mitsch, der als Nachfolger Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Staatssekretär Jens Spahn oder den Mittelstandspolitiker Carsten Linnemann ins Gespräch brachte.

So deutliche Stimmen sind in der CDU bisher die absolute Ausnahme. Merkels Führungsanspruch als Kanzlerin stellt niemand in Frage, mittlerweile geht man innerhalb der Partei auch davon aus, dass Merkel die gesamte Legislaturperiode durchziehen wird. Offen ist eher, wie in Berlin spekuliert wird, ob sie sogar 2021 für eine fünfte Amtszeit kandidiert. Bei allen Varianten ist jedoch die spannende Frage, ob es ihr gelingt, was noch keinem Kanzler vor ihr geglückt ist: einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zur Regierungshalbzeit aufzubauen und freiwillig, ohne Druck, einen parteiinternen Putsch oder eine Abwahl den Rückzug aus der Politik zu schaffen. Hinter verschlossenen Türen gibt es allerdings deutlich vernehmbare Signale, dass der Widerstand gegen Merkels Doppelrolle als Kanzlerin und Parteivorsitzende wächst. Ihr „Weiter so“ nach der Bundestagswahl habe der Union geschadet und die krachende Niederlage in Niedersachsen verursacht. Merkel könne den Vorsitz freiwillig an einen jüngeren Politiker abgeben, der dann an ihrer Seite Zeit hätte, ein Profil aufzubauen. Merkels enge Vertraute kommen dafür wohl weniger in Frage. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier nähert sich dem Rentenalter und steht kaum für einen glaubhaften Neuanfang. Gleiches gilt für den bisherigen Innenminister Thomas de Maizière.

Hört man in die Gremien hinein, fällt immer wieder der Name Jens Spahn. Der 37-jährige Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium gilt als extrem ehrgeizig und auffallend gut vernetzt. Merkel hat ihm allerdings eine Zeit lang vorgeworfen, dass er in einer Kampfabstimmung um einen CDU-Präsidiumsposten gegen den von ihr favorisierten Gesundheitsminister Hermann Gröhe angetreten war – und gewann. Schäuble, der designierte Bundestagspräsident, lobt den „Rebellen“ jedenfalls auffällig häufig. „Der hat sich mit Mut in einer Kampfkandidatur gegen Gröhe im Präsidium durchgesetzt. Das gefällt mir immer. Wir brauchen solche Leute“, sagte Schäuble. Wenn es davon „ein paar mehr“ in der CDU gäbe: „umso besser.“

In Talkshows und Interviews habe sich Spahn als kritischer, wertebewusster Kommentator gesellschaftlicher Fehlentwicklungen bei den Themen Islam in Deutschland oder Integration von Flüchtlingen angeboten, lobte unlängst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Das Blatt spekulierte, Merkel könne versuchen, die rheinland-pfälzische Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner in ihr künftiges Kabinett zu berufen, um sie als Gegenspielerin Spahns um den Parteivorsitz in Stellung zu bringen. Doch innerhalb der Partei gilt die ehemalige Weinkönigin spätestens seit ihrer Niederlage bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr als extrem angeschlagen. Einen Wahlsieg auf ihrer Seite hat die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die 55-Jährige gilt als eine der engsten Vertrauten der Kanzlerin. Doch die heimatverbundene Saarländerin hat einen Wechsel nach Berlin kürzlich ausgeschlossen und sich damit wohl auch aus der Debatte um den Parteivorsitz vorzeitig verabschiedet. 

In dieser Diskussion fällt neuerdings der Name Paul Ziemiak auffallend häufig. Der Chef der Nachwuchsorganisation Junge Union ist gerade erst 32 Jahre alt und damit ein Jahr älter als der künftige Bundeskanzler Österreichs, Sebastian Kurz, den er als „meinen Freund“ bezeichnet. In Interviews gibt sich Ziemiak staatsmännisch: „Ich finde nicht, dass wir in erster Linie über die Bundeskanzlerin sprechen müssen. Aber wir müssen uns breiter aufstellen, auch mit jüngeren Köpfen in Regierung, Fraktion und Partei“, sagt er ausweichend. Merkels Stellvertreter im Parteivorsitz, der Hesse Bouffier, spricht ebenfalls eher vage von der Zukunft: „Wir haben eine Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin, die in aller Welt anerkannt wird. Angela Merkel ist keine Vorsitzende auf Abruf. Und was wir irgendwann mal machen, steht jetzt nicht zur Debatte. Die CDU sollte bestrebt sein, dass ein Wechsel nicht irgendwie passiert, sondern dass sich die Partei optimal aufstellt. Aber diese Frage stellt sich jetzt nicht.“ Wann sie sich stellt, sagt er nicht.





Kommentar: Ist Spahn wirklich der Richtige?

In der Diskussion um eine mögliche Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin wird an erster Stelle zumeist Jens Spahn genannt. Ihm traut man am ehesten zu, die CDU wieder auf konservativen Kurs zu bringen. Keine Frage, was er sagt, trifft auf den Punkt. Und sein Mut, sich gegen die Übermutter der Union zu stellen, verdient Respekt. Aber wer Konservativismus propagiert, muss ihn auch leben, um glaubwürdig zu sein. Spahn scheint nach seiner Vita und seiner Lebensweise jedoch alles andere als geeignet zu sein, überzeugend für einen konservativen Aufbruch der Union zu stehen. Würde man ihn zu dessen Galionsfigur machen, wäre das so, als mache man den Inhaber einer maroden Chemiefabrik zum Vorsitzenden einer Umweltschutzpartei. Aufrichtige Konservative können sich von ihm nicht vertreten fühlen.

Sein größtes Manko ist, dass er vom „richtigen Leben“ keine Ahnung hat. Er hat zwar eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert, ist aber schon ein Jahr danach in die Politik gewechselt. In den Augen dessen, der „immer strebend sich bemüht“ (Goethe) im harten Arbeitsleben bestehen muss, hat er als Berufspolitiker von reiferer Jugend an praktisch nie richtig gearbeitet, nichts geleistet, nichts geschaffen.

Auch hinsichtlich der konservativen Tugenden Fleiß und Strebsamkeit kann er kein Vorbild sein. Für ein wenig anspruchsvolles Politikstudium an der Fernuniversität Hagen hat er sagenhafte 14 Jahre gebraucht. Üblich sind bei diesem berufsbegleitenden Studiengang weniger als halb so viele.

Wer konservativ sein will, muss sich zur Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft des Landes bekennen, für die gesellschaftliche Anerkennung der Bundeswehrsoldaten und ihres Dienstes eintreten. Wie will Spahn das überzeugend tun? Ausweislich seines Lebenslaufes hat er, obwohl wehrpflichtig, keinen Wehr- und noch nicht einmal Ersatzdienst geleistet. Den für einen Konservativen ehrenvollen Dienst für Staat und Gesellschaft hat er anderen überlassen.

Auch in Sachen konservatives Familienbild kann Spahn nicht mitreden. „Kinder statt Inder“ hat die CDU vor Jahren im Wahlkampf plakatiert und damit die Konservativen angesprochen. Spahn ist homosexuell, lebt mit einem Mann zusammen und ist sozusagen ein bevölkerungspolitischer Blindgänger. Mit diesem „Familienbild“ wird der Verfechter der „Ehe für alle“ und des Adoptionsrechts für Homosexuelle konservative Parteimitglieder und Wähler eher nicht begeistern können.

Wenig mit konservativen Tugenden wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in Einklang zu bringen ist seine lukrative Betätigung als Pharmalobbyist, während er gleichzeitig Mitglied des Bundestags-Gesundheitsausschusses war. Das gilt ebenso für seine – auch noch mit Steuermitteln geförderte! – finanzielle Beteiligung an einem Unternehmen, das Steuer-Software entwickelt und wegen dubioser Praktiken ins Visier der Finanzverwaltung geraten ist. Für die Regulierung eben dieser Branche zuständig: Finanzstaatssekretär Jens Spahn.

Nicht jeder, der Wahrheiten offen ausspricht und Missstände in der CDU anprangert, ist deshalb auch der richtige, die Partei wieder dahin zu führen, wo sie einst stand und große Wahlerfolge erzielen konnte. Zweifel daran, dass Spahn zum Hoffnungsträger der Konservativen in der CDU taugt, sind angebracht. Denn das, was er ist und was er macht, ist alles andere als konservativ.Jan Heitmann