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27.10.17 / Abgeordnete ohne Gestaltungsmacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-17 vom 27. Oktober 2017

Abgeordnete ohne Gestaltungsmacht
Walter Schmidt-Glaeser

Es ist kein neues Phänomen. Schon die Republikaner, die DSU und erst recht die NPD mussten damit zurechtkommen: Rechte Parteien, auch nichtextremistische, werden von den installierten politischen Parteien dezidiert bekämpft und ihnen ohne Wenn und Aber jeglicher demokratische Charakter abgesprochen, obgleich keinerlei Zweifel darüber bestehen kann, dass auch rechte, nicht nur linke Politik (jeweils bis zum Extremismus), zu einer „normalen“ Demokratie gehört. Diese Staats- und Regierungsform ist offen und pluralistisch angelegt, nicht eng und einseitig. Das macht ihre Freiheitlichkeit aus.

Nach dem Auftreten der AfD und ihren zunehmenden Erfolgen bei den Europa- und bei Landtagswahlen, schließlich sogar bei der Bundestagswahl 2017, verschärfen sich die Angriffe und werden zunehmend kompromissloser. Inzwischen vermerken auch distanzierte Beobachter, dass der Ekelfaktor den Umgang mit der AfD prägt. Diese Beobachtung konnte man auch schon bei Parteibesprechungen nach Landtagswahlen beobachten, aber die Abneigung wird – nach wie vor bedingungslos unterstützt durch den jeweiligen Fernsehmoderator – zunehmend übermächtig und der jeweilige AfD-Vertreter zu einer Art „Ausgestoßenem“.

Nun fragt man sich freilich, wem denn eigentlich diese Ausgrenzung gelten soll. Geht es wirklich um den AfD-Abgeordneten oder in Wahrheit um die Bürger, die diesen Kandidaten wählten und dadurch zum Abgeordneten legitimierten. Ekeln sich diese Parteiführer also vor dem Souverän? Eine erstaunliche Folgerung, die nichts anderes bedeuten würde als die De­savouierung der existenziellen Grundnorm jeglicher Demokratie, dem Verfassungsgebot nämlich, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. 

Diesem Verwurf möchte man sich natürlich nicht aussetzen und beruft sich auf die hässlichen Verführungskünste der AfD-Kandidaten (beispielsweise durch Angst), die ihr die Wähler zutreiben würden. Damit wird aber nur ein weiterer elementarer demokratischer Grundsatz verletzt, nämlich die der Volkssouveränität notwendig zugrunde liegende Annahme einer Fähigkeit der Bürger, als Wähler „richtig“ zu entscheiden. Das Argument mit den Verführungskünsten läuft also darauf hinaus, dass man den Wähler für demokratisch inkompetent ansieht, weil er unselbstständig und manipulierbar ist. Wenn es gelänge, diese Einstellung zum Wähler durchzusetzen, dann droht die totale Herrschaft der jeweiligen, durch die Medien willfährig unterstützten Meinungsführer.

Das wäre der Anfang einer Auflösung der parlamentarischen Demokratie. Früher waren es meist radikale Parteien des linken und rechten Randes, welche die Menschen nicht für mündig, sondern für erziehungsbedürftig erachteten. Heute herrscht diese Einstellung bei den Trägern des Mainstreams.

Verheerend ist der letzte, durchaus konsequente Schritt, der sogenannte „Schweriner Weg“, nämlich die Ausschaltung der AfD-Abgeordneten durch die Ablehnung aller Anträge ihrer Fraktion und einzelner ihrer Mitglieder durch die anderen Parteien ohne jegliche Diskussion und ohne Berücksichtigung ihres Inhalts. Einem Teil des Souveräns wird damit seine ihm zustehende Gestaltungsmacht im Parlament entzogen. Die Wahl der betroffenen Abgeordneten wird damit zur Makulatur.

Man mag über die AfD denken, wie man will. Jedenfalls sollte unbestritten sein, dass es keine Partei wert ist, ihretwegen die Demokratie zu ruinieren. Hält man die AfD wirklich für so brandgefährlich, dass sie unsere freiheitliche Ordnung zerstören könnte, dann muss gegen sie das Verbotsverfahren geführt werden. Darüber aber entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht und entscheiden nicht irgendwelche Politiker oder Parteien. Meint man es aber nicht so ernst und geht es den anderen Parteien doch mehr um den Verlust von Marktanteilen, dann sind derartige Machenschaften zur Ausschaltung politischer Konkurrenten verwerflich. Äußerst beunruhigend ist es im Übrigen, dass diese  offenkundigen Verfassungsbrüche auch in der (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit kaum diskutiert werden.

Der Autor ist emeritierter Rechtsprofessor mit dem Arbeitsschwerpunkt Öffentliches Recht und CSU-Mitglied. Von 1994 bis zu dessen Auflösung 1996 war er Präsident des Bayerischen Senats, der neben dem Landtag zweiten Kammer der Volksvertretung.