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27.10.17 / Kein Ende der »Schickeria« / So klingt Elvis auf Bayerisch – Die Münchener Band Spider Murphy Gang feiert ihr 40-jähriges Bestehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-17 vom 27. Oktober 2017

Kein Ende der »Schickeria«
So klingt Elvis auf Bayerisch – Die Münchener Band Spider Murphy Gang feiert ihr 40-jähriges Bestehen
Markus Bauer

„Mir san a bayerische Band.“ Diese Zeile kennt fast jede Generation in Bayern und darüber hinaus. Die Rede ist von der Spider Murphy Gang, die dieses Jahr auf 40 Jahre Bandgeschichte zurück­blickt. Ihr „Skandal im Sperrbezirk“ und „Schickeria“ sind zu Dauerhits geworden. Am 28. und 29. Oktober bilden die Konzerte in der Münchener Olympiahalle den Höhepunkt des Jubiläums.

Die Bandhistorie begann aber früher. Günther Sigl, nach seiner Jugend und den Berufsjahren als Bankangestellter in Karlsruhe und seit 1967 in München, hängte 1971 den Beruf an den Nagel, um sich ganz der Musik zu widmen. Bei der Bildung einer neuen Band kamen der aus Kulmbach stammende Schlagzeuger Franz Trojan und als Gitarrist der Fernmeldetechniker Gerhard Gmell dazu, der von Jugend auf den Spitznamen „Barney“ hat. Zusammen mit Fritz Haberstumpf bildeten die drei die Band „Stummick“. Als Repertoire kristallisierte sich wegen der vielen Auftritte in US-Clubs der Rock ’n’ Roll heraus.

Mitte 1977 verließ Haberstumpf die Gruppe, im Sommer übten sie zu dritt, bis Barney von dem Pianisten Michael Busse erzählte. Bei einem Besuch bei Busse waren die beiden Gitarristen hin und weg von dessen Piano-Spiel – und verpflichteten ihn für ihre Band. 

Als nächstes stand die Erarbeitung eines Rock ’n’ Roll-Programms an – und ein neuer Bandname. Dieser – Spider Murphy Gang – ist einem Textabschnitt aus Elvis Presleys „Jailhouse Rock“ entlehnt.

Die Münchener Musikszene zu erobern, war allerdings nicht leicht. Doch dann fiel dem Clubbetreiber des „Memoland“, Memo Rhein, im Fasching 1978 kurzfristig eine Band aus, sodass er die Spider Murphy Gang engagierte. Da die Band gut ankam, wurde das Engagement verlängert. 

Im Radiosender Bayern 3 spielte damals Georg Kostya wöchentlich Rock ’n’ Roll in seiner Sendung „Aus meiner Rocktasche“. Die Spider Murphy Gang hatte inzwischen eine Langspielplatte herausgebracht, und Kostya nahm Kontakt auf. Denn er plante eine Live-Sendung mit dem Titel „Rock­house“. Der Clou dabei sollte Rock ’n’ Roll in bayerischer Sprache sein. 

Sigl und Co. fanden Gefallen daran. Und im Hintergrund schwang der Rock ’n’ Roll im Stil des in diesem Jahr verstorbenen  US-Sängers Chuck Berry mit. „Chuck war ja der Urvater des Rock ’n’ Roll, er hat das Gitarrenspiel für alle späteren Rock ’n’ Roll-Bands entwickelt“, erläutert Sigl, „nicht so sehr aus dem Rock­abilly-Bereich, er hatte seine Wurzeln ja in den Big Bands.“ Und Barney Murphy ergänzt: „Chuck Berry hat viel aus den 20er und 30er Jahren übernommen, hat es aber in ein neues rhythmisches Ge­wand gesteckt. Und er hat Jazz-Akkorde in seinen Rock ’n’ Roll mit hereingebracht. Solche schrägen Akkorde gab es zuvor nicht.“

1980 kam die LP „Rock ’n’ Roll Schuah“ heraus, und in der deutschen Musikszene nahm die „Neue Deutsche Welle“ Fahrt auf. So traf 1981 der auf Hochdeutsch gesungene „Skandal im Sperrbezirk“ mit der neuen deutschen Poprichtung zusammen. Dass das Lied über die Prostituierte „Rosi“ im Bayerischen Rundfunk nicht gespielt wurde, erhöhte nur dessen Popularität: Die Nachfrage nach der Single und der LP „Dolce vita“ stieg enorm. Wegen des Bannes für die „Rosi“ schob die Band als weitere Single „Schickeria“ nach – ebenfalls mit Top-Quoten. Die „Gang“ war nun absolut top. 

Es lief richtig gut – ausgedehnte Tourneen, Artikel in Jugend- und Klatschmagazinen, Gold- und Platinplatten. 1983 kam der Spielfilm „Die Spider Murphy Gang“ in die Kinos, im gleichen Jahr tourte die „Gang“ als erste westdeutsche Band durch die DDR. Das 1984er Album „Scharf wia Peperoni“ enthielt unter anderem Franz Trojans Erinnerung an die DDR-Tour „Mädchen drüben“, das er selbst geschrieben und gesungen hat – eines von wenigen Stücken, das nicht von Günther Sigl stammt.

Zwar tourten die vier „Gangster“ nach dem Abflauen der „Neuen Deutschen Welle“ weiter, doch die LP „Wahre Liebe“ (1985) und die Single-Auskopplung „Cadillac“ waren nicht mehr so nachgefragt. Die Jahre 1985 und 1986 waren von Umstrukturierungen gekennzeichnet. Michael Busse stieg aus der Band aus, die Tasten übernahm kurz Willy Ray Ingram, der zuvor die Band als Saxofonist unterstützt hatte. 

Zum Zehnjährigen erschien 1987 die LP „Überdosis Rock ’n’ Roll“ – mit dem neuen Keyboarder Ludwig Seuss. Bei der nächsten LP „In Flagranti“ (1989) wurde erstmals bei den Arrangements Willie Duncan genannt, der schon seit 1982 zur Spider-Crew gehörte und nun als Musiker in die Band hineinwuchs. Bei der 1990er LP „Hokuspokus“ setzte sich die Band aus Sigl, Gmell, Trojan, Seuss und Duncan zusammen. Willy Ray Ingram kehrte in die USA zurück.

Zwar landete die Band keine Top-Hits mehr, tourte aber im ganzen deutschsprachigen Raum. Franz Trojan schied 1992 aus, seinen Platz nahm Paul Dax ein. 1996 stieß mit Otto Staniloi ein Musiker hinzu, der die Bläserparts übernahm. Da wird es richtig bayerisch, wenn Seuss das Akkordeon spielt und Staniloi die Tuba bläst – wie etwa bei „Renate“ auf dem 1997er Album „Keine Lust auf schlechte Zeiten“.

Nun, schlechte Zeiten hatten die Spiders nicht, nur mit neuen Liedern ließen sie sich Zeit. Erst 2002 brachten sie mit „Radio Hitz“ ihr bisher letztes Album mit neuen Aufnahmen heraus. Ein Höhepunkt zum 30. Jubiläum war 2007 die Würdigung auf der Homepage von Chuck Berry als Vertreter von Chuck Berrys Art des Rock ’n’ Roll. Im Juli 2016 kam es zur bislang letzten Umbesetzung mit Andreas Keller, der das Schlagzeug übernahm. 

Ob es zum Jubiläum ein neues Album gibt, ist noch in der Schwebe. Aber live sind die „Spiders“ weiter unterwegs – gemäß eines ihrer ersten Songs: „I ziags net aus meine Rock ’n’ Roll 

Schuah!“