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27.10.17 / Katalonien als Vorbild / Neue oberschlesische Regionalpartei bündelt Vertreter aller nationalen Optionen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-17 vom 27. Oktober 2017

Katalonien als Vorbild
Neue oberschlesische Regionalpartei bündelt Vertreter aller nationalen Optionen
Chr. W. Wagner

Die Bewegung für die Autonomie Schlesiens sowie der Oberschlesische Bund haben eine gemeinsame politische Partei gegründet. Die hierfür nötigen Unterstützungsunterschriften wurden während des jährlich stattfindenden „Autonomiemarsches“ Mitte Juli in Kattowitz gesammelt, bei dem die beiden um die regionale Gunst werbenden Gruppierungen erstmals Schulter an Schulter durch die Innenstadt zogen. Gemeinsam feierten die Mitglieder und Sympathisanten beider Gruppierungen am 15. Oktober zudem auf dem heiligen Berg der Region, dem Sankt Annaberg in der Woiwodschaft Oppeln, einen Gottesdienst für alle Oberschlesier. Dies ist auch insofern hervorzuheben, da im polnischen Verständnis das sogenannte Oppelner Schlesien von „Oberschlesien“, womit nur der östliche Teil der Region gemeint ist, unterschieden wird. Meist sogar für deutsche Ohren völlig irreführend, indem Ostoberschlesien nur als „Schlesien“ verstanden wird – wozu man Niederschlesien und sogar das oberschlesische „Oppelner Schlesien“ nicht dazurechnet. 

„Die neue Partei soll nicht gegen etwas oder jemanden sein. Wir kümmern uns nicht nur um die Region, sondern auch um den polnischen Staat, denn diese Republik lebt aus allen ihren Regionen“, sagte Grzegorz Franki, Chef des seit 1989 bestehenden Oberschlesischen Bundes gegenüber dem Internetportal Onet.Slask. „Das Fundament der Tätigkeit der (Ober-)Schlesischen Regionalpartei soll das Streben nach einer breiten Selbstverwaltung, also gewissermaßen nach Autonomie sein“, so Henryk Mercik, der stellvertretende Vorsitzende der Autonomiebewegung RAS.

Der Begriff Autonomie wird in Polen meist mit Separatismus gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung beruht auf dem Umstand, dass die eigentlich mit Autonomie gemeinte Subsidiarität als Begriff erst mit den neuen europäischen Strukturen einzog und inhaltlich aus der zentralistischen Tradition Polens heraus nicht erfasst wird. Der begrifflichen Verwirrung möchten die oberschlesischen Aktivisten entgegenwirken. „Wir Oberschlesier glauben an Selbstverwaltung stärker als anderswo, denn in der Zwischenkriegszeit konnten wir eine volle, echte autonome Selbstverwaltung ausleben. Hier bei uns hat Selbstverwaltung bereits Tradition“, so Mercik. Die oberschlesische Bewegung betont also, dass die von 1922 bis 1939 im damals polnischen Ostoberschlesien geltende Autonomie der Region bis heute weiterhin vorenthalten wird.

Nach der der letzten Kommunalwahl, bei der zugleich das Regionalparlament mit dem Ministerpräsidenten – dem Marschall – gewählt wurde, stellte RAS vier Abgeordnete im Sejmik (Landtag) der Woiwodschaft Schlesien. Zurzeit gehört die Autonomiebewegung wieder der Regierungskoalition in der Woiwodschaft an. 2012 wurde ein Oberschlesischer Rat gegründet, den elf oberschlesische Organisationen bilden, darunter der Verband für Menschen (Ober-)Schlesischer Nationalität, der sich für den Erhalt des regionalen slawischen Idioms einsetzende Verein Pro Loquela Silesiana und auch die oft in Opposition zum Dachverband der deutschen Minderheit in Oppeln stehende und ihm dennoch angehörende deutsche Gemeinschaft Versöhnung und Zukunft um Dietmar Brehmer. Damit deckt der Rat die gesamte Bandbreite oberschlesischen Selbstverständnisses ab, von Oberschlesiern deutscher Option über Nationaloberschlesier bis hin zu Oberschlesiern polnischer Option.

Die (Ober-)Schlesische Regionalpartei soll nun eine Antwort auf das zentralistische Beharren aus Warschau sein. Oberschlesien brauche eine politische Gruppierung, die nicht lediglich Filiale einer gesamtpolnischen Partei sei, so Mercik von der RAS, der zugleich Vizemarschall der Woiwodschaft Schlesien ist. Dies würde auch zur Stabilisierung der politischen Situation in der Region beitragen, behauptet er. Der Chef und Gründervater der Autonomiebewegung, Jerzy Gorzelik, behauptet, dass der Fall Katalonien eindeutig zeige, dass Europa sich regionalisiere. Die neue Partei möchte bereits bei den Kommunalwahlen 2018 eigene Kandidaten aufstellen. Damit könnte ein dezidiert oberschlesisches Votum künftig über die bisherigen Hochburgen der RAS um Rybnik und Kattowitz hinaus möglich werden.

Der bundesdeutsche Ableger der Autonomiebewegung, die Initiative der Autonomie Schlesiens e.V., hatte ihren Bundesvorsitzenden Robert Starosta aus Würzburg sogar bei der Bundestagswahl als Direktkandidaten platzieren können. Starosta trat über die Freien Wähler Unterfranken in Bayern an und erhielt im Landkreis Miltenberg beachtliche 3,75 Prozent der Erststimmen und im Landkreis Main-Spessart 3,53 Prozent der Erststimmen.