Horst F. Buchalsky (62) ist ein profunder Kenner der einzigartigen Natur Ostpreußens, ihrer Tiere und der dortigen Jagdverhältnisse. Dass er auch fesselnd und unterhaltsam darüber berichten kann, zeigte er bei seinem Vortrag anlässlich der Gedenkveranstaltung. Der leitende Forstdirektor sprach zum Thema „Jagd und Jäger in Ostpreußen – einst und heute“. Die PAZ veröffentlicht seinen Vortrag in mehreren Teilen. Lesen Sie hier den ersten Teil.
Marion Gräfin Dönhoff schreibt im Jahr 2001 in ihren „Bemerkungen zur Geschichte Ostpreußens“ unter anderem das Folgende: „Und dann trauert jeder, der dort zu Hause war, natürlich der Landschaft nach – den weiten Wiesen und Feldern unter dem großen Himmel des Ostens; den einsamen Wäldern und klaren Seen, dem Zug der Wildgänse, Störche und Kraniche im Frühjahr und Herbst, dem abendlichen Schnepfenstrich und der morgendlichen Pirsch durch tauglänzendes Gras. … Wer das erlebt hat, der wird nie etwas anderes seine Heimat nennen als Ostpreußen“.
Diese Worte bringen zum Ausdruck, dass noch heute Ostpreußen nicht nur etwas mit dem Verlust von Besitz und Eigentum, mit dem Verlust von Menschen, Bekannten und Freunden, mit dem Verlust einer sorglosen Kindheit und Jugend, mit dem Verlust einer landsmannschaftlichen Verbundenheit gepaart mit einem eigenen ostpreußischen Menschenschlag und eigener Mundart zu tun hat, sondern auch mit einer großen empfindsamen, innigen Vertrautheit, Verwurzelung und Gefühlsbetontheit.
Ostpreußen, also ein Land wie im Traum; ein Land der dunklen Wälder und kristallenen Seen. Das Ostpreußenlied drückt dabei aus, worum es geht. Es gibt, diese subjektive Einschätzung sei mir verziehen, ja auch keine schönere landsmannschaftliche Hymne als unser Ostpreußenlied.
1945 war das alles am Ende. Die Ostpreußen bekamen mit voller Wucht als erste deutsche Zivilbevölkerung die direkte, unmittelbare Gewalt des Krieges zu spüren.
Die Flucht und die spätere Vertreibung, das Leid von unzähligen Frauen, Kindern und alten Menschen ist unvorstellbar gewesen. Die Rache des Feindes war unendlich. Der einzelne Mensch konnte nichts machen; er war dem Spiel der entfesselten Kräfte schutzlos ausgesetzt. Er war einfach nur hilflos. Gerechtigkeit war abgeschafft.
Es gibt aktuell eine Reihe von Büchern, die sich mit dem Geschehen in Ostpreußen 1944 / 45 beschäftigen. Das eindrücklichste und aufwühlendste war für mich das von Freya Klier, „Wir letzten Kinder Ostpreußens“. Ich empfehle es sehr.
Insgesamt war es eine europäische, politische Katastrophe, ausgelöst durch ideologische, dogmatische und nationalistische Verblendung. Der einzelne Mensch wurde in dieser Kriegmaschinerie aufgerieben.
Und dann kommen die Menschen aus Ostpreußen und den anderen Provinzen Ostdeutschlands – geflüchtet, vertrieben, gestrandet und verfemt, nur glücklich am Leben zu sein – irgendwo in der Mitte und im Westen Deutschlands an, oftmals sind sie gar nicht willkommen; das Weltbild, die bis dahin gute Zukunft zerstört, die Heimat verloren, Verwandte, Freunde, Bekannte tot. Viele sind daran verzweifelt.
Nicht aber die Menschen, die sich sehr bald nach der Kriegskatastrophe zusammenfanden, um ihre persönlichen Interessen und Rechte sowie die ihrer gestrandeten Landsleute zu vertreten und in die Hand zu nehmen. Dazu gehörte auch Hans-Ludwig Loeffke, der das in besonderer Weise tat und so unter anderem 1957 zum Initiator und Begründer des „Ostpreußischen Jagdmuseums – Wild, Wald und Pferde Ostpreußens“ wurde, aus dem das heutige „Ostpreußische Jagd- und Landesmuseum“ hervorgegangen ist.
Hier schließt sich der Kreis zu den Eingangsworten der Gräfin Dönhoff; denn warum wählte Hans-Ludwig Loeffke das Thema „Wald, Wild und Pferde“ und nicht von vornherein die Kultur Ostpreußens als Thema für die Begründung einer Erinnerungsstätte? Es ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass Loeffke passionierter Forstmann und Jäger war und er 1953 und 1954 auf dem Deutschlandtreffen der Ostpreußen beziehunsweise der Internationalen Jagdausstellung in Düsseldorf eine hervorragende und von allen Besuchern und Experten gelobte Präsentation ostpreußischer Jagdverhältnisse organisierte und durchführte, sondern es war das Thema selbst, was sich aufdrängte.
Starke Hirsche und urige Elche, die edlen Trakehner, das leistungsfähige Herdbuchvieh, alles in einer besonders liebenswerten, zum Teil ursprünglichen Landschaft waren – wir würden heute sagen – Markenzeichen, die in Deutschland und darüber hinaus einen bekannten Namen hatten und mit der Provinz Ostpreußen verbunden wurden. Seit fast 200 Jahren genießen Wald, Wild und Jagd in Forst- und Jägerkreisen einen außerordentlichen Ruf. Und dafür gibt es Gründe.
Insbesondere auf den Internationalen Jagdausstellungen 1880 in Budapest, 1890 in Graz, 1910 in Wien, 1930 in Leipzig und 1937 in Berlin zeigte sich vor allem beim Rot-, Elch- und Rehwild die Leistungsfähigkeit ostpreußischer Reviere. Sie waren unter anderem ein wesentlicher Grund der außerordentlichen Wertschätzung und Anerkennung ostpreußischer Hege- und Jagderfolge.
So usprünglich war die Natur, dass sogar Bär, Wolf und Wisent noch lange Zeit durch Ostpreußens Wälder streiften. Mehr darüber in der nächsten Ausgabe.