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27.10.17 / Deutscher Arzt erzählt biblische Geschichten mit heutigem Empfinden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-17 vom 27. Oktober 2017

Deutscher Arzt erzählt biblische Geschichten mit heutigem Empfinden
Dirk Klose

In der Literatur werden historische Ereignisse gern in einen Roman „verpackt“. Historisches Geschehen gibt der Erzählung eine größere Plausibilität. Eines der berühmtesten Beispiele ist Leo Tolstois Roman „Krieg und Frieden“, bei dem man mitunter schon gar nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden kann. 

Der in Bamberg als Arzt tätige Autor Sigurd Göttlicher hat sich durch mehrere Bücher, in denen er vor allem Ereignisse aus dem Alten Testament romanhaft aufbereitet hat, einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch „Die Gebote der Wüste“ erzählt er, wie die göttlichen zehn Gebote nicht, wie in der Bibel beschrieben, Moses von Gott auf Gesetzestafeln gegeben wurden, sondern womöglich einfach aus menschlicher Überlegung zum friedlichen Zusammenleben kodifiziert wurden. So abwegig ist diese Überlegung nicht, denkt man an die Gesetzgebung des babylonischen Königs Hamu­rabi aus dem 17. Jahrhundert vor Christus oder an Codices aus dem alten Ägypten, die auf berühmten Tafeln in Hieroglyphen festgehalten sind. 

Göttlicher erzählt eine Art Familiensaga. Die anfangs als Beduinen in der Wüste lebende Großfamilie Schuach wird in einer Stadt sesshaft und bringt über Generationen berühmte Bildhauer und Steinmetze hervor, die neben Götterbildern immer wieder auch göttliche Gebote, hier Gebote des Gottes Baal, auf steinerne Tafeln meißeln, die dann öffentlich ausgestellt werden. Das geht über Jahrhunderte so. Der letzte Schuach lebt in Jebus, das nach der Eroberung durch König David zu Jerusalem wird. Das Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ will David, der die Frau seines Feldhauptmanns Uria zum Weib genommen hat, nicht akzeptieren. Er lässt Kuna, den letzten Schuach, ermorden.

Strenge Kriterien der Literaturkritik sollte man hier nicht anlegen. Es wird gradlinig, oft etwas naiv und bieder erzählt, über der Familie scheint bis zum grausamen Mord am Ende stets die Gnadensonne der handwerklichen Begabung, des Ansehens und des Erfolgs zu stehen. Die alten biblischen Geschichten seit Adam und Eva über Noah bis Abraham, Saul und David werden mit heutigem Empfinden erzählt, was der Autor mehrfach durch persönliches Auftreten unterstreicht. Man mag positiv ansehen, dass die oft kriegerischen Ereignisse in der Bibel hier einmal unter dem Blickwinkel friedlichen Zusammenlebens gesehen werden. 

Ein ungewohnter Nebenaspekt: Der schriftstellernde Doktor in Bamberg ist Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Schriftstel­lerärzte (BDSÄ). Dieser wiederum gehört zum Weltverband der Schriftstellerärzte (Union mondiale de Écrivains mèdicins – UMEM), der kürzlich seinen Jahreskongress im bulgarischen Plovdiv abhielt. Wer also seinen Arzt in der Praxis oder am Krankenbett vermisste, mag daran denken, dass sein Doktor vielleicht Stethoskop oder Skalpell beiseitegelegt und dafür den Pegasus bestiegen hatte.

Sigurd Göttlicher: „Die Gebote der Wüste. Ein historischer Roman“, Erich Weiß Verlag, Bamberg 2017, gebunden, 312 Seiten, 19 Euro