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03.11.17 / Ein Geschenk aus Ost-Berlin / Wie der Paragraf 130 StGB zum Instrument wurde, Gegner mundtot zu machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-17 vom 03. November 2017

Ein Geschenk aus Ost-Berlin
Wie der Paragraf 130 StGB zum Instrument wurde, Gegner mundtot zu machen
Dirk Pelster

Der Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (StGB) ist ein Erbe des Kaiserreiches, aber zum Instrument, mit dem sich insbesondere Stimmen aus dem rechten politischen Spektrum bequem mundtot machen lassen, machte ihn erst die Bundesrepublik. Die Staatssicherheit der DDR leistete dabei als Agent Provocateur wesentliche Hilfestellung.

Der Straftatbestand der sogenannten Volksverhetzung kann auf eine lange Tradition zurückblikken. Als das Strafgesetzbuch nach der Reichsgründung 1871 geschaffen wurde, sollte mit dieser Norm ursprünglich verhindert werden, dass sich die sozialen Gegensätze in dem noch jungen Staat gewalttätig entluden. Strafbar war zunächst nur, das sogenannte Anreizen zur Gewalt gegen andere soziale Klassen. Aus diesem Grund war die in Paragraf 130 Strafgesetzbuch (StGB) geregelte Vorschrift auch nicht unter dem rechtlichen Terminus Volksverhetzung, sondern unter dem etwas sperrigen Begriff des Anreizens zum Klassenkampf bekannt. Trotz verschiedener Reformbestrebungen blieb diese Vorschrift über lange Zeit unangetastet. 

Dies änderte sich erst, als in der Weihnachtsnacht 1959 die neu eingeweihte Kölner Synagoge von zwei Anhängern der Deutschen Reichspartei mit antisemitischen Parolen beschmiert wurde. In den Folgemonaten brach eine Welle von ähnlich gelagerten Taten über die Bundesrepublik herein. Die amtierende Regierung Adenauer geriet unter erheblichen Druck und musste sich für die steigende Zahl neonazistischer Straftaten gegenüber der internationalen Öffentlichkeit rechtfertigen. 

Zwar ist das genaue Ausmaß unter Historikern bis heute strittig, jedoch gilt es mittlerweile als gesichert, dass die Staatssicherheit der DDR die antisemitische Kampagne durch V-Leute im extremistischen Milieu zumindest massiv befeuert hat. Der Historiker Michael Wolffsohn kommt in seinem Buch „Die Deutschland-Akte“ gar zu der Einschätzung: „Die Pinsel der Schmierfinken wurden von Stasi, KGB und anderen kommunistischen Geheimdiensten gelenkt.“ 

Erklärbar wird dies durch die seinerzeitigen politischen Rahmenbedingungen. Noch im Januar 1959 hatte die Sowjetunion erfolglos Vorschläge für einen Friedensvertrag mit Deutschland und Pläne für eine Herauslösung der beiden deutschen Staaten aus ihren jeweiligen Militärbündnissen unterbreitet. Die Initiativen wurden von den Westalliierten und der Bundesregierung zurückgewiesen. Auch hatte sich die SPD im November in ihrem Godesberger Programm zur Westbindung und zu einer Abkehr vom Marxismus bekannt. Die von der SED bis in die späten 50er Jahre verfolgte Politik einer raschen Wiedervereinigung unter sozialistischen Vorzeichen war damit ebenso endgültig gescheitert wie die Bemühungen der Sowjets, einen neutralen deutschen Staatenbund als Puffer zwischen Warschauer Pakt und Nordatlantikpakt in Zentraleuropa zu schaffen. Zudem stand die DDR durch die Flucht von zahlreichen Fachkräften in Richtung Westen vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. 

Vor diesem Hintergrund unternahm die SED-Führung einen breit angelegten Vorstoß, die Bundesrepublik international zu diskreditieren. Im Zentrum der Vorwürfe stand dabei die Behauptung, dass es eine ungebrochene politische und personelle Kontinuität zwischen dem westdeutschen Teilstaat und dem Dritten Reich gäbe. Scheinbar antisemitisch motivierte Straftaten sollten den Behauptungen aus Ost-Berlin die notwendige Glaubwürdigkeit verleihen. 

Später kamen gezielte Kampagnen gegen westdeutsche Politiker wie den Vertriebenenminister Theodor Oberländer oder Kanzleramtschef Hans Globke hinzu. Beide wurden in einem Schauprozess vor einem Ost-Berliner Gericht in Abwesenheit wegen Verstrickungen in den nationalsozialistischen Staat zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. 

Der so erzeugte politische Druck blieb in der Bundesrepublik nicht folgenlos. Unter anderem führte er zu einer grundlegenden Neufassung des Paragrafen 130 StGB. Strafbar war nun nicht mehr nur das Anreizen zur Gewalt, sondern bereits das bloße Anstacheln zum Hass. Auch wurde der Klassenbezug gestrichen. Mit der novellierten Norm sollte nicht mehr die Eskalation sozialer Gegensätze verhindert werden, sondern der Zweck der Vorschrift änderte sich vielmehr in Richtung des Schutzes religiöser und ethnischer Minderheiten. Vor allem wurde so ein Instrument geschaffen, mit dem sich insbesondere Stimmen aus dem rechten politischen Spektrum bequem mundtot machen ließen.