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03.11.17 / Das Ende einer preußischen Episode / Vor 300 Jahren verkaufte der Soldatenkönig die Brandenburgisch-Afrikanische-Amerikanische Compagnie (BAAC)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-17 vom 03. November 2017

Das Ende einer preußischen Episode
Vor 300 Jahren verkaufte der Soldatenkönig die Brandenburgisch-Afrikanische-Amerikanische Compagnie (BAAC)
Wolfgang Reith

Über dem Engagement Preußens in Afrika wird jenes in Amerika häufig übersehen. Dabei ermöglichte erst beides zusammnen die lukrative Teilnahme am sogenannten Dreieckshandel, sprich dem Tausch von europäischen Industrieprodukten gegen Sklaven in Afrika und dem Tausch dieser Sklaven gegen landwirtschaftliche Produkte in Amerika.

Nachdem der Große Kurfürst in den letzten Jahren seiner Herrschaft, die von 1640 bis 1688 währte, eine eigene Flotte aufgebaut hatte, betrieb er damit die Gründung von Handelsstützpunkten in Übersee. Bekannt sind die brandenburgisch-preußischen Kastelle, die an den Küsten der heutigen afrikanischen Staaten Ghana und Mauretanien errichtet wurden. Weniger bekannt hingegen ist, dass Kurfürst Friedrich Wilhelm auch in der Karibik maritime Interessen verfolgte und auf der Insel St. Thomas, die heute zu den Amerikanischen Jungferninseln gehört, aber damals sich in dänischem Besitz befand, eine Niederlassung etablieren ließ, die fast 50 Jahre lang Bestand hatte. Weil der damals übliche Dreieckshandel der europäischen Seemächte nur gedeihen konnte, wenn man sowohl in Afrika als auch in Amerika über eigene Stützpunkte verfügte, bemühte sich Brandenburg-Preußen nach dem Erwerb der Kolonien an der Westküste Afrikas ebenso um Besitzungen auf dem amerikanischen Kontinent.

Um die Jahreswende 1680/81 tauchten erstmals brandenburgische Schiffe in der Karibik auf, drei Jahre später unternahm man den erfolglosen Versuch, Frankreich die Inseln St. Croix und St. Vincent abzukaufen. Im Oktober 1684 kam es zu Verhandlungen mit Dänemark, das seit 1671 die mit 82 Quadratkilometern zweitgrößte Antilleninsel St. Thomas besaß. Und da Dänemarks Westindien-Handel gerade mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte, erschien eine Einigung hier aussichtsreich. 

Dem Großen Kurfürsten ging es in erster Linie um die Gewährung einer Handelskonzession, und so schloss man am 24. November 1685 einen Vertrag ab, der folgendes vorsah: Die Brandenburger erhielten das Recht, soviel Land in Besitz zu nehmen, wie man mit 200 Sklaven zu bebauen in der Lage war. Sie durften Wohn- und Lagerhäuser errichten sowie Handel einschließlich Sklavenhandel betreiben. Außerdem gestand man ihnen das Jagd- und Fischereirecht zu. An Abgaben sollten in den ersten drei Jahren nur solche für die Sklaven anfallen. Danach hatten die brandenburgischen Plantagenbesitzer Pachtzinsen an die dänische Krone zu entrichten. Auf exportierte Waren mussten fünf Prozent Steuern gezahlt werden, auf ein- beziehungsweise ausgeführte Sklaven ein beziehungsweise zwei Prozent. Den Brandenburgern wurde erlaubt, ihre eigene Polizei und Gerichtsbarkeit zu unterhalten. Lediglich die brandenburgische Besatzung war dem dänischen Gouverneur der Insel unterstellt, der dafür im Namen seines Königs den Brandenburgern und ihren Schiffen Schutz gewährte. Im Falle eines Krieges zwischen beiden Staaten sollte St. Thomas als neutral angesehen werden. 

Der Vertrag, der 1686 um zwei Zusatzabkommen ergänzt wurde, war auf eine Gültigkeitsdauer von 30 Jahren angelegt, konnte danach aber verlängert werden. Auch wenn die erzielte Einigung den Großen Kurfürsten nicht ganz zufrieden stellte, weil die Souveränität über die Insel weiterhin bei Dänemark lag, so hatte er sich doch endlich den begehrten Stützpunkt in der Karibik gesichert und konnte damit am transatlantischen Handel teilhaben. Im Jahre 1692 wurde die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) deshalb in „Brandenburgisch-Afrikanische-Amerikanische Compagnie“ (BAAC) umbenannt.

Das Pachtgebiet der Brandenburger bestand aus einer europäischen Siedlung mit einem Fort, der Residenz des Generaldirektors, Wohn-, Verwaltungs- und Lagergebäuden sowie einem separaten Wohnareal für die Sklaven. Es lag in unmittelbarer Nachbarschaft zum dänischen Hauptort Charlotte Amelie, der nach der Gemahlin König Christians V., einer Nichte des Großen Kurfürsten, benannt war. Alle drei Siedlungen erstreckten sich über rund einen Kilometer an der Küste entlang. Bei Krum Bay, westlich der Siedlungen, wo den Brandenburgern ausgedehnte Ländereien zur Kolonisierung zugewiesen worden waren, legte man Plantagen an, die sich in der Folge bis weit ins Inland hinein ausdehnten. Beim Tode des Großen Kurfürsten im Jahre 1688 lebten 300 Brandenburger auf der Insel, denen einige hundert Sklaven dienten.

Als erster Generaldirektor traf am 23. November 1686 der „Commercien-Direktor“ und Marinerat Jacques Barbot de Laporte ein. Unter seiner Verwaltung entwickelte sich der Handel bald derart erfolgreich, dass dies den Neid der Dänen hervorrief. So kam es rasch zu Spannungen mit dem dänischen Gouverneur, der den Brandenburgern unterstellte, den Handel der Insel dominieren zu wollen, wofür er Kompensationszahlungen verlangte. Außerdem warf er ihnen vor, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu verletzen, weil sie die Bebauung der ihnen zugewiesenen Ländereien vernachlässigten. Die Brandenburger entgegneten, sie seien nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, das Pachtland zu kultivieren. Doch der Gouverneur ließ sich nicht darauf ein und untersagte den dänischen Plantagenbesitzern, ihre bei den Brandenburgern gemachten Schulden zu begleichen. Tatsächlich hatte sich die brandenburgische Kompagnie von Anfang an mehr am Handel als an der Plantagenwirtschaft interessiert gezeigt, war doch St. Thomas ein bedeutender Umschlagplatz, den jährlich mehr als 1000 Schiffe anliefen. Und während die Brandenburger bei allen Geschäften immer wieder erfolgreich waren, verschuldeten sich mehr und mehr dänische Plantagenbesitzer bei ihnen. Da die Differenzen unüberbrückbar zu sein schienen, wurde Kurfürst Friedrich III., der Nachfolger des Großen Kurfürsten, schließlich beim dänischen König vorstellig. In den folgenden Verhandlungen kam es zum Einigungsvertrag vom 21. April 1692, der zunächst auf drei Jahre angelegt war, 1695 aber verlängert wurde.

Wegen der ständigen Auseinandersetzungen mit den Dänen hatten die Brandenburger in der Zwischenzeit mehrere Versuche unternommen, eigenen Besitz in der Karibik zu erwerben. So bekundete man Interesse an den Inseln St. Eustache, St. John, St. Peter und Tortola, doch alle Anläufe schlugen fehl. 

Eine konkrete Chance bot sich, als man im Februar 1689 die zwischen St. Thomas und Puerto Rico gelegene Krabbeninsel, das heutige Culebra, in Besitz nahm. In einer feierlichen Zeremonie erhielt die Anlandungsstelle die Bezeichnung „Brandenburger-Bay“. Man ließ jedoch keine Besatzung zurück und sicherte die „Erwerbung“ auch in keiner Weise ab. So kam es, dass, als die Brandenburger im Dezember 1692 erneut die Insel anliefen, dort zu ihrer großen Überraschung eine dänische Flagge wehte und ein dänischer Offizier sie davon in Kenntnis setzte, das Eiland sei schon seit 1682 dänisches Territorium.

Obwohl Friedrich III. im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein Interesse an den überseeischen Territorien bekundete, nahm der Handel mit diesen auch in den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts eine günstige Entwicklung. Die Sklaventransporte von Westafrika nach St. Thomas florierten, und die dortigen Plantagen belieferten Europa mit tropischen Produkten. Die Dänen beobachteten die Erfolge der Brandenburger weiterhin mit Argwohn, waren sich aber auch darüber im Klaren, dass die Kolonie ohne die Handelsaktivitäten der ungeliebten Konkurrenten kaum mehr lebensfähig gewesen wäre. Deshalb sah man sich zur Zusammenarbeit gezwungen. Nachdem 1695 der Interimsvergleich von 1692 ausgelaufen war, kam es zu neuen Verhandlungen, die von den Dänen mit weitreichenden Auflagen verbunden wurden. So sollte Brandenburg beispielweise nach Ablauf von sechs Jahren endgültig seine Niederlassung räumen. Zur Begründung führte man insbesondere die schlechte Zahlungsmoral an. Nachdem die Kompagnie 1699 jedoch alle ihre Restschulden beglichen hatte, bestand die dänische Seite nicht mehr auf einem zeitlich befristeten Niederlassungsrecht der Brandenburger.

1715 lief der Konzessionsvertrag von 1685 aus. Dennoch blieb vorläufig alles beim Alten, 1716 wurde sogar noch ein neuer Generaldirektor nach St. Thomas entsandt. In Brandenburg-Preußen herrschte unterdessen seit 1713 Friedrich Wilhelm I., der noch weniger als sein Vater an Marine- und Kolonialpolitik interessiert war. In einem Vertrag vom 18. Dezember 1717 wurde daher die Brandenburgisch-Afrikanische-Amerikanische Compagnie mitsamt den Besitzungen an der westafrikanischen Küste an die Niederländisch-Westindische Compagnie (NWIC) verkauft. 

Die Niederlassung auf St. Thomas hingegen blieb bestehen, und der Handel dort wurde weiterhin im Namen der (nicht mehr existierenden) BAAC abgewickelt, über deren Auflösung man nicht informiert worden war. Die Dänen ließen die Preußen zunächst weitermachen, doch als die Summe der säumigen Zinsen und Abgaben immer größer wurde, kündigte man die Konzession endgültig auf. Der preußische Generaldirektor wollte die Geschäfte aber nur dann ruhen lassen, wenn er vom König zurück­beordert würde. Schließlich strengte der dänische Gouverneur wegen der nicht erfüllten Forderungen einen Prozess an, aber weil die Preußen weder zahlen konnten noch ohne ausdrück­liche Weisung aus Berlin zahlen wollten, wurde 1727 ihr Inventar versteigert. 

Als Friedrich Wilhelm I. davon erfuhr, sah er sich außerstande zu vermitteln. 1731 schrieb der Generaldirektor einen letzten Brief an den preußischen König, in dem er seine ausweglose Lage beschrieb. Vier Jahre später verstarb er auf St. Thomas. Seine Nachkommen blieben auf der Insel, und noch heute gibt es dort einen Berg sowie Straßen, die seinen Namen tragen, ebenso die Ruine seines früheren Farmhauses. Nachdem 1738 die letzten preußischen Besitzungen versteigert worden waren – nur das Privateigentum des letzten Generaldirektors wurde davon ausgenommen –, erklärte der dänische König alle den Preußen bisher zugestandenen Rechte für aufgehoben. Sie konnten jedoch, sofern sie dafür optierten, auf St. Thomas bleiben, mussten in diesem Fall aber einen Eid auf den König von Dänemark ablegen. 

Heute zeugen auf der Insel nur noch die geographischen Bezeichnungen und Familiennamen sowie vereinzelte architektonische Überbleibsel von der ein halbes Jahrhundert dort währenden brandenburgisch-preußischen Epoche, die in der Geschichtsschreibung fast völlig in Vergessenheit geraten ist.