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03.11.17 / Luthers Protestantismus in Ostpreußen / 11. Kommunalpolitischer Kongress der LO in Allenstein – Das Thema Reformation fand großen Anklang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-17 vom 03. November 2017

Luthers Protestantismus in Ostpreußen
11. Kommunalpolitischer Kongress der LO in Allenstein – Das Thema Reformation fand großen Anklang
M. Rosenthal-Kappi

Am 21. und 22. Oktober führte die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Allenstein ihren 11. Deutsch-Polnischen Kommunalpolitischen Kongress durch, an dem zirka 60 Funktionsträger der LO sowie polnische Landräte und Vertreter der Deutschen Minderheit teilnahmen. Die positive Resonanz zeugt von großem Interesse an der Veranstaltung.

Das Motto des diesjährigen Kongresses lautete „Deutsche und Polen im Kräftefeld von Staat und Religion“. Wer nun glaubt, das Thema Religion habe wenig mit Politik zu tun, der irrt, denn, wie die Referenten mit ihren Vorträgen verdeutlicht haben, spielte gerade in Ostpreußen die Religion eine wichtige Rolle. Ein Novum war, dass der ehemalige Schulleiter Dieter Chilla die Konferenz leitete, der als Mitglied des Bundesvorstands der LO zuständig ist für die Belange des südlichen Ostpreußens und die Betreuung der deutschen Vereine. Chilla hat das Thema mit Bedacht gewählt: In diesem Jahr feiern wir den 500. Jahrestag der Reformation. Diese hat in Ostpreußen eine große Rolle gespielt, und Religion wirkte sich auch auf den Staat aus. 

LO-Sprecher Stephan Grigat durfte als Ehrengäste Bernard Gaida, den Vorsitzenden des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, Heinrich Hoch, den Vorsitzenden der Verbandes der Deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, sowie Wiktor Leyk, den Beauftragten für Minderheiten der Woiwodschaft Ermland und Masuren begrüßen. Vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Danzig nahm Guiseppe Lo Coco an der Veranstaltung teil. Grigat blickte auf die lange und gefestigte Tradition der Kommunalpolitischen Kongresse zurück, die seit Oktober 2000 (Frankfurt/Oder) in regelmäßigen Abständen stattfinden. Auf Frankfurt folgten Elbing 2001, Köln 2003, Allenstein 2004, Dresden 2005, 2008 wieder Allenstein und Frankfurt 2009. 2011, 2013, 2015 und der aktuelle Kongress wurden in Allenstein durchgeführt. Ihr Ziel ist es, die Kenntnisse über Ostpreußen zu vertiefen, Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und polnischen Ostpreußen zu stärken, um ein gegenseitiges Verständnis zu erlangen. Es geht auch darum, an kulturellen Werten festzuhalten und geschlossene Verträge einzuhalten. Ständiges Bemühen um das Erreichte sei notwendig, so Grigat, denn „Stillstand ist Rück-stand, Rückstand kann sich Europa nicht leisten.“ Insofern sei der Kongress „ein Mosaikstein in der Architektur Europas“.

Wie aus den Grußworten hervorgeht, besteht daran auch von polnischer Seite kein Zweifel. Der Vize-Woiwode von Ermland und Masuren, Slawomir Sadowski, lobte in seiner Grußbotschaft die Partnerschaft zwischen Deutschen und Polen nicht nur im Alltag, sondern auch in der Wissenschaft sowie den guten Willen, bei unterschiedlichen Sichtweisen sensibel aufeinander zuzugehen. Das Grußwort verlas die Repräsentantin der LO in Allenstein, Edyta Gladkowska.

Wiktor Leyk dankte der LO im Namen des Marschalls der Woi-wodschaft Ermland und Masuren für ihre Beharrlichkeit, da die Idee der Kongresse zunächst nicht nur auf Gegenliebe gestoßen war. 

Jaroslaw Sloma, stellvertretender Stadtpräsident Allensteins, betonte die wichtige Rolle Deutschlands für Polens Weg in die EU. Fundamentale Bedeutung für ganz Europa gestand er Immanuel Kant und Nicolaus Copernicus zu, die aus Ostpreußen stammen beziehungsweise dort lebten. 

Der Schlesier Bernard Gaida erzählte, dass er sein Bekenntnis zum Deutschtum dem ostpreußischen Schriftsteller Ernst Wiechert verdanke. Die Lektüre des Romans „Jerominkinder“ habe ihm für sein eigenes Verständnis als Angehöriger der Deutschen Minderheit geholfen. 

In seinem Vortrag „Vom Ordensland zum Herzogtum Preußen als erstes protestantisches Fürstentum“ schilderte Udo Arnold einleuchtend die Geschehnisse um die Einführung des evangelischen Glaubens in Preußen, die nicht ohne Kriege und politische Intrigen vonstatten ging. 

Domherr André Schmeier verbindet etwas mit Luther: Er stammt aus Einbeck, und Martin Luther bekam zu seiner Hochzeit zwei Fässer Einbecker Bier geschenkt. Schmeier, der zur Zeit des politischen Umbruchs nach Ostpreußen kam, beschäftigt sich als Seelsorger intensiv mit den Beziehungen zwischen Deutschen und Polen. Das Bistum Ermland stand immer im Spannungsfeld von Staat und Kirche. In seinem Vortrag berichtete Schmeier davon, welche Zäsur der Zweite Weltkrieg für die Kirche als tragendes Element bedeutete. Bedroht von den Nationalsozialisten folgte die Behinderung der Diözese durch den Russeneinmarsch und später durch den Kommunismus. Geistliche wurden kriminalisiert, die deutsche Identität der Menschen unterdrückt, Deutsche nur noch als „Autochthone“ bezeichnet. Man ging davon aus, dass sie eigentlich Polen seien, es nur nicht mehr wüssten. Seit 1993 sei das Verhältnis von Kirche und Staat in Polen zwar geregelt, allerdings sei es auch heute noch möglich, dass beide in Spannung zueinander geraten.

Bischof Rudolf Bazanowski hielt einen zutiefst religiös geprägten Vortrag, in dem es um Liebe und Versöhnung, Verantwortung und Frieden ging. Er endete mit dem Appell, gegenseitige Verletzungen und Wunden zu überwinden.  

Chilla beendete den ersten Tag des Kongresses mit einem Referat über „Masurische Herzensfrömmigkeit – ein ostpreußischer Exportschlager für das Ruhrgebiet“ Er sprach aus eigener Erfahrung. Zwar wurde er nicht mehr in Ostpreußen geboren, seine Vorfahren stammen aber aus Ortelsburg und Neidenburg. Chilla schilderte, wie sich die vertriebenen Masuren im Ruhrgebiet niederließen und sich dort in Gebetsvereinen organisierten, in denen sie ihr Brauchtum weiterführten. Frömmigkeit, gepaart mit einer guten Portion Aberglauben, überdauerte so die Zeiten. Die Reaktion der Zuhörer zeigte, dass die Existenz masurischer Gebetsvereine im Ruhrgebiet vielen neu war. 

Am nächsten Tag ging das Programm mit einer literarischen Lesung des Schriftstellers Herbert Somplatzki weiter. In „Der Glaube meiner Großmutter“ schildert er in bewegenden Szenen Kindheitserinnerungen an die eigene Flucht aus Ostpreußen. Es war die Stunde der Frauen, die, selbst großen Strapazen ausgesetzt, für die Kinder da waren, sie beschützten, trösteten und Zuversicht gaben. Um alles Furchtbare zu überstehen, halfen ihnen ein unerschütterlicher Glaube, aber auch Aberglaube.

Leyk sprach über den „Einfluss der Reformation auf das Leben der Masuren und auf die Region“. Er spannte einen historischen Bogen von der Reformation bis zur heutigen Situation evangelischer Kirchengemeinden. Nicht ohne Seitenhieb auf die polnische Regierungspartei PiS prangerte Leyk autoritäre Machtregime an. 

Zbigniew Kudrzycki von der Kopernikus-Universität Thorn beschäftigte sich mit den „Beziehungen zwischen den evangelischen Bewohnern Masurens und den katholischen Bewohnern in Kurpien bis ins 19. Jahrhundert“. Es handelt sich um ein Grenzgebiet zwischen der Johannisburger und der Kurpier Heide. Am Beispiel der Gemeinde Friedrichshofen zeigte Kudrzycki auf, wie sich feindlich gegenüberstehende Katholiken und Protestanten durch Migration vermischten, es durch äußerliche politische Einflüsse zu einem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse kam. 

Die Diskussionsbeiträge zeugen davon, wie intensiv sich die Teinehmer mit der Thematik beschäftigt haben. Am Ende des Tages konnte Chilla auf eine erfolgreiche Veranstaltung zurückblicken, die gezeigt hat, dass die Auseinandersetzung zwischen Konfessionen zu  politischen Veränderungen geführt haben und der Protestantismus neben dem Katholizismus sehr starken Einfluss auf die Politik der Region hatte.