28.03.2024

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03.11.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-17 vom 03. November 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

heute möchte ich etwas eingehender auf das Tagebuch von Elsbeth Czinczel aus Lyck zurück­kommen, das uns ihr Sohn Werner zugesandt hatte mit der Bitte, es zu prüfen, ob es für eine Veröffentlichung in unserer Ostpreußischen Familie geeignet wäre. Wir sind darauf in Folge 41 eingegangen, zusammen mit der Nachkommentafel von Werner Czinczels Urgroßvaters Willemsohn aus Woszellen, aber ich habe es noch nicht zur Seite gelegt. Mich haben diese Aufzeichnungen deshalb so interessiert, weil es kein Tagebuch in eigentlichem Sinne war, sondern aus losen Zetteln mit Kurznotizen bestand, die ihr Sohn in lesbare Form gebracht hatte. Im Gegensatz zu Fluchtberichten, die im Nachhinein geschrieben wurden, ist es absolut authentisch, weil die Erlebnisse während und kurz danach aufgeschrieben wurden. Wie wertvoll und wichtig diese Aufzeichnungen für Frau Czinczel ein Leben lang waren, beweist die Tatsache, dass sie die losen Blätter ungeordnet bis zu ihrem Tod im Jahre 2005 bewahrt hatte. Für den Sohn war es eine Verpflichtung, die Notizen zu entziffern, zeitlich zu ordnen und zusammenzufassen, sodass ein Zeitzeugenbericht mit dokumentarischem Wert entstand, den er uns dann als Manuskript übersandte. Aus diesem wollen wir heute einen kleinen Abschnitt bringen, denn er fügt sich in unsere eigenen Erinnerungen an die Verstorbenen ein, die noch vor der Flucht ihr Grab in der Heimat fanden.

Ihr Vater Hugo Zorn war im Herbst 1944, als in den Grenzkreisen schon die Evakuierung begann, schwer erkrankt. Auch in Lyck wurde das Kreiskrankenhaus geräumt, Hugo Zorn kam als Patient nach Mohrungen. Elsbeth Czinczel, die damals in Königsberg lebte, hat jene Tage im November 1944, als sie mit ihrer Mutter die Urne ihres verstorbenen Vaters nach Lyck brachten, so aufgezeichnet:

„Krankheit und Tod meines Vaters, Beisetzung in Lyck Ende November, wir waren zum letzten Mal dort. Unsere Wohnung wirkte so schrecklich verlassen, hatten wir doch schon aus den Schränken das Wichtigste zu meiner Schwester Christel nach Schlesien geschickt, manches auch im Keller unter Kohlen versteckt. Wir glaubten fest daran, bald wieder zurück zu kommen. Wenn mir das ganze Geschehen – Fortschaffen und Verstecken – auch irgendwie überflüssig ja, unwirklich erschien –, so hatte meine Mutter schon 1914 den Russeneinfall mit Brand und Verwüstung erlebt und tat dies jetzt alles mit Vorbedacht. So fanden wir Lyck leer und fremd, Frauen und Kinder waren evakuiert, die Geschäfte hatten nur noch wenige Waren. Befreundete Geschäftsleute hatten für uns ihre Pferde angespannt, so fuhren wir mit der Urne unseres Vaters zum Friedhof. Danach sammelten wir uns wie früher bei Tante Herta in Woszellen und war eigentlich alles so wie früher. Später fragte ich mich, warum wir eigentlich so unvorbereitet waren. Ich glaube, so richtig hatten wir nie daran gedacht, Ostpreußen verlassen zu müssen. Kriegsende – Flucht aus der Heimat – die schreckliche Fahrt von Ostpreußen ‘ins Reich’: es begann ja schon viel früher, damals im Herbst 1944.“

Das sind nun genau 73 Jahre her, aber wenn man diese Aufzeichnungen liest, ist die Erinnerung wieder da an jene Tage, die ja die letzten in der Heimat werden sollten. So ergeht es jedenfalls mir, denn auch ich musste meinen Vater in jenem Herbst begraben, heute bin ich dankbar, dass wir ihm noch ein Grab in der Heimat bereiten konnten. Seine letzten Worte waren: „Die Russen kommen, und ich habe doch keine Waffe.“ Sie kamen, aber er brauchte keine Waffe mehr. So wie ich werden auch andere Leser und Leserinnen durch die von Werner Czinczel in gut lesbare Form gebrachten Aufzeichnungen berührt sein und sie in den eigenen Erinnerungen reflektieren – für die Jüngeren können sie ein Zeitbild sein, das die Erinnerungen ihrer Eltern oder Großeltern transparenter macht.

Auch beim nächsten Anliegen handelt es sich um Tagebuchaufzeichnungen, aber sie gehen noch weiter zurück bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, und sie sind auch nicht vorhanden, sondern werden gesucht. Von einer Doktorandin aus Greifswald, die diese Angaben für ihre Dissertation benötigt. Mareike Schönle hat als Thema das Alltagsleben in Königsberg um 1900 gewählt, ihr Ziel ist es, den Alltag unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen darzustellen. Dafür benötigt sie die entsprechenden Informationen und hofft, diese über unsere Ostpreußische Familie zu bekommen – jedenfalls wurde ihr dieser Rat aus unserem Kreis erteilt. So ist sie nun auf der Suche nach Tagebüchern oder Memoiren aus jener Zeit, die sich mit dem Alltagsleben beschäftigen, aber diese machen nur einen Teil ihrer langen Themenliste aus, zu der unter anderm Rezepte, Beschreibungen des Schulalltags, des Arbeitsalltags und des Konfirmandenunterrichts gehören wie auch die von Familienfesten oder Abendgesellschaften. Besonders interessiert ist sie an alten Rechnungen aus der Zeit zwischen 1890 bis 1910 von Geschäften und Gastwirtschaften. Auch der Begriff „Freizeitgestaltung“ taucht in ihrer Wunschliste auf, obgleich dieser ja damals noch ungebräuchlich war, denn meistens bestand das Familienvergnügen aus einem Sonntagsausflug per pedes oder mit einem Pferdewagen, Höhepunkt war ein Besuch des Königsberger Tiergartens mit seinem vielseitigen Unterhaltungsprogramm.

Aber da bin ich schon auf dem Informationsweg, auf dem ich Frau Schönle einige Hinweise auf das geeignete Quellenmaterial geben werde. Besonders ist sie an Haushaltsbüchern aus jener Zeit interessiert, es war aber bisher für sie unmöglich, welche zu finden. Ich glaube, da wird auch unser Leserkreis passen müssen. Fündig könnte sie da schon eher auf der Suche nach Königsberger Firmenporträts werden, die auch den Arbeitsalltag in der Zeit um 1900 enthalten. Lassen wir es erst mal bei diesen Themen bewenden, Frau Schönle hat noch weitere auf ihrer Wunschliste, aber die müssen warten. Falls jemand aus unserem Leserkreis zu dem gesuchten Material Informationen geben kann, wende sich an Frau Schönle, für jeden Hinweis wäre sie dankbar. Vorerst gab die Doktorandin ihre E-Mail Adresse an: (mareike.schoenle@gmx.de)

Der November ist grau, aber ab und zu gibt es doch einen Sonnenstrahl – genau wie in unserer Familie. Es sind die Dankesbriefe, die wir erhalten, wenn Wünsche erfüllt werden konnten. Dazu gehört auch der von Frau Christel Meurer, die ihrer Freude, dass sie endlich ihren richtigen Geburtsort – Mühlhausen im Kreis Pr. Holland – gefunden hat, noch einmal Ausdruck geben möchte. Wir hatten uns ausgiebig mit dieser Frage in mehreren Folgen beschäftigt und wollen deshalb auf diese nicht näher eingehen, aber ihren Dankesbrief muss ich an unsere Leserinnen und Leser weitergeben, die an der Lösung so entscheidend mitgeholfen haben: 

„Heute möchte ich mich noch einmal an Sie wenden, um mich ganz herzlich für die interessanten Berichte im Ostpreußenblatt zu bedanken. Dank Ihrer Initiative und dank vieler Telefongespräche und E-Mail-Kontakte mit vielen Personen aus Ostpreußen habe ich jetzt die Gewissheit, dass ich in Mühlhausen, Kreis Preußisch-Holland, geboren wurde. Habe nicht schlecht gestaunt über das Bild mit dem Storchennest in der Nähe des Entbindungsheimes in Mühlhausen. Hätte nicht vermutet, dass die Suche nach meinem Geburtsort so ins Detail gehen würde. Bin sehr dankbar, dass ich aufgrund meiner Suchaktion im Ostpreußenblatt ganz viele Kontakte mit Ostpreußen hatte und noch haben werde.“ Frau Meurer nennt auch die Namen von Lesern und Leserinnen, mit denen sie in Verbindung steht und auch bleiben wird, einige haben wir in unseren drei Veröffentlichungen mit diesem Suchwunsch auch herausgestellt, weil sie ausschlaggebend für die endgültige Bestimmung ihres Geburtsortes waren. Unter ihnen ist auch eine Leserin, die ebenfalls in Mühlhausen geboren wurde, aber leider keine Geburtsurkunde wie Frau Meurer besitzt. Zu diesem glücklich gelösten Fall kann man nur sagen: ein voller Erfolg unserer Ostpreußischen Familie.

Ein Dankesbrief kam auch von Frau Dr. Irmtraud Sigrid Bießner aus Neuss, für die eine von uns herstellte Verbindung eine Bereicherung ihres Neidenburg Archivs erbrachte. Sie schreibt: „Durch Ihre Vermittlung hat Frau Marianne Pielka aus Berlin mir eine Reihe interessanter Dokumente und Fotos ihrer Eltern aus Neidenburg zugesandt. So war außer dem Foto der Fleischerei ihrer Eltern auch das komplette Verzeichnis der Telefonanschlüsse in Neidenburg im Jahr 1931 dabei. Auch ein Plan des Großen und Kleinen Marktes mit Rathaus in Neidenburg und mit der Benennung der umliegenden Geschäfte liegt vor. Mir fehlt zu diesem Plan nur die Jahreszahl. Ich habe diese wertvollen Dokumente und Fotos in das Neidenburg Archiv im Internet gestellt und möchte jeden ermuntern, dort einmal nachzuschauen, z.B. ob seine Vorfahren 1931 schon Telefon hatten oder wie das Geschäft am Marktplatz hieß, in dem die Mutter immer eingekauft hatte. Die Internet-Adresse für Neidenburg Stadt und Neidenburg Kreis lautet www.Neidenburg.de dann Bildarchiv und dann Wahl des entsprechenden Ortes. Die Fotos zu den Orten des Kreises Neidenburg hat Martin Hennig ins Internet gestellt. Die Fotos der Stadt Soldau fehlen noch und kommen in einigen Monaten hinzu.“

Ich leite diese Informationen gerne weiter und wünsche Frau Dr. Bießner weiterhin viel Erfolg beim Ausbau ihres Archivs und freue mich, dass wir dazu etwas beitragen konnten. Aber das ist noch längst nicht alles, was sich an Verbindungen durch unsere Ostpreußische Familie ergeben hat. Und da dürfte es in nächster Zeit einige Überraschungen geben.

Eure Ruth Geede