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03.11.17 / Wo die Maronen blühen / Im Hinterland des portugiesischen Alentejo huldigt man im November der Kastanienfrucht auf Festen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-17 vom 03. November 2017

Wo die Maronen blühen
Im Hinterland des portugiesischen Alentejo huldigt man im November der Kastanienfrucht auf Festen
Andreas Guballa

Hierzulande sammeln Kinder Kastanien, um sie an Tiere zu verfüttern. Die Portugiesen zaubern  dagegen aus den Nussfrüchten kulinarische Spezialitäten. Wenn im Alentejo Erntezeit ist, veranstaltet man dort Kastanienfeste.

Der Rauch unzähliger Feuerstellen zieht durch das kleine portugiesische Bergdorf Marvão, vermengt mit dem Duft gerösteter Kastanien. Publikumswirksam wirbeln Verkäufer die Früchte in großen Eisenpfannen durch die Luft. In spitzen Papiertüten werden sie noch heiß verkauft und im Gehen gegessen.

Das Kastanienfest hier im Norden des Alentejo ist eines der be­kanntesten Portugals: Hier leben zwar nur noch 185 Einwohner, aber während der „Festa do Castanheiro“, das in diesem Jahr am 11. und 12. November stattfindet, ist dort fast kein Durchkommen mehr. Auf der einzigen Zufahrtsstraße herrscht ein unlösbar scheinendes Verkehrschaos, Busfahrer sind am Rande des Nervenzusammenbruchs. 

Von weither kommen die Besucher, strömen in Scharen durchs Stadttor und durch die verwinkelten Gassen zum alten Stadtkern. Sie nehmen vor den Ständen mit den Esskastanienöfen geduldig längere Wartezeiten in Kauf und lassen sich von beißenden Holzkohleschwaden einräuchern, nur um eine Tüte mit röstfrischen Maronen zu ergattern. 

Ob geröstet, gekocht, als Suppe oder in Kuchenform – die braune Frucht bildet den Mittelpunkt des Kastanienfests. Zahlreiche Re­staurants in Marvão bieten zu diesem Anlass Menüs mit Maronen-Spezialitäten an. Dazu wird kräftiger, roter Alentejo-Wein gereicht.

Auch auf den Straßen ist einiges los. Gaukler und Musiker ziehen durch die engen, kopfsteingepflasterten Gassen und zaubern trotz der kühleren Herbsttemperaturen eine lustige und warme Atmosphäre. An mehreren Dutzend Ständen kann man Kunsthandwerk aus der Region kaufen. 

Alentejo, das „Land jenseits des Tejo“, nennen die Portugiesen das Gebiet, das im Norden von dem bei Lissabon träge ins Meer fließenden Rio Tejo, im Süden von der Algarve, im Osten von Spanien und im Westen vom Atlantik begrenzt wird. Eine weite, nahezu riesige Region, die knapp ein Drittel der portugiesischen Festlandsfläche umfasst, aber fast überall nur dünn besiedelt ist. Zum Vergleich: Das Bundesland Nord­rhein-Westfalen ist nur wenig größer als diese Region – und doch leben dort mehr als 20-mal so viele Menschen. 

Einst galt vor allem der Süden des Alentejo als Kornkammer Portugals. An diesem Charakter hat sich wenig geändert, auch wenn sich die schier endlosen Getreidefelder, auf deren Hügeln oft Korkeichen oder Olivenbäume stehen, inzwischen mit immer weiter wachsenden Weinfeldern und Viehweiden abwechseln. Eine Landschaft, durch die man Stunden fahren kann, vorbei an friedlich weidenden Pferden, über kleine Flüsse und durch Dörfer mit kleinen, strahlend weiß ge­kalkten Häusern. Eine Region, in der im Hochsommer das Leben wegen der Hitze meist erst am Abend richtig erwacht. Daher bietet sich jetzt im Herbst ein Besuch bei gemäßigten Temperaturen um 17 Grad Celsius an. 

Der Norden des Alentejo bietet ein Kontrastprogramm: Hier sind die Hügel steiler, bewachsen mit Stein- oder Korkeichen. Apropos Korkeichen: Für viele Alentejanos sind die größten zusammenhängenden Korkeichenwälder der Welt nicht nur ein Naturschauspiel, sondern Teil ihrer Lebensgrundlage. Nach wie vor ist Kork – beliebt als Flaschenverschluss wie als Dämm-Material – ein wichtiger Exportartikel Portugals. Die Gewinnung des wertvollen Rohstoffs erfordert Geduld und Mühe: Nur alle neun bis zwölf Jahre kann die Rinde einer Korkeiche geschält werden.

Im Jahresverlauf wechselt der Alentejo sein Kleid komplett. Im Frühling herrscht ein sattes Grün vor, das von den Farben der üppig blühenden Blumen unterbrochen wird. Wie ein Schleier legen sich dann blaue oder gelbe Blütenteppiche über die riesigen Weideflächen. Im Sommer werden die Getreidefelder gelb. Und wenn der trockene Boden im Herbst umgepflügt wird, taucht plötzlich ein kräftiges Rotbraun in der Landschaft auf. 

Es ist eine Gegend, in der große Felsblöcke optische Akzente setzen und auf deren höchsten Hügeln die Menschen schon vor Jahrhunderten wehrhafte Städte errichtet haben, von deren Burgmauern der Besucher den Blick weit über das Land schweifen lassen kann. So wie das wie ein Adlerhorst auf einem hohen Fels klebende Marvão. Mit Blick auf den Nachbarort Castelo de Vide hat der verstorbene, große portugiesische Dichter und Literatur-Nobelpreisträger José Saramago einmal geschrieben: „Von Castelo de Vide sieht man Marvão. Von Marvão aus aber sieht man die ganze Welt.“


Anreise: Die internationalen Flughäfen Faro und Lissabon werden von allen großen Fluglinien sowie einigen Billigfliegern angeflogen. Um von dort das Alentejo zu entdecken, empfiehlt sich die Fahrt mit einem Mietwagen. Weitere Informationen unter: www.visitalentejo.com