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10.11.17 / Ist Mordrausch zu verhindern? / Strengere Gesetze für Waffen und »Ballerspiele« am Computer sind nicht die Lösung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-17 vom 10. November 2017

Ist Mordrausch zu verhindern?
Strengere Gesetze für Waffen und »Ballerspiele« am Computer sind nicht die Lösung
Wolfgang Kaufmann

Folgenschwere Amokläufe ereignen sich mit bedrückender Regelmäßigkeit. Anschließend beginnt dann ebenso regelmäßig das Spekulieren, ob und wie die Tat hätte verhindert werden können. 

Dabei geraten besonders angeblich zu liberale Waffengesetze sowie „Ballerspiele“ am Computer in die Kritik. In Wirklichkeit liegen die Ursachen jedoch zumeist ganz woanders.

Als Amoklauf (von malaiisch „amuk“, also „wütend“ oder „rasend“) gilt üblicherweise ein Ausbruch extrem gewalttätigen Verhaltens, der weder krimineller noch terroristischer Natur ist, aber dennoch auf den Tod möglichst vieler Menschen oder zumindest hohen Sachschaden abzielt. Die Ursachen dieses Verhaltens sind in der Regel sehr komplex. Deshalb kann man hier mit Fug und Recht von einem psychologischen Puzzle sprechen.

In vielen Fällen leidet der Täter – Amokläufer sind fast immer männlich – unter ernsthaften psychischen Problemen. Besonders häufig finden sich dabei Psychosen, die mit paranoiden Wahnvorstellungen einhergehen. Oder der Betreffende produziert nicht genügend von dem Neurotransmitter Serotonin, was neben Depressionen auch aggressive Ausbrüche bedingen kann. Desweiteren weisen viele Amoktäter pathologische Persönlichkeitsveränderungen auf, wie Dissoziale Störungen, die zu Empathiemangel, verminderter Frustrationstoleranz, andauernder Reizbarkeit und der ganz bewussten Nichteinhaltung von bestimmten sozialen Normen führen. Dazu kommen in manchen Fällen noch chronische körperliche Erkrankungen, die den Leidensdruck zusätzlich erhöhen.

Das allein reicht jedoch nicht aus, um Amokläufe zu erklären. Denn diese resultieren ebenso aus einer mehr oder weniger ausgeprägten psychosozialen Entwurzelung, auf die Männer zumeist deutlich sensibler reagieren, was erklärt, warum weibliche Amokläufer zu den großen Ausnahmen zählen. Gründe für die mangelhafte gesellschaftliche Einbindung können unter anderem Arbeitslosigkeit, Mobbing, Kränkungen und Beleidigungen, tiefgehende Beziehungskonflikte, seelische Notsituationen sowie das Gefühl des Zusammenbrechens der gewohnten äußeren Ordnung sein.

Zum Schluss braucht es dann noch konkrete Auslöser. Dabei handelt es sich oft um relativ belanglose Vorfälle – entscheidend ist, dass diese zur plötzlichen psychischen Dekompensation führen, die am Ende eines längeren, quälenden Spannungszustandes steht und den übermächtigen Wunsch nach Gewalt beziehungsweise Rache hervorbringt. Gerade letzteres Motiv ist in rund zwei Dritteln aller Amokfälle nachweisbar. Und diese aggressiven Gelüste richten sich natürlich eher selten gegen völlig Fremde wie im Falle des Las-Vegas-Schützen Stephen Paddock. Üblicherweise massakrieren Amokläufer primär Familienangehörige, Mitschüler beziehungsweise -studenten oder Kollegen. 

Ansonsten sorgt nach Ansicht von Experten wie dem Berliner Kulturwissenschaftler Joseph Vogl auch das ungesunde zwischenmenschliche Klima in unserer heutigen, weitgehend durchrationalisierten „Wettbewerbsgesellschaft“ für immer mehr Amokläufe, weil es die Menschen unter einen sozialen Dauerstress setze, dem nicht jeder gewachsen sei. Deshalb lautet die Prognose von Vogl, was die Möglichkeit der Verhinderung solcher Taten betrifft, ganz unmissverständlich: Unter den gegenwärtigen Verhältnissen könne „keine Prävention … verhindern, dass das Schlimmste passiert“.