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10.11.17 / Goldene Zeiten für die Autoindustrie? / McKinsey gibt sich optimistisch – Die Geschäftsfelder würden sich allerdings verändern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-17 vom 10. November 2017

Goldene Zeiten für die Autoindustrie?
McKinsey gibt sich optimistisch – Die Geschäftsfelder würden sich allerdings verändern
Peter Entinger

Befindet sich die Autoindustrie in einer schwerwiegenden Krise? Nein, sagen neue Statistiken der Unternehmensberatung McKinsey. Die Geschäftsfelder würden sich allerdings verändern.

 Der Umsatz der weltweiten Automobilindustrie könne von heute jährlich 3,5 Billionen auf 6,7 Billionen Dollar im Jahr 2030 steigen. Die jährliche Wachstumsrate würde sich damit von derzeit 3,6 auf 4,4 Prozent im Jahr erhöhen. Neue Mobilitätsangebote und Konnektivitätsdienste seien der Motor dieser Entwicklung, teilte McKinsey in der vergangenen Woche mit. Mit 1,5 Billion US-Dollar Umsatzpotenzial könnten diese 2030 bereits fast ein Viertel des Gesamtumsatzes der Branche ausmachen. Das Umsatzwachstum aus dem Fahrzeugverkauf werde sich hingegen auf rund zwei Prozent pro Jahr halbieren. 

„Die Umbrüche in der Automobilindustrie sind heute schon spürbar“, sagte Detlev Mohr, Leiter der europäischen Automobilberatung bei McKinsey: „Vernetztes Fahren, die Elektrifizierung des Antriebs und neue Mobilitätskonzepte stellen die traditionellen Autohersteller vor neue Herausforderungen.“ Die Studie zeige zudem, dass sich das Branchenwachstum insgesamt noch beschleunigen könne. Vor allem durch neue Geschäftsfelder wie Carsharing und Infotainmentangebote im Auto seien weitere Steigerungen nicht auszuschließen. „Noch ist nicht entschieden, in welchem Maße sich traditionelle Hersteller oder neue Anbieter diese zusätzlichen Erlöse sichern können“, sagt Mohr.

Eine besondere Bedeutung kommt nach der Analyse dem Thema „Autonomes Fahren“ zu. „Im Bestfall, wenn die noch bestehenden regulatorischen Hürden im Gleichschritt mit der technischen Entwicklung der Sicherheit ausgeräumt werden, könnten bis zu 15 Prozent der Neufahrzeuge im Jahr 2030 komplett autonom fahren“, schreiben die Autoren. Bereits heute stünden viele Autofahrer dieser Technologie aufgeschlossen gegenüber. Die stärkere Verbreitung innovativer Fahrassistenzsysteme könnte helfen, die Kunden Schritt für Schritt ans autonome Fahren heranzuführen. 

Die deutsche Autoindustrie fährt bei der Entwicklung autonom fahrender Autos vorneweg, weil die hiesigen Unternehmen besonders innovativ sind. Das ergab zumindest eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Demnach entfielen 52 Prozent der weltweit angemeldeten Patente zum autonomen Fahren auf deutsche Hersteller. Unter den zehn führenden Konzernen seien sechs Unternehmen aus Deutschland – davon vier Hersteller und zwei Zulieferer. Dagegen spielten US-Herausforderer wie Tesla und Apple bei den Patenten bislang keine Rolle, sehr wohl aber Google. 

Neben Autobauern und großen Zulieferern wie Bosch und Continental arbeiten Technologie-Unternehmen wie Google ebenfalls an Systemen fürs autonome Fahren, kommen aber laut der Studie nicht einmal auf sieben Prozent der Patente. „Auch wenn es noch dauern wird, bis wir selbstfahrende Autos in großer Zahl auf der Straße sehen, sollten sich Autohersteller schon jetzt mit den möglichen Konsequenzen auseinandersetzen. Die Unternehmen sollten den Technologiesprung durch das vernetzte Auto als Chance begreifen“, sagt McKinsey-Mann Mohr. 

Automobilindustrie und Technologiekonzerne rüsten nach Angaben der Unternehmensberatung weltweit für die Neuerungen. Seit 2010 haben sie demnach insgesamt 51,1 Milliarden US-Dollar in Übernahmen rund um Künstliche Intelligenz investiert, 33 Milliarden ins autonome Fahren, weitere 13,6 Milliarden in das Kundenerlebnis beim Fahren (Infotainment, Konnektivität, Sprach- und Gestenerkennung).

Auch das herkömmliche Konsumverhalten werde sich stark verändern. „Heutige Autos werden meist für unterschiedlichste Einsatzgebiete verwendet – vom täglichen Pendeln über kurze Fahrten zum Shopping in die Stadt bis hin zur längeren Urlaubsreise“, heißt es in der Analyse. In Zukunft würden die Kunden maßgeschneiderte Lösungen für jedes Einsatzgebiet verlangen. Zum Beispiel über Carsharing. Jedes zehnte verkaufte Fahrzeug im Jahr 2030 könnte ein geteiltes Auto sein, der Markt werde sich absolut verändern. Statt ein eigenes Auto zu besitzen, nutzen immer mehr Menschen Fahrzeuge aller Art auf Zeit. Mehr als 1,7 Millionen Teilnehmer sind laut dem Bundesverband Car-sharing (bcs) bei den etwa 150 deutschen Anbietern registriert.

Obwohl sich die hohen Erwartungen in den vergangenen Jahren noch nicht bewahrheitet haben, sehen die Autoren der Studie auch für die Elektro-Autos ein großes Zukunftspotenzial. Strengere Emissionsvorschriften, eine bessere Ladeinfrastruktur und niedrigere Batteriepreise würden die Verkäufe von E-Fahrzeugen weiter ankurbeln. „In einem optimistischen Szenario – mit regulatorischer Förderung und steigendem Kundeninteresse – dürfte nach unseren Prognosen 2030 jedes zweite Neufahrzeug einen (teil-)elektrischen Antrieb haben“, heißt es. Dabei würden sich regional unterschiedliche Märkte herausbilden. In großen Städten würden E-Autos eine sehr viel größere Rolle spielen als auf dem Land. „Die Herausforderungen für traditionelle Hersteller sind enorm“, sagt Dominik Wee, Co-Autor der Studie. „Die langfristigen Trends und Kundenwünsche zwingen sie, an vielen Fronten gleichzeitig aktiv zu werden.“