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10.11.17 / »Er ist der Bürger auf dem Throne« / Von vielen verkannt, vom Volk geliebt: Friedrich Wilhelm III. wurde vor 220 Jahren Preußens fünfter König

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-17 vom 10. November 2017

»Er ist der Bürger auf dem Throne«
Von vielen verkannt, vom Volk geliebt: Friedrich Wilhelm III. wurde vor 220 Jahren Preußens fünfter König
Sibylle Luise Binder

Den „großen Cunctator“ haben sie Preußens fünften König Friedrich Wil­helm III. genannt, den „Schwächling“, dem es an Mut, Tatkraft und Stärke gefehlt habe. Er sei ein „unwürdiger Nachfolger“ des alten Fritz gewesen, ein „Spießer“, dem jegliche Größe und das Verständnis dafür gefehlt habe; dem alles, was nicht medioker, nicht mittelmäßig wie er gewesen sei, suspekt gewesen sei. Auch der Aufruf zu den Befreiungskriegen vermochte sein Image kaum zu bessern. Offiziell hieß es: „Der König rief, und alle kamen.“ Hinter seinem Rücken witzelte man hingegen: „Als alle riefen, kam schließlich der König.“

Friedrich Wilhelm war etwas, was in seiner Zeit und bei seiner Abstammung höchst unwahrscheinlich erschien: ein Pazifist. Der Großneffe des großen Fried­rich, des Feldherrn, den Napoleon als einen der größten der Geschichte verehrte, der Preußenprinz, der, kaum der Wiege entwachsen, schon in Uniform ge­steckt worden war, der das Exerzieren vor dem Einmaleins gelernt hatte, verabscheute den Krieg. 

Dabei war er kein verträumter Romantiker, sondern als Herrscher durchaus preußisch-pragmatisch. Er strebte nicht nach Glanz und Gloria, Ruhm ließ ihn kalt, stattdessen wollte er einen Staat aufbauen, in dem die Bürger zufrieden leben konnten. Krieg stand diesem Ziel entgegen, Krieg kostete Menschenleben und Geld, Krieg beraubte das Land der Kraft und der Kreativität seiner jungen Männer.

Addiert man zu diesen Ansichten noch hinzu, dass er persönlich bescheiden-bürgerlich lebte, dass er seinen Frauen ein guter, treuer Ehemann und seinen Kindern ein liebevoller Vater war, steht uns ein sympathischer Mann gegenüber. Er mag nicht das gewesen sein, was die Geschichtsschreibung einen „großen König“ nennt, er hat es wohl manchmal nur gut gemeint, statt es gut zu machen, aber das sollte doch keine Legitimation sein, ihn über seine lange Regierungszeit hin gar so mieszumachen.

Der dem Krieg so abgeneigte König wird es wohl selber als Schicksalsschlag begriffen haben, dass er zur selben Zeit lebte und regierte wie Napoleon. Er musste miterleben, wie der Korse im Handstreich Europa eroberte und dabei Preußen mit ihm an der Spitze kurzerhand überrollte. Friedrich Wilhelm III. wollte nicht in den Kampf ziehen. Ihm wäre ein neutrales Preußen am liebsten gewesen. Er versuchte, sich dem großen Schlachten entgegenzustellen. Aber das ließen weder Napoleon noch seine Ratgeber zu. 

Der sensible König, dem die spartanische preußische Prin­zen­erziehung jeglichen Ansatz zum Selbstbewusstsein ausgetrieben hatte, spürte wohl, dass man ihn für sein Bestreben nach Frieden als „Feigling“ sah. Und er hat sicher auch darunter gelitten, dass seine Frau, die von ihm angebetete Luise, für den heroischen Zar Alexander von Russland schwärmte und ihn zum Krieg drängte. 

Der von Fried­rich Wilhelm III. nolens volens erklärte Krieg gegen Napoleon führte zu einem Tiefpunkt preußischer Geschichte, dem Frieden von Tilsit. Diesem folgten aber noch in der Regierungszeit Friedrich Wilhelms die preußischen Reformen. Mit dem sogenannten Oktoberedikt wurden 1807 die Leibeigenschaft der Bauern und die Frondienste aufgehoben. Außerdem wurden Berufsfreiheit und freier Eigentumserwerb garantiert. Konkret bedeutete das, dass Bauern in die Stadt ziehen, Städter Land erwerben und Adelige bürgerliche Berufe ausüben konnten. In den darauffolgenden Jahren ging es mit den Reformen weiter. Im Herbst 1808 wurde das königliche Kabinett aufgelöst und durch diverse Ministerien – Justiz-, Kriegs-, Finanz-, Innen- und Außenministerium – ersetzt. 

Ebenfalls 1808 folgte die Städteverordnung, die zu kommunaler Selbstverwaltung führte. Und 1809 gab es schließlich eine Bildungsreform. Der König setzte Wilhelm von Humboldt als Gründer der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, die heute „Humboldt-Universität“ heißt, ein. 1811 folgten die Gründung der Universitäten Breslau und Bonn. 1812 bewies der stramme Protestant Friedrich Wilhelm III. dann, dass er das Wort seines Großonkels, dass jeder in Preußen nach seiner Fasson selig werden könne, ernst nahm. Er stellte die Juden in Preußen der christlichen Bevölkerung weitgehend gleich.

Zu der Zeit können die Reformen nicht mehr auf den Einfluss von Königin Luise zurückgeführt werden. Die war nämlich bereits 1810 verstorben. 

14 Jahre nach Luises Tod heiratete ihr Witwer ein zweites Mal, diesmal morganatisch. Seine zweite Frau, die kaum in der Öffentlichkeit auftrat und weitaus unbekannter als ihre Vorgängerin blieb, war die 1800 in Dresden geborene katholische Gräfin Auguste von Harrach, die zur Fürstin von Liegnitz aufstieg. In ihren Armen starb Friedrich Wilhelm 1840 – und im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger wurde er von seinem Volk wirklich betrauert. Das hatte ihn nämlich geschätzt. Schon kurz nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms III. hatte der Berliner Theaterdichter Alexander Herklots 1798 gereimt: „Nicht dem Purpur, nicht der Krone / räumt er eitlen Vorrang ein. / Er ist der Bürger auf dem Throne, / und sein Stolz ist’s, Mensch zu sein.“